DR Kongo:Um jeden Preis

Auch wenn es Tote kostet: In der Demokratischen Republik Kongo klammert sich der Präsident nach dem Ende seiner Amtszeit an die Macht.

Von Markus Mayr und Isabel Pfaff

Es war eine Katastrophe mit Ankündigung: In der Nacht auf Dienstag endete die zweite und verfassungsgemäß letzte Amtszeit des Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo - doch wie erwartet trat Joseph Kabila nicht zurück. Bei den Protesten, die sich am Dienstag in mehreren großen Städten des Landes gegen die Regierung entluden, gingen Kabilas Sicherheitskräfte mit Gewalt gegen die Demonstranten vor. Allein in der Hauptstadt Kinshasa sollen dabei 19 Oppositionelle getötet worden sein, wie die UN melden. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) spricht von landesweit mindestens 26 Todesopfern.

Die blutigen Zusammenstöße kamen alles andere als überraschend. Die Opposition wirft dem 45-jährigen Kabila seit Monaten vor, sich verfassungswidrig an die Macht zu klammern. Kabila regiert den rohstoffreichen Kongo seit 2001, damals hatte er das Präsidentenamt von seinem ermordeten Vater übernommen. Doch obwohl die Verfassung nur zwei Amtszeiten erlaubt, war der eigentlich vorgesehene Termin für die Präsidentschaftswahl bereits im Spätsommer auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Die Regierung begründete die Verzögerung mit finanziellen und logistischen Schwierigkeiten; unter anderem müsse das Wählerverzeichnis des fast 70 Millionen Einwohner starken Landes aktualisiert werden.

Schon im September war es bei Protesten gegen Kabilas Amtsverlängerung zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Präsidentengegnern mit mehr als 50 Toten gekommen. Auch im Ausland wird zunehmend Kritik an Kabila laut. Erst am Montag vergangener Woche verhängten die Europäische Union und die USA Sanktionen gegen hochrangige Regierungsvertreter, froren deren Konten ein und sperrten sie für die Einreise nach Europa oder die USA. Der UN-Kommissar für Menschenrechte, Seid al-Hussein, forderte den Präsidenten noch am Wochenende dazu auf, die Menschen- und Bürgerrechte zu achten. Das Auswärtige Amt bedauerte, dass "trotz aller nationalen und internationalen Bemühungen" kein neuer Präsident gewählt wurde. Die Bundesregierung verschob demnach die für das kommende Jahr vorgesehenen Verhandlungen über die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit dem Kongo auf unbestimmte Zeit.

DR Kongo: Aufgebrachte Oppositionsanhänger demonstrieren in Kinshasa gegen die eigenmächtige Amtsverlängerung des Präsidenten.

Aufgebrachte Oppositionsanhänger demonstrieren in Kinshasa gegen die eigenmächtige Amtsverlängerung des Präsidenten.

(Foto: Eduardo Soteras/AFP)

Als Kabila schließlich den Stichtag verstreichen ließ, rief Oppositionsführer Étienne Tshisekedi am Dienstag in einer Videobotschaft zum "friedlichen Widerstand" gegen den Präsidenten auf. Er forderte seine Mitmenschen und die internationale Gemeinschaft dazu auf, die Autorität des Präsidenten nicht länger anzuerkennen. Der zeigte sich auf den Proteststurm vorbereitet: Mit einem massiven Aufgebot an Sicherheitskräften, einem Versammlungsverbot und der Blockade von sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter versuchte er bereits am Montag, größere Menschenansammlungen im Keim zu ersticken. In Kinshasa und weiteren großen Städten des Landes entluden sich die Spannungen trotzdem. Ein Sprecher der UN-Friedensmission im Kongo (Monusco) kritisierte die "unverhältnismäßige Gewaltanwendung" durch Sicherheitskräfte und den Einsatz tödlicher Waffen gegen Protestierende. Augenzeugen zufolge wurden einige der Demonstranten aus nächster Nähe erschossen. Sprecher der Regierung und der Sicherheitskräfte weisen die Berichte über die Toten zurück; lediglich neun Menschen seien umgekommen, darunter "sechs Plünderer".

Auch wenn Kabila nicht an einen Rücktritt zu denken scheint, so hat er doch auf die gespannte Lage im Land regiert und am Dienstag eine 67-köpfige Übergangsregierung ernannt, die das Land bis zu den für 2018 geplanten Wahlen führen soll. Samy Badibanga, ein auf die Regierungsseite gewechselter ehemaliger Oppositioneller, soll dabei den Posten des Premierministers übernehmen. Badibanga rief die Bevölkerung zur Ruhe auf. Die Ernennung der Übergangsregierung basiert allerdings auf einer Einigung mit einer kleinen Minderheit der Opposition. Die Koalition von Kabilas Gegnern um Tshisekedi steht nicht dahinter. Er wirft Kabila deshalb einen "Staatsstreich von oben" vor.

Die katholische Bischofskonferenz des Kongo, die in dem in weiten Teilen christlichen Land großen Einfluss hat, versuchte zum Ende der offiziellen Präsidentschaft hin zwischen dem Lager Kabilas und der Opposition zu vermitteln und dringt auf schnelle Neuwahlen - bisher erfolglos. Die Gespräche zwischen den Lagern sollen noch in dieser Woche weitergehen.

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