Direkte Demokratie:Drei von vier Bürgern wollen mehr Mitsprache

Volksbegehren zu G8 und G9

Die Wähler wollen öfter gefragt werden, und nicht nur alle paar Jahre.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Deutschen wollen wichtige Entscheidungen in ihrer Kommune nicht mehr nur ihren gewählten Vertretern überlassen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie. Nicht alle Entscheidungsträger halten das für eine gute Idee.

Von Jan Bielicki

Die Deutschen wollen wichtige Entscheidungen in ihrer Kommune nicht mehr nur ihren gewählten Vertretern im Rathaus überlassen. Drei von vier Bürgern wünschen sich einer neuen Studie zufolge, mitreden zu können, bevor ihr Gemeinderat wichtige Entscheidungen trifft. Und mehr als zwei von drei Befragten würden sogar gerne direkt - etwa per Bürgerentscheid - über wichtige Fragen in ihrer Gemeinde mitentscheiden wollen.

Das halten freilich in den Rathäusern nicht alle Entscheidungsträger für eine gute Idee: Nur etwa die Hälfte der von Forschern der Bertelsmann-Stiftung befragten Bürgermeister, noch etwas weniger der Stadt- und Gemeinderäte und nur gut jeder dritte kommunale Spitzenbeamte würde den Bürgern gerne das entscheidende Wort in wichtigen Fragen der Kommunalpolitik einräumen.

Demokratie braucht mehr direkte Beteiligung

"Wo früher Wahlen als das Hochamt der Demokratie standen, stellt der Bürger heute andere Formen der Beteiligung ganz selbstverständlich auf eine Stufe damit", sagt Studienleiter Robert Vehrkamp. Die Zahlen zeigten deutlich, dass eine repräsentative Demokratie, in der Parlamente den Bürgerwillen vertreten, ohne Elemente direkter Beteiligung der Wähler an der Entscheidungsfindung "nicht mehr funktioniert."

Tatsächlich belegt die Studie, die das grün geführte Staatsministerium Baden-Württembergs und die Bertelsmann-Stiftung an diesem Freitag veröffentlichen und die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, den bundesweiten Wunsch der Bürger nach mehr Mitsprache - egal, ob diese nun auf dem Land oder in der Großstadt, im Norden oder im Süden, im Westen oder im Osten leben.

In 27 Kommunen, vom Hamburger Bezirk Altona bis zum oberbayerischen Passionsspiel-Dorf Oberammergau, haben die Forscher Bürgermeister und Oberbürgermeister, alle Stadt- und Gemeinderäte sowie jeweils drei kommunale Spitzenbeamte befragt - und dazu je 100 Bürger.

Bürgernähe definieren Wähler und Amtsträger unterschiedilch

Und die äußerten ein Verständnis von Demokratie, das sich von dem der Entscheidungsträger in den Rathäusern bisweilen deutlich unterschied. So meint die große Mehrheit der Bürgermeister, aber auch der Gemeinderäte und Verwaltungschefs, dass gewählte Volksvertreter bei ihren Entscheidungen ihrem Gewissen folgen - und zwar ungeachtet der Richtung, in die die öffentliche Mehrheitsmeinung gerade weht.

Doch nur 43 Prozent der befragten Bürger wollen dieses Herrschaftsverständnis nachvollziehen. Die politischen Eliten würden "in ihrer Bereitschaft zu mehr direkter Demokratie noch etwas zögern", bemängeln die Forscher.

Allerdings sehen sie "keine unüberbrückbaren Konflikte" zwischen den Gewählten und deren Wählern. Eine große Mehrheit aller befragten Gruppen bekannte sich zu allen Formen demokratischer Entscheidungsformen, also zu Wahlen und der Arbeit der Gemeinderäte und Beiräte ebenso wie zu Bürgerentscheiden, Bürgerforen oder dem Engagement von Bürgerinitiativen.

Je mehr Mitsprache es gibt, desto zufriedener sind die Bürger

Und sowohl innerhalb wie auch außerhalb der Rathäuser hält man den Nutzen von Verfahren, bei denen die Bürger mitreden oder sogar mitentscheiden können, für außerordentlich hoch. Vor allem steigt den Antworten der Befragten zufolge die Zufriedenheit der Bürger mit der Arbeit ihrer Politiker, wenn sie selbst vor Entscheidungen gefragt und gehört wurden - oder sogar abstimmen durften.

"Mehr direkte Beteiligung der Bürger stärkt also die Parlamente", folgert Studienleiter Vehrkamp, und das sei nötiger denn je: In Sachsen rafften sich am vergangenen Sonntag weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten dazu auf, ihren Landtag zu wählen.

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