Diskussion um Atommacht Iran:Teherans verständlicher Wunsch nach der Bombe

Die Iraner fühlten sich eingekreist von Atommächten, zu oft seien sie in der Vergangenheit angegriffen und gedemütigt worden. Deshalb könne man ihnen den Wunsch nach der Bombe nicht verdenken. Zu diesem Ergebnis kommen Experten bei einer Diskussionsrunde der Körber-Stiftung.

Ronen Steinke

Nur mal so zum Vergleich, sagt Christoph Bertram, als die Diskussion gerade begonnen hat sich aufzuheizen: Wie viele atomare Sprengköpfe besitze denn Israel? "Etwa 250", antwortet er selbst. Wie viele atomare Sprengköpfe gebe es in den amerikanischen Atom-U-Booten im Persischen Golf, jederzeit bereit, Iran ins Visier zu nehmen? "Wahrscheinlich etwa 1500." Und wie viele solcher Sprengköpfe besitze bislang Iran? "Null." Allein daran, sagt Bertram, der ehemalige Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, könne man sehen, wie es um das Kräfteverhältnis im Nahen Osten bestellt sei.

A man holds a sign that reads 'Yes to Iran's  nuclear development' during a visit by Iran's President Mahmoud Ahmadinejad in La Paz

"Ja zu Irans nuklearer Entwicklung" - ein Demonstrant in La Paz, Bolivien, unterstützt Teherans Wunsch nach selbstbestimmter Nutzung der Kernenergie.

(Foto: REUTERS)

"Poor old Israel", so sagt er, sei keineswegs in so großer Bedrängnis wie landläufig behauptet - und alle Kriegsdrohungen des Westens deshalb verfehlt. Man darf das hierzulande als die populärere Position bezeichnen. Bertram trug sie am Montagabend in der "Körber-Debatte" vor, dem von der Körber-Stiftung und der Süddeutschen Zeitung veranstalteten Rededuell in der Hamburger Kehrwiederspitze. Und er hatte das Publikum klar auf seiner Seite.

Wunsch nach Sicherheit

Der amerikanische Wissenschaftler Matthew Kroenig, Mitglied der Denkfabrik Council on Foreign Relations, hielt zwar dagegen: Schon eine einzige Bombe in iranischen Händen würde genügen, um die Dynamik in der Region zu verändern. Saudi-Arabien, Ägypten und die Türkei würden zu einem Wettrüsten angestachelt. Jede der zahlreichen Krisen in der Region könne zu einer atomaren werden. "Das ist eine Dynamik, die wir stoppen müssen - notfalls auch durch Konfrontation."

Zu einem Moment von ungewöhnlicher Klarheit führte dann aber ausgerechnet ein Punkt, in dem sich Bertram und Kroenig sogar einig waren: Die Iraner hätten Angst. Sie fühlten sich eingekreist von Atommächten - Europa, Russland, Pakistan und Indien -, und sie seien in der Vergangenheit schon zu oft angegriffen und gedemütigt worden, als dass man ihnen das verdenken könne. Der iranische Wunsch nach der Bombe sei der iranische Wunsch nach Sicherheit, sagte Bertram. Und sein Gegenüber pflichtete bei.

"Die Frage ist nur", fügte Kroenig an, "wessen Sicherheit uns wichtiger ist. Deren Sicherheit - oder unsere und die unserer Verbündeten. Beide Ziele stehen sich leider entgegen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: