Digitalisierung:Nicht nur das Breitbandnetz ist zu schmal

Eine Studie befindet, dass Deutschland bei Infrastruktur und Dienstleistung viel aufzuholen hat.

Von Alexander Hagelüken

Ob Kommunikation, persönliche Finanzen, Partnersuche oder Anwendungen in Firmen: Digitale Dienstleistungen setzen sich in allen Bereichen des Lebens durch. Beim Handel mit diesen Dienstleistungen schneidet die Bundesrepublik allerdings schlecht ab. Unter 28 Industrienationen landet sie auf Rang 19. Die vorderen Plätze belegen Länder wie Irland, Ungarn, Kanada und die USA, geht aus einer Studie des European Centre of International Political Economy (ECIPE) hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Gemessen wird dabei nicht einfach der Handel mit Dienstleistungen, sondern wie gut ein Land sein Potenzial ausschöpft.

Digitale Dienstleistungen spielen im weltweiten Handel eine immer größere Rolle. So wuchs ihr Export in den vergangenen Jahren im Schnitt mit sechs Prozent pro Jahr, doppelt so stark wie der allgemeine Warenexport. Insgesamt machen Dienstleistungen bereits ein Viertel des internationalen Handels aus. Für die Bundesrepublik, die einen Großteil ihrer Wirtschaftsleistung mit Service-Leistungen erzielt, stellt sich die Frage, ob sie den Anschluss an die Entwicklung verliert. "Deshalb ist es entscheidend, dass wir den Strukturwandel nicht verschlafen und die Potenziale digitaler Dienstleistungen besser nutzen", sagt Christian Bluth von der Bertelsmann-Stiftung, die diese Studie in Auftrag gab.

Die Autoren machen mehrere Gründe für die schlechte Platzierung Deutschlands aus. Die erste Ursache sind Mängel in der Infrastruktur. So ist Deutschland beim Ausbau von Breitbandnetzen international zurückgefallen. Zwar erreicht das Land Spitzenwerte bei der Mobilfunkabdeckung. Starke Rückstände gibt es im internationalen Vergleich aber bei der Anzahl sicherer Internetserver und bei der Internetbandbreite. Was die Anzahl von Mobilfunknutzern und mobilen Breitbandnutzern pro hundert Einwohnern angeht, fällt Deutschland sogar hinter einige Schwellenländer zurück. Die Autoren machen dafür vor allem eine Art digitale Ungleichheit verantwortlich. Insbesondere ältere Bürger Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen oder Arbeitslose nutzten das Internet weniger als vergleichbare Gruppen in anderen Staaten.

Auch deutsche Firmen setzen neue Technologien demnach selten intensiv ein - im EU-Vergleich landet die Bundesrepublik nur auf Platz elf. Zwar seien die Unternehmen häufig innovativ und besäßen auch das nötige technische Verständnis. Sie nutzen aber beispielsweise nur selten Cloud-Dienste oder verkauften ihre Produkte über eine Website. Dass der Dienstleistungssektor beim Handel zurückfällt, betrifft auch die Industrie, die auf Dienstleistungen angewiesen ist, analysieren die Autoren der Studie. Sie fordern deshalb unter anderem den Ausbau von Breitbandnetzen und niedrigere Preise durch schärferen Wettbewerb. Außerdem bräuchten kleinere Firmen bessere Finanzierungsmöglichkeiten.

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