Diskussion um Christian Klar:Ehemaliger RAF-Anwalt hält Fehlurteil für möglich

Heute entscheidet das Landgericht Karlsruhe über Hafterleichterungen für Christian Klar. Dessen Rolle beim Mord an Siegfried Buback wird weiterhin heftig diskutiert - der ehemalige RAF-Verteidiger Rupert von Plottnitz schließt Fehlurteile nicht aus.

Inmitten der neu aufgeflammten Diskussion um die Tatbeteiligung des RAF-Terroristen Christian Klar an der Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback vor 30 Jahren gibt das Landgericht Karlsruhe heute seine Entscheidung über mögliche Hafterleichterungen für Klar bekannt.

Klars Anwalt hatte Beschwerde eingelegt, weil die ursprünglich in Aussicht gestellten Lockerungen für den im badischen Bruchsal Inhaftierten vorerst gestoppt worden waren. Zuvor war Klars fundamentale Kapitalismuskritik in einem Grußwort an die Rosa-Luxemburg-Konferenz Anfang Januar in Berlin bekanntgeworden.

In die Diskussion hat sich auch der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) eingeschaltet. Im "heute-journal" forderte er die ehemaligen RAF-Terroristen und insbesondere Klar auf, ihr Schweigen zu beenden und über ihre Taten zu sprechen: "Jetzt sollten wir die Chance nutzen und von den früheren Terroristen einfordern, dass sie reden, dass sie das tun, was sie von der Vätergeneration gefordert haben. Sie haben die Kriegsgeneration immer dafür kritisiert, dass sie über ihre Taten schweigt. Jetzt sind sie selber dran. Sie haben die Taten weitgehend abgebüßt, sodass auch ein Klima dafür entsteht."

Besonders Klar, "der ja um Gnade bittet", müsse erklären, wie seine Tatbeteiligung wirklich war.

Der ehemalige RAF-Verteidiger Rupert von Plottnitz schließt Fehlurteile gegen ehemalige Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF) nicht aus. "Die Sitten waren ja damals rau", sagte der ehemalige hessische Justizminister am Morgen im Deutschlandfunk. Die Beschuldigten und Angeklagten hätten häufig von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Zugleich habe es ein "Bedürfnis nach harter Bestrafung" der RAF-Leute gegeben.

Merkel verlangt "restlose Aufklärung"

Ungeklärt ist, ob Christian Klar die tödlichen Schüsse auf Buback und seine beiden Begleiter vom Sozius eines Motorrads abgegeben hatte. Nach Darstellung des Spiegel soll entgegen bisheriger Annahmen der frühere RAF-Terrorist Stefan Wisniewski der Todesschütze gewesen sein. Die Süddeutsche Zeitung meldete dagegen, bei den Ermittlungen zum Fall Buback habe es keinerlei Spuren gegeben für eine Mittäterschaft Wisniewskis.

Dieser war wegen des Attentats auf Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer im Herbst 1977 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Seit 1999 ist er auf freiem Fuß. Bisher galt als gesichert, dass Klar und die inzwischen freigelassenen Ex-RAF-Mitglieder Günter Sonnenberg und Knut Folkerts das Buback-Attentat direkt verübten.

Dem Grünen-Politiker Wolfgang Wieland zufolge machen die neuen Hinweise zum Mordanschlag jedoch juristisch keinen Unterschied für den wegen Mittäterschaft verurteilten Christian Klar. Zwar spiele es für die Hinterbliebenen eine Rolle, den genauen Ablauf auch mit Namen zu erfahren. Juristisch sehe das aber anders aus, sagte Wieland dem RBB-Inforadio. "Juristisch macht es keinen Unterschied, ... wenn er (Klar) - und davon ist auszugehen - eingeweiht war in das, was dort geschah, und wenn er einen Beitrag in voller Kenntnis und vollem Wissen leistete", sagte Wieland. In diesem Fall sei es "gleichgültig, ob er nun geschossen hat oder ob er das Motorrad steuerte oder ob er den (Flucht-)Wagen steuerte."

Bereits am Montag ordnete Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) eine Untersuchung an, ob Bundespolizei und Verfassungsschutz der Justiz jahrzehntelang geheime Aussagen von Ex-Terroristen vorenthielten, die zu einer Neubewertung der Bluttat führen könnten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangte "restlose Aufklärung" der Geschichte der RAF und deren Morde.

Der frühere RAF-Terrorist Peter-Jürgen Boock belastete Wisniewski am Montagabend erneut. Wisniewski habe damals zwei militärische Ausbildungen im Jemen absolviert und habe deshalb - im Gegensatz zu Klar - mit Maschinengewehren und Schnellfeuerwaffen umgehen können. Zudem habe Klar "der Gruppe" damals noch gar nicht angehört.

Auch der ehemalige RAF-Terrorist Knut Folkerts war nach Darstellung Boocks nicht an dem Attentat beteiligt. Seines Wissens sei Folkerts damals in Holland gewesen, "er hatte damit überhaupt nichts zu tun", sagte Boock in der ARD. Folkerts wurde wegen des Buback-Attentats verurteilt, 1995 aber frühzeitig aus der Haft entlassen. Auf die Frage, warum Boock sich jetzt zu den Vorgängen äußert, sagte er, "weil ich finde, dass jemand nur für das bestraft werden kann, was er wirklich getan hat". 30 Jahre nach der Tat hätten die Opfer das Recht zu erfahren, "was wirklich passiert ist".

Boock wurde Mitte der 80er Jahre wegen Beteiligung an RAF-Attentaten zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Seit seiner Entlassung 1998 verfasst er Bücher über seine Zeit bei der RAF.

Christian Klar hingegen könnte - falls er nicht zuvor von Bundespräsident Horst Köhler begnadigt wird - frühestens Anfang 2009 nach 26 Jahren Haft freikommen. Er war wegen seiner Beteiligung an dem Buback-Mord zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

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