Diskussion um Frankreichs Sparpolitik:Monsieur Valls bei Madame No

Frankreichs Wirtschaft steckt in der Krise, die Kritik am deutschen Sparkurs in Europa und Angela Merkel wird lauter. Der deutschen Kanzlerin gefällt das nicht. Den französischen Premier fertigt sie bei dessen Antrittsbesuch freundlich distanziert ab.

Von Lilith Volkert

Kommt ein schlampiges Kind zu seiner strengen Tante und bettelt um Aufschub bei den Hausaufgaben. So sieht das Bild aus, das viele vom Antrittsbesuch des französischen Premierministers Manuel Valls bei Bundeskanzlerin Angela Merkel zeichneten. Weil das auch der Premier weiß, stellt er auf der gemeinsamen Pressekonferenz klar: Er sei nicht nach Berlin gekommen, um Nachsicht zu erbitten. Und Frankreich sei nicht das kranke Kind Europas.

Doch Valls ist auch bewusst, dass viele Politiker in Berlin und Brüssel angesichts der katastrophalen wirtschaftlichen Lage seines Landes - hohe Staatsschulden, Rekordarbeitslosigkeit und gesunkene Wettbewerbsfähigkeit - zunehmend unruhig werden. "Die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU ist inzwischen zum größten Gefahrenherd für den Euro geworden", sagte der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach dem Tagesspiegel. Andere Unionspolitiker warfen Frankreichs Regierung Unverfrorenheit vor und erklärten den französischen Sozialstaat für gescheitert.

Angela Merkel, die wegen ihrer unnachgiebigen Haltung in Brüssel seit Jahren den Spitznamen "Madame No" trägt, übt sich am Montagmittag in freundlicher Distanz. Frankreich sei gerade in einer "spannenden Phase". Die Gespräche mit Valls nennt sie "interessant und aufschlussreich", das Reformprogramm "anspruchsvoll und ambitioniert". Sie wünscht "viel Erfolg bei der Umsetzung".

Bei allem Lob für das Bemühen, den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt möchte die Kanzlerin dann doch gerne eingehalten sehen. Das kann man als Kritik an Frankreich verstehen: Vor zwei Wochen musste Finanzminister Michel Sapin nicht nur die Wachstumsprognose für dieses Jahr auf magere 0,4 Prozent nach unten korrigieren. Er hat auch eingestanden, dass Frankreichs Neuverschuldung im kommenden Jahr wieder deutlich über der vereinbarten Drei-Prozent-Grenze liegen wird.

Frühestens in drei Jahren wird Frankreich seinen Haushalt wieder in den Griff bekommen. Dabei hatte die EU-Kommission dem Land schon unter dem konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy einen Aufschub beim Haushaltsdefizit eingeräumt - und dann noch einmal unter dem seit 2012 regierenden Sozialisten François Hollande. "Frankreich wird auf jeden Fall seiner Verantwortung gerecht werden", verspricht Valls in Berlin. Die Deutschen müssten mehr Vertrauen in Frankreich haben.

Balanceakt für Valls

Dabei ist unbestritten, dass die Sanierungspolitik der seit zweieinhalb Jahren regierenden Sozialistischen Partei nicht in Schwung kommt. Doch wie bekommt man den Niedergang der französischen Wirtschaft in den Griff? Ohne Druck aus der EU wird Frankreich keine konsequenten Strukturreformen durchsetzen, glaubt man vor allem in der Union.

"Hochgefährlich" findet es hingegen Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, auf einer strikten Sparpolitik zu beharren, da das den französischen Rechtsextremen in die Hände spiele. "Dort droht bei der nächsten Präsidentschaftswahl Marine Le Pen an die Macht zu kommen", sagte er im ARD-Morgenmagazin. Zudem dürfe der französischen Wirtschaft nicht durch zu strenge Sparauflagen die Luft abgeschnürt werden.

"Es ist Zeit, dass die deutschen Konservativen das verstehen"

Für Valls ist der Besuch in Berlin auch ein Balanceakt. Der wirtschaftsliberale Politiker steht für den vergleichsweise radikalen Reformkurs von Präsident Hollande, der Anfang des Jahres eine deutliche Kehrtwende hin zu einer unternehmerfreundlicheren Politik gemacht hat. Ende August löste Valls die Regierung auf, um den Deutschland-kritischen Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg gegen den Ex-Banker Emmanuel Macron auszutauschen. Beim linken Flügel des "Parti socialiste" hat sich Valls damit noch unbeliebter gemacht. Gerade erst hat er eine Vertrauensfrage im Parlament überstanden, es war die zweite innerhalb eines halben Jahres.

Auf der anderen Seite hat sich Valls erst vergangene Woche öffentlich eine Einmischung Deutschlands in die französische Haushaltspolitik verbeten - und Berlin aufgefordert, mehr zum Wachstum in der Euro-Zone beizutragen. Bei einem Sozialistentreffen Ende August stichelte er auch gegen Angela Merkel und sprach sich für ein Ende der Sparpolitik in Europa aus: "Auch Deutschland braucht einen Wirtschaftsaufschwung. Es ist Zeit, dass die deutschen Konservativen diese Botschaft verstehen."

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