Dobrindt und die Ausländer-Maut:Ein unmögliches Projekt

Alexander Dobrindt

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im Mai auf der 'Auto Mobil International 2014' (AMI) in Leipzig

(Foto: dpa)

Alexander Dobrindt gilt inzwischen als der "arme Hund" unter den Bundesministern. Die Maut-Pläne des CSU-Mannes stehen vor dem Aus. Aber Mitleid muss niemand haben.

Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Irgendwann im Herbst des vergangenen Jahres. Koalitionsverhandlungen in der bayerischen Landesvertretung in Berlin. Unten im Foyer steht Alexander Dobrindt, Generalsekretär der CSU. Journalisten belagern ihn. Es geht - mal wieder - um die Maut für Ausländer, das Herzensprojekt der CSU. "Die Maut kommt", sagt Dobrindt immer wieder. Er lächelt, als könne er die Skepsis in den Gesichtern seiner Gesprächspartner verstehen. Aber er, der Dobrindt, hat eben einen großen Masterplan.

Dobrindt hat die Arme vor der Brust verschränkt. Mit seinen Armen ist es ein wenig so wie mit der Maut. Er verschränkt sie auf eine ihm eigene, eigentümliche Art, so dass nicht ganz klar ist, ob sich da gerade ein unentwirrbarer Knoten gebildet hat. Oder ob es sich um eine von Dobrindt entwickelte, genial-einfache Methode handelt, die Arme nicht baumeln lassen zu müssen. "Ganz einfach", sei das mit der Maut, beteuert er. Europarecht hin oder her.

Ein halbes Jahr später. Noch Wochen, bevor Dobrindt sein Konzept vorstellen wird, ist immer noch nichts "ganz einfach" in Sachen Maut. Dobrindt ist inzwischen vom Generalsekretär zum Bundesverkehrsminister aufgestiegen. Seine einzige große Mission in diesem Amt: Die Maut einzuführen und dabei die Vorgaben im Koalitionsvertrag einzuhalten. Doch die Bedingungen sind dort eindeutig beschrieben:

  • Die Maut muss europarechtskonform sein.
  • Sie darf deutsche Autofahrer nicht zusätzlich belasten.
  • Sie muss genug Geld in die Kasse bringen, damit sich der Aufwand auch lohnt.

Drei Bedingungen, die sich kaum erfüllen lassen. Größtes Problem: Wenn Inländer nicht mehr bezahlen sollen als zuvor, dann schließt das im Grunde aus, dass so ein Konzept mit Europarecht übereinstimmen kann. Denn dieses verbietet die einseitige Belastung und damit Diskriminierung von EU-Ausländern.

7. Juli 2014, Lichthof im Bundesverkehrsministeriums. Alle Plätze sind besetzt. Für den Minister ist eine große Bühne bereitet. Eine große Bühne für ein großes Konzept, wie er glaubt. Die Erwartungen sind immens. Was Dobrindt dann aber vorstellt, irritiert. Immer war die Rede von einer Maut auf Autobahnen. Und vielleicht noch einer Ausweitung der Lkw-Maut auf Bundesstraßen. Jetzt aber überrascht er mit dem Plan, alle Straßen unter Mautpflicht zu stellen. Von der Autobahn bis zum Feldweg.

Es geht drunter und drüber

In der Dobrindt'schen Maut-Welt ergibt das Sinn: Weil damit alle In- und Ausländer auf deutschen Straßen umgehend mautpflichtig werden, kann er durch eine Verrechnung mit der Kfz-Steuer alle jene individuell entlasten, die ein Auto in Deutschland angemeldet haben. Unterm Strich würden sie keinen Cent mehr bezahlen.

Danach geht es drunter und drüber. Die EU-Kommission will diesem Konzept nicht ihren Segen geben. Zu offensichtlich sei der Versuch, nur EU-Ausländer mehr zu belasten. Das haben auch jüngst wieder die Haus-Juristen des Bundestages festgestellt, die sich Dobrindts Konzept vorgenommen haben.

Da kann Dobrindt noch so sehr versichern, dass die Höhe der deutschen Kfz-Steuer ja wohl kaum Angelegenheit Brüssels sei.

Dann melden die Länder Ansprüche an, an den Mauteinnahmen beteiligt zu werden. Es seien schließlich auch ihre Straßen, die mit einer Maut belegt werden sollen. Dann fällt einigen Ländern auf, dass der kleine Grenzverkehr massiv gestört werden könnte, wenn die Nachbarn wegen der Maut nicht mehr zum Einkaufen über die Grenze kommen würden. Protest gegen die Dobrindt-Maut kommt deshalb vor allem von den Freunden aus der Schwesterpartei CDU.

