Volkskongress:Trump ist für China ein unerwartetes Geschenk

Trump Karikatur in der Werbung

Trump ist überall: In der Millionenstadt Shenyang im Nordosten Chinas wirbt eine Immobilienfirma mit einer Karikatur des US-Präsidenten.

(Foto: action press)
  • Am Sonntag tritt der Volkskongress in Peking zusammen - das Scheinparlament Chinas. Die Deligierten sollen den Kurs des Präsidenten abnicken.
  • Die Führung in Peking glaubt offenbar, dass die Ära Trump der Volksrepublik neue Chancen eröffnen wird.
  • Doch auch die Unsicherheit über das bilaterale Verhältnis zu Washington ist enorm.

Von Christoph Giesen und Kai Strittmatter

In normalen Jahren ist es Chinas größte Politshow: Die Sitzung des Nationalen Volkskongresses, die am Sonntag in Peking beginnt. Ein Scheinparlament nur ist dieser Kongress, zunehmend aktiv zwar, aber ohne echte Macht - der Rechenschaftsbericht des Premiers und die Reden der Minister stoßen Beobachtern jedoch für kurze Zeit ein Fenster auf in die Schaltzentrale der Macht. Hier tut die KP ihre Pläne kund. Dieses Jahr allerdings ist kein normales Jahr. Im Herbst steht ein Parteitag der Kommunistischen Partei an, auf dem viele der Führungsposten neu verteilt werden. Und es ist das Jahr, in dem Donald Trump US-Präsident wurde.

Für Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping ist es das wichtigste Jahr seit seinem Amtsantritt 2012. Für China ist es ein Jahr voller Herausforderungen und Unsicherheit, aber nun auch ein Jahr voller Chancen: Chancen, die der neue US-Präsident dem Land völlig unerwartet geschenkt hat.

Der Volkskongress wird Xi Jinping als dem "Kern" der Führung huldigen. In der Agenda, die Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua vorab verschickte, ist das der Punkt Nummer eins. Für Xi ist 2017 das Jahr, in dem er seine Macht sichert und ausbaut. Gleichzeitig wird die Weltpolitik bei den Treffen der 3000 Delegierten so viel Raum einnehmen wie selten. Im Angesicht von "Protektionismus und Isolationismus", so Xinhua, werde die Volksrepublik "unerschütterlich die Globalisierung mit chinesischer Weisheit vorantreiben". Das eine die Reaktion auf Trump.

Der Aufstieg Chinas in der Welt ist Xi Jinping ein Herzensanliegen

Da passiert gerade etwas, und so ungelegen der KP-Führung die disruptive Kraft von Trumps Unberechenbarkeit kommt, ausgerechnet jetzt, da sie sich neu ordnet, so sehr wittert sie nun ihre Gelegenheit: Der Aufstieg Chinas in der Welt ist Xi Jinping Herzensanliegen. Anders als die zuletzt oft lediglich improvisierende US-Diplomatie, klagte der ehemalige US-Botschafter in Peking, Max Baucus in der Washington Post, habe China "eine langfristige strategische Vision", um seine Wirtschaftsmacht und seinen globalen Einfluss auszubauen. China will Räume besetzen, die auf einmal die USA lassen.

Peking lauert allerdings auch nervös auf jeden nächsten Schritt Trumps. Die Unsicherheit über das bilaterale Verhältnis zu Washington ist enorm. Zwar ist die ganz große Aggressivität geschwunden aus Trumps China-Attacken, seit dem "extrem herzlichen" Telefonat, wie das Weiße Haus formulierte, zwischen ihm und Xi Jinping im Februar, bei dem der US-Präsident Peking ein Festhalten an der "Ein-China-Politik" zusagte. Aber Misstrauen und Nervosität sind geblieben.

