Diskussion um den Brexit:Bleib doch noch

Angela Merkel versucht, Großbritannien unter dem frisch wiedergewählten Premier David Cameron in der EU zu halten. "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg", sagt die Kanzlerin.

Von Nico Fried

Der britische Premierminister David Cameron hält eine Änderung der europäischen Verträge für unausweichlich. Nur so könnten Reformen umgesetzt werden, die seiner Ansicht nach für einen Verbleib Großbritanniens in der Gemeinschaft notwendig sind, sagte Cameron am Freitag nach einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Kanzlerin schloss Vertragsänderungen zwar nicht aus. Merkel betonte jedoch, dass zunächst über die Inhalte der Reformen gesprochen werden müsse und erst danach über die Art ihrer formalen Umsetzung.

Vertragsänderungen gelten als schwer durchsetzbar, weil dafür die Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten erforderlich ist. In einigen Ländern reicht dafür nicht die Zustimmung des Parlaments. Vielmehr sind Volksabstimmungen vorgeschrieben. Zuletzt war der Entwurf einer gemeinsamen europäischen Verfassung an Referenden in mehreren Staaten gescheitert. Wegen der Euro-Krise dürfte die Stimmungslage gegenüber der Union in manchen Staaten nicht besonders positiv sein. Bereits einer der 28 Mitgliedstaaten, der eine Änderung der Verträge ablehnt, kann ein solches Projekt zu Fall bringen. Gleichwohl ist auch Merkel offenkundig bereit, Cameron in einzelnen Bereichen entgegenzukommen. Sie äußerte die "klare Hoffnung", dass Großbritannien Mitglied der EU bleibt. "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg", sagte Merkel, das habe die Europäische Union auch in der Vergangenheit schon häufig bewiesen.

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Zu Großbritanniens EU-Reformplänen sagt Merkel: "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg." Oder auch ein roter Teppich.

(Foto: Odd Andersen/AFP)

Cameron hat mittlerweile in Großbritannien eine Volksabstimmung über den Verbleib des Königreichs in der EU auf den Weg gebracht. Sie soll bis Ende 2017 abgehalten werden. In Berlin sagte er, die EU stehe mit Großbritannien am besten da - und für das britische Interesse sei eine reformierte EU wünschenswert. Für die Reform der EU gebe es jedoch keinen Zauberstab. Er wisse, dass dieser Prozess schwierig und dass es Meinungsverschiedenheiten geben werde. Er rechne dennoch mit einer Verständigung. Über den Fall eines Scheiterns wollte Cameron nicht spekulieren. "Ich gehe nicht in Verhandlungen, um zu scheitern."

Beim Thema Zuwanderung in die Sozialkassen deutet die Kanzlerin Kompromisse an

Auf Einzelheiten seiner Anliegen ging Cameron nicht ein. Bekannt ist, dass der Premier unter anderem die Zuwanderung begrenzen und den Zugang zu Sozialleistungen für Einwanderer aus der EU erschweren will. So soll ihnen nur eine bestimmte Frist eingeräumt werden, um Arbeit zu suchen. Anderenfalls sollen sie wieder des Landes verwiesen werden. Auch sollen Zuwanderer erst dann von Leistungen der Sozialkassen profitieren dürfen, wenn sie vorher mehrere Jahre eingezahlt haben. Merkel signalisierte hier vorsichtige Kompromissbereitschaft, indem sie darauf verwies, dass die Themen Zuwanderung, Arbeit und Sozialleistungen miteinander verbunden werden müssten.

Cameron will auch die nationalen Parlamente stärken, sodass sie Gesetzesvorhaben aus Brüssel blockieren können. Besonders wichtig erscheinen ihm zudem Regelungen für das Verhältnis zwischen den Staaten, die der gemeinsamen Währungsunion angehören, und den Staaten, wie Großbritannien, die den Euro nicht eingeführt haben. "Europa muss ausreichend flexibel sein, wie ein Netzwerk, nicht wie ein Block", sagte Cameron. Seine Vorschläge will er auf dem Gipfel Ende Juni präsentieren.

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