Dissident:Deutsch-Türke verhaftet

Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR wird ein weiterer deutscher Staatsbürger auf Ersuchen der türkischen Behörden im Ausland festgehalten.

Von Lena Kampf

Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR wird ein weiterer deutscher Staatsbürger auf Ersuchen der türkischen Behörden im Ausland festgehalten. Mit einer "Red Notice" ließ die Türkei den Kölner Kemal K. von Interpol suchen; er wurde bereits im Juli in der Ukraine verhaftet und sitzt seitdem dort fest. Er darf das Land nicht verlassen, bis über eine Auslieferung in die Türkei entschieden wird. Dies soll bis Ende November geschehen. K. ist sowohl türkischer als auch deutscher Staatsbürger, er floh 2007 nach Deutschland, erhielt politisches Asyl und wurde 2016 eingebürgert. In der Türkei war er in der kommunistischen Partei TKP/ML aktiv. Mehrmals bemühten sich die türkischen Behörden um seine Auslieferung, sie werfen ihm vor, in zwei Morde in der Türkei verstrickt zu sein. Auf ihn ist ein Kopfgeld von etwa 350 000 Euro ausgesetzt. Deutsche Gerichte hatten immer zu seinen Gunsten geurteilt: So saß er 2007 mehrere Monate in Baden-Württemberg in Haft, das Oberlandesgericht Karlsruhe stimmte seiner Auslieferung jedoch nicht zu, wegen erheblicher Zweifel am Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts. Zuletzt hatten deutsche Behörden im Juni 2017 seine Auslieferung abgelehnt. K. ist mit einer Ukrainerin verheiratet und war aus privaten Gründen in das Land gereist. Zuvor hatte die Generalstaatsanwaltschaft Köln ihn vor einer Auslandsreise gewarnt. Er müsse wegen des Interpoleintrags damit rechnen, festgenommen zu werden. Die "Red Notice" von Interpol gegen K. besteht seit 2002 und wurde im Juni 2017 von der Türkei erneuert. Obwohl ihm gerade wegen der offenbar politisch motivierten Verfolgung in der Türkei in Deutschland Asyl gewährt worden war, konnten die türkischen Behörden mit diesen Vorwürfen weiter über Interpol nach K. fahnden. Eigentlich darf Interpol, die als Informationsmittler zwischen ihren Mitgliedsstaaten Fahndungssausschreiben weltweit verbreitet, in Fällen politisch motivierter Verfolgung nicht tätig werden. Doch immer wieder versagen die Prüfmechanismen, sodass autoritäre Regime weltweit nach Dissidenten fahnden lassen können. So zuletzt im Fall des Schriftstellers Doğan Akhanlı: Der deutsch-türkische Autor war im August in Spanien festgenommen worden, weil die Türkei per Interpol nach ihm fahnden ließ - auch in diesem Fall mit politisch motivierten Vorwürfen. Erst in der vergangenen Woche entschied ein spanisches Gericht, ihn nicht in die Türkei auszuliefern.

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