Drama im Mittelmeer:Nato soll Flüchtlinge retten müssen

Etwa hundert Flüchtlinge aus Libyen sind auf dem Meer vor Lampedusa umgekommen - angeblich hat die Nato die Hilfe verweigert. Nun muss sie ihr Libyen-Mandat ausdehnen, fordert Italien: Ein solches Drama soll sich nicht mehr wiederholen.

Andrea Bachstein

Italien fordert, Nato-Schiffe sollen schiffbrüchigen Kriegs-Flüchtlingen aus Libyen im Mittelmeer zu Hilfe kommen. Dazu solle das Nato-Einsatzmandat für Libyen erweitert werden. Hintergrund ist ein Flüchtlingsdrama, das sich am Donnerstag ereignet haben soll. An die hundert Menschen sollen dabei umgekommen sein.

Drama im Mittelmeer: Eine entkräftete Frau wird auf einer Trage auf die Insel Lampedusa gebracht.

Eine entkräftete Frau wird auf einer Trage auf die Insel Lampedusa gebracht.

(Foto: AFP)

Überlebende berichteten, die an Bord eines Bootes in Libyen aufgebrochenen Menschen seien verdurstet oder an Erschöpfung gestorben. Ein Nato-Schiff, das von italienischen Behörden alarmiert wurde, soll es nach italienischer Darstellung abgelehnt haben, dem Boot zu Hilfe zu kommen.

Das Nato-Kriegsschiff kreuzte nur 27 Seemeilen entfernt von dem in libyschen Gewässern treibenden Boot. Italiens Außenminister Franco Frattini beantragte am Freitag, dass der Vorfall von der Nato untersucht wird. Zugleich schlug Frattini vor, das Mandat so auszudehnen, sodass die Nato für die Rettung ziviler Kriegsflüchtlinge zuständig wäre.

Ohne auf den konkreten Fall einzugehen, reagierte die Nato am Freitagnachmittag. Das Bündnis helfe in Notsituationen immer und greife ein unter Beachtung der internationalen Gesetze, erklärte der Sprecher des Marine-Hauptquartiers der Nato in Neapel: "Die Kommandanten der zur Allianz gehörenden Schiffe kennen diese Gesetze und handeln gemäß den Normen für Maßnahmen zur Seenotrettung."

Ein zweites Schiff leistete angeblich keine Hilfe

Die italienische Küstenwache konnte schließlich 300 Menschen von dem havarierten Holzboot per Schiff und Hubschrauber bergen. Die aus Schwarzafrika stammenden Flüchtlinge werden in Lampedusa versorgt, 46 Frauen und zwei Kinder sind unter ihnen. Der Zustand einiger Schiffbrüchiger ist so ernst, dass sie zur Behandlung nach Palermo ausgeflogen werden mussten.

Berichten zufolge wurde das Flüchtlingsboot von einem weiteren Schiff im Stich gelassen: Ein zypriotisches Schiff, das die Flüchtlinge zuerst gesichtet hatte, soll zwar die italienische Küstenwache benachrichtigt und Rettungsflöße ins Wasser geworfen haben, dann aber weitergefahren sein.

Was sich genau auf dem Boot abgespielt hat, lässt sich nur den Aussagen einiger unter Schock stehender Überlebender entnehmen. Angeblich brachen sie am Freitag vor einer Woche von der libyschen Küste aus auf. Offenbar fiel nach wenigen Stunden der Motor aus, und das Boot trieb tagelang in libyschem Hoheitsgebiet. Ohne Wasser und Essen seien vor allem die Frauen an den Strapazen gestorben. Dutzende Tote seien ins Meer geworfen worden, berichtete eine Zeugin. Der Hafenkommandant von Lampedusa sagte allerdings, es sei bisher nur eine Leiche im Wasser gesichtet worden.

Erst am Montag waren auf einem Boot 25 Tote entdeckt worden. Die meisten waren auf der Überfahrt von Libyen im Motorraum erstickt. Wie Untersuchungen ergaben, starben einige auch an schweren Verletzungen: Andere Flüchtlinge hatten sie gewaltsam daran gehindert, an Deck des mit fast 400 Menschen völlig überfüllten Boots zu gelangen. Die italienische Polizei nahm sechs Insassen des Bootes fest. Die Vereinten Nationen schätzen, dass seit März 1500 Menschen auf der Flucht aus Nordafrika im Mittelmeer umgekommen sind.

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