Diplomatie:Martin Schulz hat mit seiner Kritik an Erdoğan den richtigen Ton getroffen

Der Präsident des Europaparlaments verteidigt die europäischen Werte, spricht aber auch eine unbequeme Wahrheit aus.

Kommentar von Alexander Mühlauer

Diplomatie ist eine Kunst, besonders wenn es darum geht, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Nicht jeder Politiker beherrscht diese Sprache, muss er auch nicht. Dafür gibt es Diplomaten.

Doch seit die Europäische Union den Flüchtlingspakt mit der Türkei geschlossen hat, heißt es in Brüssel auffallend oft, das könne man so nicht sagen, das müsse man, nun ja, diplomatischer formulieren, schließlich wolle man den neuen Partner in Ankara nicht verärgern.

Schulz: "Kooperieren mit Ländern, die nicht das Eldorado der Demokratie sind"

Mit kluger Politik hat diese Form der Zurückhaltung nichts zu tun. Wer so spricht, verharmlost und verdrängt. Ein erfolgreicher Diplomat versteckt sich auch nicht hinter seinen Sätzen, er verzichtet nicht auf Kritik. Er trägt sie nur so vor, dass er den Adressat nicht zu sehr vor den Kopf stößt. Doch neben Augenmaß und Verantwortungsgefühl braucht ein Politiker auch das, was ein Diplomat nicht unbedingt nötig hat: Leidenschaft.

In Brüssel gibt es mit Martin Schulz einen Präsidenten des Europäischen Parlaments, dem man diese Eigenschaft nicht absprechen kann. Mit Blick auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und dessen Reaktion auf eine Satire im deutschen Fernsehen hat Schulz den richtigen Ton getroffen.

Er verteidigt die europäischen Werte, gibt aber ganz undiplomatisch zu: "In der Flüchtlingspolitik kooperieren wir mit etlichen Ländern, die nicht das Eldorado der Demokratie sind." Das ist unbequem, aber wahr.

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