Diplomatischer Konflikt am Golf:Sorge um die katarischen Brüder

Diplomatischer Konflikt am Golf: Ägyptens Präsident al-Sisi und der saudische König Salman führten im Mai das US-Präsidentenpaar durch das neue Zentrum gegen Terror in Riad.

Ägyptens Präsident al-Sisi und der saudische König Salman führten im Mai das US-Präsidentenpaar durch das neue Zentrum gegen Terror in Riad.

(Foto: AP)

In dem Zerwürfnis mit seinem kleinen Nachbarn zeigt sich Saudi-Arabien zwar versöhnlich, stellt aber auch kaum annehmbare Bedingungen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Für Saudi-Arabiens Herrscherhaus war es der Höhepunkt des Riad-Besuchs des US-Präsidenten: König Salman präsidierte neben Donald Trump über ein Gipfeltreffen mit 54 arabischen und islamischen Staaten. So demonstrierte das Haus Saud zum einen seinen Führungsanspruch in der sunnitisch-muslimischen Welt - nicht eingeladen waren lediglich Syrien und Iran, und nur Sudans Präsident und Marokkos König blieben fern. Zum anderen verpflichteten sie diese Staaten und die USA auf einen gemeinsamen Kampf gegen Extremismus und Terrorismus - schon ein diplomatischer Coup, nachdem sich Trump im Wahlkampf noch notorisch feindlich gegenüber dem Islam als Ganzem geäußert und für einen "Muslim-Bann" geworben hatte.

Das Ganze fand Ausdruck in der Gründung eines globalen Zentrums, das extremistische Ideologien bekämpfen und Finanzströme an Terroristen kappen soll. Um die Welt ging das Bild von der Eröffnung, bei der Salman und Trump zusammen mit Ägyptens Präsident Abdelfattah al-Sisi ihre Hände auf einen leuchtenden Globus legten. Diese Szene hat einiges damit zu tun, warum zwei Wochen später Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain jäh ihre diplomatischen Beziehungen zum Nachbarn Katar abbrachen und damit die tiefen Risse sichtbar machten, die den sechs Staaten umfassenden Golfkooperationsrat spalten.

Gefragt nach dem Zeitpunkt und der Heftigkeit des Vorgehens gegen Katar sagte Saudi-Arabiens Informationsminister Awwad al-Awwad der Süddeutschen Zeitung: "Keine 48 Stunden, nachdem mehr als 50 Staaten eine Erklärung mit dem US-Präsidenten in Riad unterzeichnet hatten, gemeinsam Terrorismus und Extremismus zu bekämpfen und Geldflüsse an solche Organisationen abzuschneiden, hat sich Katar entschieden, diese Einigung zu unterlaufen." Das Emirat habe Kontakt zur palästinensischen Hamas aufgenommen, die sowohl in den USA als auch (noch) in der EU als Terror-Organisation gelistet ist und neben Katar auch von Iran unterstützt wird; zur libanesischen Schiiten-Miliz Hisbollah, die Iran direkt kontrolliert; zu den schiitischen Huthi-Milizen in Jemen, ebenfalls von den Iranern unterstützt, und zur Muslimbruderschaft, die Ägypten und den Emiraten als größter Feind gilt.

Überdies habe Katars Außenminister Mohammed bin Abdulrahman al-Thani "ein geheimes Treffen mit Qassim Soleimani abgehalten, einem der meistgesuchten Terroristen der Welt". Der iranische General ist Chef der Quds-Brigaden, jener Spezialeinheit der Revolutionsgarden, die für Auslandseinsätze zuständig ist. Derzeit spielt sie vor allem in Syrien und im Irak eine große Rolle, in der Vergangenheit war sie aber auch an Anschlägen auf Diplomaten und anderen Terror-Aktionen auf verschiedenen Kontinenten beteiligt. Katar bestreitet vehement, dass es dieses Treffen in Bagdad gegeben hat. Wurde es bisher nur in saudischen Medien kolportiert, so in der Zeitung Okaz, macht sich nun erstmals ein Regierungsmitglied in Riad diesen schwerwiegenden Vorwurf zu eigen.

