Diplomatie:Der Makler

Kim Jong Un und Moon Jae-in

Südkoreas Präsident Moon Jae In trägt sich in der Grenzstadt Panmunjom in das Gästebuch ein; Kim Jong Un schaut zu.

(Foto: dpa)

Für Südkoreas Präsident Moon Jae-in ist der Friedensschluss mit Nordkorea eine Lebensaufgabe. Sie hat auch mit der tragischen Geschichte seiner Familie zu tun.

Von Christoph Neidhart

Es war die Nacht auf Freitag, kurz nach 24 Uhr, da berief der südkoreanische Präsident Moon Jae-in seinen Sicherheitsrat zu einer Notsitzung ein. Er werde alles tun, um das geplante Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un zu retten, verkündete Moon. Zwei Stunden zuvor hatte die Nachricht eingeschlagen, Trump sage den Gipfel ab. Moon, der am Dienstag noch im Weißen Haus zu Gast war, wurde genauso überrumpelt wie der Rest der Welt.

Trump, so schien es, zertrampelte den Erfolg von vier Monaten Friedensdiplomatie. "Die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel und die Schaffung eines permanenten Friedens sind historische Aufgaben, die weder fallengelassen noch verschoben werden können", warnte Moon in jener Nachtsitzung. Dabei ahnte kaum jemand, dass er mit "alles tun" einen spontanen zweiten Gipfel mit Kim meinte. Kaum 36 Stunden später traf er sich im Waffenstillstandsdorf Panmunjom auf der nordkoreanischen Seite der Grenze mit Kim.

Moon, der sich schon im vergangenen Jahrzehnt als Stabschef von Präsident Roh Moo-hyun um die damals "Sonnenschein-Politik" genannte Aussöhnung mit Nordkorea bemühte und 2007 Rohs Gipfel mit Kims Vater mitorganisierte, sieht in einem stabilen Frieden für Korea seine wichtigste politische Aufgabe. Sie ist ihm auch ein persönliches Anliegen. Seine Eltern waren in der schlimmsten Phase des Koreakrieges im Dezember 1950 aus dem Norden geflohen und seine 90-jährige Mutter möchte ihre alte Heimat noch einmal sehen.

Gut zwei Drittel der Südkoreaner unterstützen die Entspannungspolitik

Als Kim Jong-un in seiner Neujahrsansprache Südkorea einen Olivenzweig zuwarf, nahm Moon ihn auf. Nordkoreas Diktator hatte schon im November das Ende seiner Atom- und Raketenentwicklung bekanntgegeben. Die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang boten Moon eine Gelegenheit, das isolierte Nordkorea einzubinden. Zur Eröffnungsfeier empfing er Kims Schwester Yo-jong und den 90-jährigen Kim Yong-nam, nominell das Staatsoberhaupt Nordkoreas. Es war eine Sensation. Die 30-Jährige betrat als erstes Mitglied des Kim-Clans südkoreanischen Boden. Sie brachte Moon eine Einladung Kims. Zur Schlussfeier empfing Moon dann Nordkoreas Geheimdienstchef, der für bewaffnete Zwischenfälle an der Grenze verantwortlich gemacht wird. Das trug Moon scharfe Angriffe der Konservativen ein, deren letzte zwei Präsidenten sich nie um den Ausgleich mit Nordkorea kümmerten.

Moon dagegen weiß mehr als 70 Prozent der Bevölkerung hinter sich und seiner Nordkorea-Politik. Auch das Bild, das die Südkoreaner von Kim haben, hat sich dramatisch verbessert. Mit den Olympischen Spielen, die Moon "Friedensspiele" nennt, haben sich die Beziehungen rasant gebessert. Doch Moon war klar, er musste die Amerikaner mit Kim an den Verhandlungstisch bringen. Pjöngjang hatte Washington im vergangenen Jahr mit Raketentests provoziert. Obwohl Raketeningenieure überzeugt waren, Kim sei noch längst nicht in der Lage, mehrstufige Raketen militärisch einzusetzen, er werde es vielleicht nie sein, ging Trump auf die realitätsfernen Drohungen der nordkoreanischen Propaganda ein. Vor den UN drohte er Kim, dem "kleinen Raketenmann", mit der totalen Zerstörung. "Mein Atomknopf ist größer und funktioniert", prahlte der amerikanische Präsident.

Um Trump einzufangen, schlüpfte der frühere Menschenrechtsanwalt Moon in die Rolle eines Vermittlers und Regisseurs. Er schickte seinen Sicherheitsberater und den Geheimdienstchef zu Kim. Die beiden kehrten mit einer Einladung Kims an Trump zurück, die sie im Weißen Haus persönlich überbrachten. Moon hatten verstanden, Trumps grandiose Drohungen ließen sich ins Gegenteil verkehren, wenn damit sein Narzissmus befriedigt werden könnte. Obwohl in Nordkorea von den Sanktionen bisher nichts zu sehen ist, sagte Moon, das Tauwetter sei Ergebnis von Trumps Politik des maximalen Drucks. Moon unterstützte auch das Gerede, Trump verdiene den Friedensnobelpreis. Von ihm selber, der diesen Preis eher verdient, heißt es, er interessiere ihn nicht.

Kim scheint froh zu sein über Moons Führungsrolle

In der Nachtsitzung vom Freitag sah Moon plötzlich das ganze Gerüst dieses Friedensprozesses zusammenbrechen. Gewackelt hatte es schon kurz zuvor. Kim war Trump im Vorfeld des geplanten Gipfels mit symbolischen Gesten entgegengekommen. In Washington dagegen redeten einige Trump-Leute, als gehe es um die Kapitulation Nordkoreas. Sie forderten gar eine "Libyen-Lösung", also das Ende des Regimes Kim. Damit provozierten sie Nordkoreas Machthaber, dessen Propaganda noch im Vorjahr die Atomwaffen mit dem Schicksal Libyens und Muammar al-Gaddafis rechtfertigte. Vize-Außenministerin Choe Son-hui beschimpfte Trumps Vizepräsident Mike Pence als "ignorant und politischen Dummkopf".

Trump drohte Kim in seinem Absagebrief mit einem Atomkrieg, viele Medien befürchteten bereits, die Lage können eskalieren, wie im vergangenen Sommer. Damals lieferten sich beide Seiten den heftigen verbalen Schlagabtausch. Südkoreas konservative Tageszeitungen warfen Moon vor, er habe sich übernommen - nun stehe er vor einem Scherbenhaufen. Choi Kang vom Asan-Institute in Seoul, einem auf Nordkorea spezialisierten Think-Tank, sagte Moon voraus, er könne seine Nordkoreapolitik nicht fortsetzen, da er damit eine Kluft in die Beziehungen zu Washington schlagen würde. Nur Moons außenpolitischer Berater Moon Chung-in gab sich optimistisch. "Trump wird den Dialog bald wieder aufnehmen", sagte er am Freitag.

In der Tat hatte Trump schon in seinem Absagebrief eine Hintertür offengelassen. Inzwischen twitterte er, der Gipfel finde vielleicht doch statt - wie geplant am 12. Juni; und vielleicht dauere er sogar länger als geplant und nicht nur einen Tag.

Trump wirkt in der Nordkorea-Frage unberechenbar, überfordert und launisch, das warf man früher Kims Vater vor. Kim selber scheint froh zu sein um Moons Führungsrolle. Zwei Tage nach Trumps Absagebrief und dem vorläufigen Scheitern des Gipfels scheint Moon den Friedensprozess sicherer zu steuern als zuvor.

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