China arbeitet daran, die Armee moderner und schlagkräftiger zu machen

Trump hat Chinas territoriale Besitznahme im Südchinesischen Meer gegeißelt, er hat Aufrüstung angekündigt und will gleichzeitig der amerikanischen Diplomatie die Mittel zusammenstreichen. In Peking hört man die Signale, und so werden alle Augen auf den neuen Militärhaushalt gerichtet sein, der traditionell zu Beginn der Volkskongressberatungen verkündet wird. China arbeitet seit langer Zeit daran, die Armee moderner und schlagkräftiger zu machen, vor allem die Marine wird gestärkt.

Nach vielen Jahren zweistelliger Steigerungsraten war im vorigen Jahr der Anstieg mit 7,6 Prozent auf umgerechnet 139 Milliarden Dollar für die Beobachter erstaunlich gering ausgefallen. Jetzt, da Trump zehn Prozent mehr Geld ins US-Militär pumpen will, forderte in Peking die nationalistische Global Times, dass China nachziehen müsse. Ohnehin geben die USA noch immer mehr als viermal so viel aus für ihre Streitkräfte wie die Chinesen.

Eines ist klar: Noch braucht China die Vereinigten Staaten

Und dann waren da Trumps wütende Attacken auf den angeblichen Währungsmanipulator China. Und die angedrohten Strafzölle von 45 Prozent auf sämtliche chinesischen Produkte. Das wäre ein Schock. "Gäbe es einen Handelskrieg, wäre der Schaden sehr groß", sagt He Jun, der für die chinesische Beratungsfirma Anbound arbeitet. Richtig vorstellen kann und will er sich das aber nicht. "China würde definitiv Revanche nehmen für Strafzölle." Was das heißt, skizzierte jüngst die Global Times, ein KP-Blatt: "Eine Charge von Boeing-Aufträgen würde durch Airbus ersetzt werden.

Amerikanische Autos und iPhones hätten es schwer in China, die Importe von Sojabohnen und Mais würden gestoppt." Noch aber hofft Berater He, so wie viele andere in China auch, dass Trump bloß blufft. Auf jeden Fall haben sie in China nun begonnen, die Bücher von Peter Navarro zu lesen. Ein umstrittener, bislang eher unbedeutender Ökonom, der allerdings nun einer der wichtigsten Berater Trumps ist. Navarros Hauptwerk heißt "Death by China" und gibt China die Schuld an fast allem, was schiefläuft in Amerikas Industrie. Der Hass sitzt tief.

Eines ist klar: China braucht die USA noch immer, und es braucht die Globalisierung, um sein Wirtschaftswachstum - letztlich also die Stabilität zu Hause und seinen Aufstieg - zu sichern. Auch deshalb sprang Xi Jinping in die Bresche und präsentierte sich auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar mit einem Mal als neuer Bannerträger des Freihandels.

China weiß, dass es nicht die globale Rolle der USA übernehmen kann

Dabei ist China selbst mit seinen abgeschotteten Märkten alles andere als ein Musterknabe. Wie es auch im Feld des Klimaschutzes mindestens so sehr Sünder ist wie vermeintlich neuer Retter. Aber auf all diesen Feldern profitiert die chinesische Führung davon, dass Donald Trump die Arbeit für sie erledigt. Trump bereitet das Feld, die Chinesen müssen im Moment nur ernten. Wie er etwa im Telefonat mit dem australischen Premierminister Malcolm Turnbull rüde jahrzehntelange Verbündete verprellt, wie er dem transpazifischen Handelsabkommen TPP den Todesstoß versetzt - die Führung in Peking kann ihr Glück über solche weltpolitischen Dummheiten gar nicht fassen.

China weiß, dass es nicht die globale Rolle der USA übernehmen kann. Es war deshalb bisher sehr vorsichtig, duckte sich lieber weg, wenn es darum ging, internationale Führungsansprüche zu formulieren. Das ändert sich langsam. Am 17. Februar formulierte Xi zum ersten Mal eine Politik des "zweifachen Anführens". Peking, sagte er, solle "die internationale Gemeinschaft anführen beim gemeinsam Aufbau einer gerechteren und vernünftigeren neuen Weltordnung". Das sind neue Töne.

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