Diskriminierung:Kopftuchverbot zu pauschal

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Berlin muss eine muslimische Lehrerin entschädigen. Sie wurde wegen ihres Kopftuchs nicht eingestellt.

Von Jens Schneider, Berlin

Das Land Berlin muss einer Muslima eine Entschädigung zahlen, da ihr wegen ihres Kopftuchs die Anstellung als Grundschullehrerin verweigert worden war. Sie sei dadurch benachteiligt worden, entschied das Landesarbeitsgericht am Donnerstag in einer Berufungsverhandlung. Damit könnte die bisherige Einstellungspraxis in Berlin nach dem sogenannten Neutralitätsgesetz infrage gestellt sein. Dieses Gesetz verbietet Lehrkräften an allgemeinbildenden Schulen in Berlin das Tragen religiöser oder weltanschaulicher Symbole.

Die gebürtige Berlinerin hatte sich auf Einladung der Schulverwaltung bei einem sogenannten Casting für Grundschullehrer beworben und sich Schulleitern vorgestellt. Nachdem sie dort gesagt hatte, dass sie im Unterricht ein Kopftuch tragen wolle, wurde ihre Bewerbung abgelehnt. Dagegen klagte sie unter Verweis auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, wonach ein pauschales Kopftuchverbot unzulässig ist. Nach diesen Urteilen ist ein solches Verbot wegen der erheblichen Bedeutung der Glaubensfreiheit nur zulässig, wenn eine "konkrete Gefährdung", etwa des Schulfriedens, drohe.

Eine "konkrete Gefährdung" des Schulfriedens wurde vom Land nicht vorgebracht

Die Klage der Frau war in erster Instanz zurückgewiesen worden. Das Arbeitsgericht entschied nun im Berufungsverfahren im Sinne der Klägerin, weil eine "konkrete Gefährdung" des Schulfriedens vom Land Berlin nicht geprüft und auch nicht geltend gemacht wurde. Die Anstellung als Grundschullehrerin wurde ihr pauschal verwehrt, wie es bisher in Berlin der generellen Praxis entspricht. Darin sieht das Gericht einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Ihr wurde eine Entschädigung in Höhe von zwei Monatsgehältern zugesprochen, 8680 Euro.

Das Land hatte im Prozess darauf verwiesen, dass das Neutralitätsgesetz gleichermaßen für alle Religionen gilt. Zudem bot es der Lehrerin einen Arbeitsvertrag an, mit dem sie etwa an einer Berufsschule hätte unterrichten können, nicht jedoch, wie von ihr gewünscht, an einer Grundschule. Ein Vertreter der Schulverwaltung bot im Prozess zudem an, dass auch akzeptiert würde, wenn die Lehrerin eine Perücke statt des Kopftuchs tragen wollte. Sie lehnte dies ebenso ab wie einen Vergleich. Das Land kann gegen das Urteil in Revision gehen.

© SZ vom 10.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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