Drastische Verluste bei Kommunalwahlen:Briten strafen Cameron ab

"Rezession plus Sparmaßnahmen gleich Machtverlust": Bei den Kommunalwahlen haben die Briten mit ihrer konservativ-liberalen Regierungskoalition abgerechnet, die Tories büßten Hunderte Parlamentssitze ein. Groß ist die Freude hingegen bei der oppositionellen Labour-Partei - und auch die Euroskeptiker dürften triumphieren.

David Cameron sieht betroffen aus. Mit hochrotem Kopf verfolgt er die Bildschirme, auf denen die ersten Ergebnisse der Kommunalwahlen einlaufen. Als er vor die Kameras tritt, hebt er die Augenbrauen und legt die Stirn in Falten. Dann sagt er: "Dies sind schwierige Zeiten und es gibt keine leichten Antworten."

Cameron Under Pressure Over Jeremy Hunt BSkyB Deal

Schwieriger Tag für Cameron: Bei den Kommunalwahlen verpassten ihm die Briten einen ordentlichen Denkzettel.

(Foto: dpa)

Diese Aussage sollte sich zwar auf den umstrittenen Sparkurs seiner konservativ-liberalen Regierung beziehen. Doch sie trifft an diesem Tag auch auf den britischen Premier und seine konservativen Tories zu. Denn die Briten haben ihrer Regierung bei den Kommunalwahlen eine Ohrfeige verpasst.

Zwei Jahre nach Camerons Amtsantritt war es die erste große Abstimmung über den Kurs der konservativ-liberalen Regierungskoalition. Gewählt wurde in 181 Kommunen in England, Schottland und Wales. Die Konservativen verloren ersten Ergebnissen zufolge Hunderte Sitze in den Kommunalparlamenten, nicht viel besser erging es dem liberaldemokratischen Koalitionspartner, den Libdems. Wichtige Sitze gingen an die oppositionelle Labour-Partei: Unter anderem verloren die Tories in Birmingham die zweitgrößte britische Stadt. Ersten Berechnungen zufolge könnte Labour etwa 700 der zur Wahl stehenden 5000 Sitze dazugewinnen. Schätzungen der BBC sehen Labour bei 39 Prozent, die Tories bei 31 Prozent und die Libdems bei 16 Prozent (hier die bereits vorliegenden Ergebnisse).

"Cameron holt sich an der eigenen Türschwelle eine blutige Nase", kommentiert das Boulevardblatt die Sun. Denn Labour holte auch in Camerons Wahlkreis Witney Sitze. "Rezession plus Sparmaßnahmen gleich Machtverlust", bilanziert der Guardian. Das Ergebnis wurde als Ausdruck des Frustes der Bevölkerung über Camerons rigiden Sparkurs gewertet. Seit die Kürzungspläne konkret werden, wächst bei den Briten der Unmut. Vergangene Woche wurde zudem bekannt, dass Großbritannien in eine sogenannte "Double-Dip"-Rezession gerutscht ist, eine Rezession mit zwei Talsohlen also. Der Frust der Briten dürfte sich auch in der historisch niedrigen Wahlbeteiligung ausgedrückt haben: Nur etwa 32 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab.

In Nottingham, Manchester oder Bradford erlitt Cameron auch mit seinem Vorschlag eine Niederlage, den Bürgermeister künftig direkt zu wählen. In Manchester und Nottingham lag die Wahlbeteiligung bei 24 Prozent.

Außenminister William Hague versuchte, die Ergebnisse herunterzuspielen: Es sei nicht ungewöhnlich, dass eine Regierung in der Mitte ihrer Amtszeit nicht so gut abschneide. Die Ergebnisse "liegen im Rahmen des Normalen", sagte er der BBC. Geknickt zeigte sich hingegen der Chef der Liberalen, Nick Clegg, in einer ersten Reaktion: Er spricht von einer "enttäuschenden und schwierigen Nacht" für seine Partei.

Sehr viel besser ist die Stimmung hingegen bei Labour-Chef Ed Miliband, der sich in Birmingham von jubelnden Unterstützern feiern ließ. Triumphierend sagte er in die Kameras: Die Wahlen seien ein Zeichen dafür, dass seine Partei "Vertrauen zurückgewinne". Bei den vergangenen Kommunalwahlen im Jahr 2009 musste Labour dramatische Verluste hinnehmen, die Partei verlor mehr als zwei Drittel ihrer bisherigen Mandate.

Gut dürfte die Stimmung auch beim notorischen Europaskeptiker Nigel Farage und seiner UK Independence Party (UKIP) sein. Sie profitierte von der Schwäche der Tories und fuhr einen Durchschnitt von 13 Prozent bei den Sitzen ein, um die sie sich bewarben - fünf Prozent mehr als bei den vergangenen Kommunalwahlen. Allerdings schlug sich der Erfolg der Partei aufgrund des britischen Wahlsystems nicht in einem deutlichen Gewinn an Sitzen nieder.

Noch unklar ist die Lage beim wichtigsten Urnengang, der Bürgermeisterwahl in London. Hier können sich die Tories Hoffnung auf einen Sieg machen: Prognosen zufolge könnte sich Amtsinhaber Boris Johnson durchsetzen, er ging als Favorit gegen seinen Labour-Herausforderer Ken Livingstone ins Rennen. Ergebnisse werden wegen des komplizierten Auszählungsverfahrens erst am Abend erwartet.

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