Hinzu kommt, dass ein solches Maut-Gesetz ziemlich sicher nicht ohne Zustimmung der Länder in Kraft treten könnte. Das wiederum bedeutet, auch mit den Grünen verhandeln zu müssen. Grundsätzlich haben die nichts gegen intelligente Maut-Systeme. Nur bei der Ausländer-Maut der CSU, da stellen sich denen die Nackenhaare auf.

Die Sozialdemokraten haben kaum einen Grund in den Streit einzugreifen. Selbst Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärt immer wieder gerne, er werde vertragsstreu bleiben, die Maut werde kommen. Er weiß, dass Vertragstreue reicht, um die Maut zu verhindern.

Dobrindts großer Maut-Plan wird inzwischen von fast jedem in der Luft zerpflückt, der kein CSU-Parteibuch hat. Anfang der Woche stellte sich heraus, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auch seine Leute am Maut-Rad drehen lässt.

Deren Idee: Das Grundgesetz soll geändert werden, um die Zuständigkeit für Autobahnen und Bundestraßen allein in die Hände des Bundes legen zu können. Dann könnten diese Straßen privatisiert betrieben werden. Davon steht kein Wort im Koalitionsvertrag, weshalb das Konzept erst ab 2017 greifen soll. Mit Dobrindt hat Schäuble darüber bis dahin auch nicht gesprochen. Ein Affront.

Auch in Gabriels Wirtschaftsministerium wird über ein eigenes Maut-Konzept nachgedacht. Allerdings unter der allgemeinen Überschrift Investitionsschwäche. Zudem ist der SPD-Chef etwas spät dran. Er will erst noch Findungskommissionen einsetzen.

Von Beginn an eine Schnapsidee

Dobrindts Pläne sind schon zerrieben, bevor sie die Kabinettsreife erlangt haben. Bereits der angebliche Kompromiss, die Maut doch nur auf Autobahnen und Bundestraßen zu erheben, hat dem Konzept den Todesstoß versetzt.

Der Kompromiss macht eine pauschale Verrechnung mit der Kfz-Steuer für alle Inländer fast unmöglich. Es gibt genug Autofahrer im Inland, die weder auf Bundesstraßen noch auf Autobahnen angewiesen sind. Also auch keine Maut bezahlen müssten. Also auch keine Kfz-Steuerermäßigung bekommen dürften. Der Verwaltungsaufwand wäre einfach zu hoch.

Mit dem Europarecht wäre das noch weniger vereinbar. Eine Einzelfallverrechnung der Maut mit der Kfz-Steuer würde in Brüssel als vorsätzlicher Rechtsbruch aufgefasst werden.

Eine Maut unter den genannten Bedingungen ist ein nahezu unmögliches Projekt. Zumindest hatte bisher keiner der Beteiligten die nötige Phantasie für ein Konzept, das alle Bedingungen erfüllt.

Die SPD freut das. Sie ist eh gegen die Ausländer-Maut. Die CDU fände ein Scheitern auch nicht so schlimm. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) selbst hatte noch vor der Wahl versprochen, mit ihr werde es keine Maut geben. Beide Parteien warten nur darauf, dass die CSU ihre Niederlage akzeptiert.

Eine Maut nur für Ausländer war von Beginn an eine Schnapsidee. Dobrindt ist damit reingefallen. Mitleid aber wäre fehl am Platz. Er gehört zu denen, die diese Maut am lautesten verteidigt haben - immerzu.

Die einzige Chance auf eine gesichtswahrende Einigung zwischen CSU, CDU und SPD liegt darin, eine der Bedingungen im Koalitionsvertrag aufzugeben. Nämlich die, dass Inländer nicht zusätzlich belastet werden dürfen. Das wäre dann eine Maut für alle und automatisch europarechtskonform. Sogar mancher Grüne wäre dafür zu gewinnen. Und in der Bevölkerung wird immer wieder eine hohe Bereitschaft gemessen, einen Obolus für bessere Straßen zu entrichten.

Dobrindt aber scheint sich auf sein Konzept versteift zu haben. "Dobrindt ist ein armer Hund", zitiert die FAZ aus CDU-Kreisen. Solche Hunde werden in der Politik meist irgendwann vom Hof gejagt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: