Dieter Althaus:Weiter, immer weiter

Thüringens zurückgetretener Ministerpräsident Dieter Althaus gibt eine Pressekonferenz, redet über Thüringer Politik und tut so, als sei dies das Normalste der Welt.

Christiane Kohl, Erfurt

Deutschlands starke Mitte, diese drei Worte sind auf der großen blauen Wand zu lesen, die im Pressesaal in der Thüringer Staatskanzlei steht. Der Mann, der sich nun davor auf das glänzende Rednerpult lehnt, vermittelt so gar nicht den Eindruck von Stärke.

Starr wirken seine Pupillen hinter den Brillengläsern, wohin sein Blick sich richtet, ist nicht zu erkennen; der Mund bewegt sich etwas schief, die Stimme klingt heiser. Indes bemüht sich Dieter Althaus in dem, was er sagt, peinlichst den Eindruck zu erwecken, als gebe er gerade eine ganz normale Kabinettspressekonferenz.

Da redet der "geschäftsführende" Ministerpräsident in Thüringen, der erst in der vergangenen Woche von seinem Amt zurückgetreten war, über den neuesten Arbeitsmarktbericht. Von der Vorbereitung der nächsten Bundesratssitzung ist die Rede und davon, dass man sich im Kabinett darüber unterhalten habe, wie die Sanierung eines ehemaligen Stasi-Gefängnisses abgewickelt werden sollte. Wichtig ist das, zweifelsohne. Aber gab es tatsächlich kein anderes Thema in der Kabinettssitzung? Althaus starrt ins Leere und verneint.

Die Kameras sind aufgebaut, der Saal ist voller Journalisten und sie stellen ihre Fragen. Was hält der geschäftsführende Ministerpräsident von dem Vorschlag, dass die Sozialministerin Christiane Lieberknecht seine Nachfolge antreten solle?

Althaus weiß nicht, warum man ausgerechnet von ihm eine Antwort darauf wissen will - "die Frage müssen Sie an die geschäftsführende stellvertretende Parteivorsitzende Birgit Diezel richten", sagt er kühl. Und erst auf mehrmaliges Nachfragen ringt er sich schließlich zu einem kommentierenden Satz über seine vermutliche Nachfolgerin Lieberknecht durch: "Dass der Vorschlag ein positives Echo findet, zeigt ja, dass der Vorschlag positiv aufgenommen wird", formuliert er umständlich. Und doch scheint es, als habe er in diesem Moment erstmals die Realität in den abgedunkelten Pressesaal an sich herangelassen.

Draußen hatten sich bereits seit dem frühen Morgen die Ereignisse überstürzt. Da hatte Sozialministerin Christine Lieberknecht von der CDU schon morgens kurz nach sechs Uhr erklärt, "die Ära Althaus" sei beendet. Wenig später wurde ihre Kollegin aus dem Finanzressort Birgit Diezel in die Staatskanzlei gerufen - und wie man von Eingeweihten hörte, rechnete sie mit dem Schlimmsten, einer möglichen Entlassung durch Dieter Althaus.

Gerüchte um Vogel

Denn Diezel war es gewesen, die dem Ringen um die Nachfolge des Ministerpräsidenten mit einem beherzten Schritt eine neue Wendung gegeben hatte. Am Montagabend kurz nach 22.00 Uhr hatte sie einem Journalisten der Nachrichtenagentur dpa erklärt, sie schlage Christine Lieberknecht als Kandidatin für das Amt der Ministerpräsidentin vor. Endlich war ein Vorschlag draußen, und diese Nachricht schlug ein.

Schon ein Abendessen der beiden Ministerinnen am Montagabend - man traf sich beim Chinesen - hatte erhebliches Getuschel in Parteikreisen ausgelöst. Denn kurz zuvor war Christine Lieberknecht vorzeitig von einer Gesundheitsministerkonferenz in Berlin abgereist, die sie selbst geleitet hatte. "Wegen einer Parteiveranstaltung in Thüringen", wie es hieß - und dann dieses Damenessen?

Im Laufe des Tages hatten dann Gerüchte die Runde gemacht, CDU-Fraktionschef Mike Mohring wolle den einstigen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel noch einmal in den Ring bitten und ihn als Interimsministerpräsidenten in Thüringen vorschlagen. Niemand weiß, ob dergleichen wirklich ernsthaft erwogen wurde.

"Ich würde es immer wieder so tun"

Denn tags darauf war alles Schnee von gestern, und entsprechend wurde auch alles dementiert. Da erklärte Bernhard Vogel, dass er sich keinesfalls noch einmal in Thüringen verpflichten lassen wolle - "Rat ja, Amt nein", sei seine Devise. Und auch Mohring wollte von dem Vorschlag nichts wissen - niemals sei dergleichen auch nur in der Diskussion gewesen, verkündete sein Sprecher Karl-Eckhard Hahn.

Mittlerweile war es Zeit, sich hinter Christine Lieberknecht zu stellen. Denn zwischenzeitlich hatte sich die Basis zu Wort gemeldet. Elf Landräte machten sich für die einstige Pastorin stark, überdies erklärten zehn Kreisvorsitzende sie für ihre Kandidatin. Und auch der Alt-Regierungschef Vogel war dafür. Im Gespräch mit der SZ erklärte er, es sei "das Beste für das Land", wenn Christine Lieberknecht die Ministerpräsidentin einer schwarz-roten Koalition werde. So war das Rennen draußen im Land gewissermaßen schon gegen Mittag gelaufen, als sich drinnen im Pressesaal merkwürdig anmutende Frage- und Antwortspiele zwischen dem noch geschäftsführenden Ministerpräsidenten und den Journalisten entspannen.

Ob Dieter Althaus nicht den Eindruck bestätigen könne, dass er seinen Rückzug vom Amt vergangenen Donnerstag vielleicht etwas überstürzt eingeleitet habe, als er nur eine Zeile an die Presse schrieb und kurz darauf in seine Heimatstadt Heiligenstadt entschwand. Dies zumal, da er noch tags zuvor erklärt hatte, die Frage eines Rücktritts stelle sich nicht. Nein, sagt Dieter Althaus, "ich würde es immer wieder so tun". Und auch krankheitsbedingte Gründe hätten bei seiner Entscheidung keinerlei Rolle gespielt: "Ich bin seit Monaten ohne jede ärztliche Begleitung", sagt der Mann, der zu Jahresbeginn ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: