Die USA und der Hass im Irak:Obamas neuer Krieg gegen den Terror

Barack Obama

US-Präsident Barack Obama will nicht wie sein Vorgänger George W. Bush sein, doch von dessen Krieg gegen den Terror kommt er nicht los.

(Foto: AP)

Es sollte ein zeitlich begrenztes Abenteuer im Irak werden, doch seit der Ermordung des Journalisten James Foley durch IS-Milizen sind alle Pläne der USA Makulatur. Barack Obama hat begonnen, sein Volk auf den nächsten Einsatz gegen den Terror vorzubereiten.

Von Nicolas Richter, Washington

Am 20. September 2001 trat US-Präsident George W. Bush vor den US-Kongress. Gut eine Woche nach den Anschlägen in New York und Washington erklärte er den Krieg, einen Krieg gegen den Terror. "Unser Krieg gegen den Terror beginnt mit al-Qaida, aber er endet nicht damit", sagte Bush. "Er endet erst, wenn jede globale Terrorgruppe gefunden, gestoppt und bezwungen wurde." Kann ein solcher Krieg je enden?

Bushs Nachfolger Barack Obama hat oft so getan, als sei es möglich. Er holte die Soldaten aus Afghanistan und dem Irak zurück. Er ließ Al-Qaida-Chef Osama bin Laden töten. Gegen Terrorverdächtige schickte er keine Armee los, sondern ferngesteuerte Drohnen. Obama erwähnte das Unbehagen über die schier grenzenlosen Vollmachten, die der Kongress dem Präsidenten Ende 2001 erteilt hatte. Jeder Krieg, mahnte Obama, müsse irgendwann enden, auch dieser. Das war vor einem Jahr.

IS ist zu reich und zu brutal, als dass die USA sie ignorieren könnten

In diesen Tagen nun ziehen die USA in ihren nächsten Krieg gegen den Terror. Er gilt diesmal nicht dem Terror an sich, sondern dem Terror einer Organisation, die sich Islamischer Staat (IS) nennt. Am Donnerstag hat die Spitze des US-Militärs IS als Gefahr von ungekanntem Ausmaß beschrieben. "Sie sind mehr als nur eine terroristische Vereinigung", sagte Verteidigungsminister Chuck Hagel.

"Sie verbinden Ideologie und ausgereiftes strategisches und taktisches militärisches Können, sie haben unheimlich viel Geld - dies ist jenseits von allem, was wir bisher gesehen haben." Sein Generalstabschef Martin Dempsey nannte die Ideen des IS "apokalyptisch" und "endzeitlich". Irgendwann, sagte der oberste Soldat, müsse man sie bezwingen.

Amerikas neuer Krieg gegen den Terror ist ein Krieg, der nicht erklärt wird. Präsident Obama hat den IS-Tyrannen nie damit gedroht, dass er sie finden und bezwingen werde. Stattdessen definiert er seine Ziele immer neu. Vor zwei Wochen sagte er, er wolle bloß ein paar US-Diplomaten und die verfolgten Jesiden im Nordirak schützen.

Dann half er, den IS vom Staudamm bei Mossul zu vertreiben. Seit dem Beginn der neuesten Intervention im Irak hat das US-Militär fast hundert Luftangriffe geflogen. Es überlässt das Kämpfen am Boden irakischen und kurdischen Kämpfern, aber es ist längst in diesen Krieg verstrickt.

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Verteidigungsminister Chuck Hagel (l.) und Generalstabschef Martin Dempsey haben keine Illusionen, dass der Kampf gegen die IS-Milizen härter wird.

(Foto: Saul Loeb/AFP)

Dieser Krieg ist anders als der, den Bush 2001 erklärte. Damals begann der Krieg gegen den Terror erst, heute sind die USA davon erschöpft. Damals hatte al-Qaida die Zentren amerikanischer Macht angegriffen, heute treibt der IS sein Unwesen in der Ferne. Damals hielten die USA die Macht ihres Militärs für unbeschränkt, heute wissen sie aus der Besatzungszeit im Irak, wie beschränkt ihre Möglichkeiten sind. Damals regierte Bush, heute regiert Obama, der nicht so sein will wie Bush.