Saudi-Arabien schließt ein militärisches Vorgehen gegen Katar aus

"Über Jahrzehnte hat Iran Terrorismus im Nahen Osten unterstützt und ist die primäre destabilisierende Kraft in Jemen, im Irak, in Syrien und in unserer eigenen Nachbarschaft am Golf", sagte al-Awwad weiter, der von Oktober 2015 bis April 2017 Riads Botschafter in Berlin war. "Das hat uns gezwungen, schnell und entschieden zu handeln." Zugleich schloss er ein militärisches Vorgehen gegen das kleine Nachbarland aus, ebenso einen Ausschluss aus dem Golfkooperationsrat. "Wir haben keinerlei Absichten, Katar in irgendeiner Weise zu verletzen", sagte er. Die Sicherheit "unserer katarischen Brüder" sei für Saudi-Arabien sehr wichtig. Auch brauche man Katar im Golfkooperationsrat. Und es gebe Wege, diesen Konflikt "augenblicklich" zu lösen, wenn Katar den "Sorgen friedlicher Nationen Gehör schenkt und entsprechend handelt", sagte er weiter.

Die Katarer halten dem entgegen, dass ihnen bislang kein konkreter Katalog von Forderungen übergeben worden sei - ein Schritt, den Saudi-Arabiens Außenminister Adel al-Jubeir am Freitag in London für die "nächsten Tage" angekündigt hatte. Er wollte allerdings nicht von Forderungen reden, sondern von einer "Liste von Beschwerden", auf die Katar eingehen müsse. Die Vermittlungsversuche des Emirs von Kuwait und jetzt auch von US-Außenminister Rex Tillerson und Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron dürften dadurch nicht einfacher werden.

Saudi-Arabien und die Emirate haben eine Liste mit 59 Namen und zwölf Organisationen vorgelegt, die sie als Terroristen betrachten. "Wir haben kein Problem damit, wenn Katar den FC Barcelona finanziert, aber wir haben ein Problem damit, wenn sie Terrorismus finanzieren", sagt al-Awwad. Auf der Liste findet sich etwa der Salafisten-Scheich Hajjaj al-Ajmi, ein Kuwaiter, der sich zeitweise in Doha aufhalten soll; er gilt in den USA und der EU als Unterstützer der mit al-Qaida verbundenen Nusra-Front in Syrien. Ebenso gelistet sind aber staatsnahe Stiftungen und Wohltätigkeitsorganisationen sowie Ex-Innenminister Abdullah bin Khalid al-Thani, ein Mitglied der Königsfamilie - kaum vorstellbar, dass Doha in diesen Fällen nachgibt.

Andere Namen werfen die Frage nach politischen Motiven auf, so der von Yussuf el-Qaradawi. Der Ägypter gilt als spiritus rector der Muslimbruderschaft - was aber 2015 den saudischen Botschafter in Doha, Abdallah al-Ayfan, nicht davon abhielt, sich anlässlich des saudischen Nationalfeiertags mit dem umstrittenen Prediger in der saudischen Botschaft fotografieren zu lassen. In Kairo, wo die Muslimbrüder als Terrororganisation gelten, löste das damals Empörung aus. Ägypten und die Emirate bekämpfen in Libyen islamistische Gruppen, die von Katar und der Türkei unterstützt werden. Und Riad und Abu Dhabi hatten das ägyptische Militär unterstützt, als es 2013 die Macht übernahm und Mohammed Mursi als Präsident absetzte.

Auch ließ Abu Dhabis Botschafter in Washington, Yousef al-Otaiba erkennen, dass seine Regierung es gerne sehen würde, dass die Amerikaner ihren wichtigsten Stützpunkt in der Region vom Militärflughafen al-Udeid bei Doha mit 10 000 dort stationierten Soldaten in die Emirate verlegen. Katar hat diesen Stützpunkt immer als Lebensversicherung gegen Begehrlichkeiten seiner großen Nachbarn Iran und Saudi-Arabien gesehen.

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