"Mission creep" ist eine Schreckensvorstellung

Obama ist es lange gelungen, sich dem Chaos im Nahen Osten zu entziehen, dem Zerfall Syriens, dem drohenden Zerfall des Irak. Nun aber setzt sich in Washington die Erkenntnis durch, dass man dem Feind namens Islamischer Staat nicht ausweichen kann. Die Organisation ist erstens zu groß und zu reich, zu brutal und zu maßlos; sie ist nicht irgendeine Bürgerkriegspartei. Die IS-Truppe beansprucht - zweitens - das Staatsgebiet des Irak, das die USA unter enormen Opfern (nicht zuletzt der irakischen Bevölkerung) vom Terror Saddam Hussein befreit und neu geordnet haben.

Anders als Afghanistan 2001 besitzt der Irak heute eine Regierung, die man sich in Washington als Partnerin vorstellen kann, wenn auch nur im weitesten Sinne. Anders als 2003, als Bush gegen den Willen der UN den Irak erobern ließ, steht einem US-Einsatz das Völkerrecht diesmal nicht entgegen - Bagdad selbst bittet um Hilfe, und die mordende IS-Truppe hat kaum Fürsprecher. Jüngst haben die IS-Terroristen per Video gezeigt, wie sie einen Amerikaner köpften - es hat die USA daran erinnert, dass ferne Terroristen schnell die USA selbst treffen können.

Allerdings fragen sich die Amerikaner immer mehr: Wo führt das alles hin? Droht ein neuer, ewiger Krieg? Unübersehbare Kosten? Kommen bald wieder US-Soldaten in Särgen aus dem Irak zurück?

Obama hat bisher nicht geantwortet. Er sagt oft, was er nicht will, zum Beispiel will er "nicht die irakische Armee" sein, er will "nicht die irakische Luftwaffe" sein, er will "nicht Tausende US-Soldaten" in Kämpfe am Boden schicken. Aber was möchte Obama dann? Noch vor zwei Wochen ließ er für ein US-Konsulat in Erbil kämpfen. Jetzt ist schon die Rede von Angriffen im Nachbarstaat Syrien. "Kann man IS besiegen, ohne sich um ihren Teil in Syrien zu kümmern?", fragte Generalstabschef Dempsey am Donnerstag. "Die Antwortet lautet Nein."

Im Parlament fühlen sich vor allem die Demokraten angreifbar wegen der Wahl im November, falls Obama sich in einem neuen Abenteuer verliert. Vor einem Jahr war der Kongress überwältigend gegen jeden US-Angriff auf Syrien, und sei es nur mit ein paar Raketen. Mission creep, die "schleichende Ausweitung" von Militäreinsätzen, ist für viele Amerikaner eine Schreckensvorstellung.

Obama verspricht, er habe sich dagegen abgesichert. Für jede militärische Leistung fordert er etwas: von den Irakern die Versöhnung im Inneren und eine neue Regierung, von Verbündeten militärisches und diplomatisches Engagement. In Syrien aber ist das schwieriger als im Irak: Dort herrscht der Diktator Baschar al-Assad, dessen Rücktritt die USA verlangen. Und als Helfer bei Luftangriffen kämen allenfalls Franzosen und Briten infrage.

Viele Amerikaner fragen sich: Droht ein neuer, ewiger Krieg?

Irgendwann also muss Obama seinem Volk erklären, was er in der Region vorhat. Ob er den Islamischen Staat nur eindämmen oder besiegen möchte. Und inwiefern das US-Interessen dient. Und was das am Ende für Syrien bedeutet? Seine Regierung scheint das Volk allmählich auf das Schlimmste vorzubereiten. Auf die Frage, ob man im Pentagon über Luftschläge in Syrien nachdenke, sagte Minister Hagel, er schließe keine Möglichkeit aus. "Wir müssen uns auf alles gefasst machen."

Viele Amerikaner dürften sich jetzt fragen, ob man gerade in den nächsten Krieg gegen den Terror zieht, ohne die Lehren aus dem letzten begriffen zu haben. Wie, zum Beispiel, endet das alles? Bush sagte, wenn jede Gruppe besiegt sei. Aber wann ist eine Gruppe wie der Islamische Staat besiegt?

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