Die Subkultur der Neonazis (Teil 3):Wenn es in der Neonazi-Szene "haarig" wird ...

Langhaarige, die den Hitlergruß zeigen und "Sieg Heil" schreien? All das bietet die Black-Metal-Szene. Die christenfeindlichen Neonazis feierten kürzlich einen ihrer deutschlandweit größten Gigs. Mit dabei: ein gerade entlassener "Satansmörder".

Christian Dornbusch, Robert Andreasch, Sabine Neumann und Sandra Schmitz

Mehr als 300 NS-Black-Metaller drängten sich Mitte Juni in einem Wirtshaus-Saal im fränkischen Gremsdorf. Für die langhaarige Neonazi-Szene in Deutschland war das eine rekordverdächtige Beteiligung. Schon in den vergangenen Jahren war sie bei Kneipier Thomas Göb zu Gast: Abermals waren Hitlergrüße, "Sieg Heil"-Rufe und judenfeindliche Gesänge in seinem Gasthaus festzustellen. Konzertbesucher trugen T-Shirts mit Aufdrucken wie "Tötet alle Untermenschen" oder "Hail Aids! Ethnic Cleansing".

Göb macht sein Jahren mitten in Gremsdorf mit Neonazi-Veranstaltungen Kasse. Bei ihm liefen Europa-Kongresse der NPD-Jugendorganisation JN, ein NPD-Landesparteitag, eine Hauptversammlung der Hilfsgemeinschaft für Nationale Gefangene (HNG) und mehrere Konzerte. Zuletzt floss mit rechtsradikaler Musik am 9. Juni das Bier gewinnträchtig: Im verqualmten Saal herrschten Sauna-Temperaturen.

Der schweißnassen T-Shirts hatten sich einige längst entledigt, als nach Mitternacht die Band erschien, deretwegen die meisten angereist waren: Absurd. Die nationalsozialistische Black-Metal-Szene rechnete mit einem Bühnen-Comeback des früheren Schlagzeugers Hendrik Möbus, der kürzlich aus der Haft entlassen worden ist. Sein Ruf als "Satansmörder" machte (und macht) Absurd zur Szene-Kultband in Deutschland.

Möbus hatte 1993 zusammen mit dem damaligen Absurd-Sänger und einem weiteren Musiker im thüringischen Sondershausen einen Jugendlichen umgebracht. Seither saß der heute 31-Jährige rund zwölf Jahre lang im Gefängnis. Straftaten, die er nach seiner vorzeitigen Entlassung Ende der neunziger Jahre begangen hat, verlängerten die Haft bis ins Frühjahr 2007 hinein. Kurz nach seiner Freilassung hat Hendrik Möbus wieder Kontakt zur Szene aufgenommen.

"Ihr könnt meinem Blutdurst nicht entrinnen"

Die Spannung stieg, als Hendrik Möbus nachts die Gasthof-Bühne betrat. Er bewegte sich auffallend langsam. Auf "Hendrik"-Rufe hin hob er kurz die Hand, um etwas verlegen lächelnd seinen Fans zu winken. Unbeholfen trommelte er mit den Fingern auf einer Snare-Drum herum. Zu einem Comeback am Schlagzeug kam es nicht.

Von der "livehaftigen" Ausstrahlung des einstigen Szene-Helden Möbus scheint nicht viel übriggeblieben zu sein. Mit einem kindlichen Lächeln stand er auf der Bühne und genoss die Freiheit, die an diesem Abend nach Zigarettenrauch und Schweiß roch.

Besoffene Szene-Helden

Hendrik Möbus trat nach dem Aufbau wieder ab, sein Bruder übernahm: Ronald Möbus ist der heutige Absurd-Sänger. Und der legte richtig los: Mikro-Ständer und Schlagzeugbecken warf er mitten in die Menge. Statt sich wie sonst in ein martialisches Rittergewand zu zwängen, hatte der Absurd-Frontmann offensichtlich zu viel getrunken. Einem Fan verpasste er von der Bühne herunter einen Faustschlag. Nach fast jedem Lied beschimpfte er die Zuhörer als Affen.

Zum Leidwesen mancher Zuhörer wollte "Wolf", wie Ronald Möbus gerufen wird, auch das heisere Krächzen nicht mehr gelingen, wie es für den Black-Metal üblich ist. Er sang "normal", was die Texte verständlicher werden ließ - zum Beispiel den Song "Pesttanz". Darin hieß es: "Was da atmet, muss nun sterben, dass die Welt gereinigt wird. Mordend Juden und Christenheit, lüstern, voller Grausamkeit. Massengräber füllen sich, holde Pest, wir grüßen dich!" Oder in dem Titel "Werwolf": "Ihr könnt meinem Blutdurst nicht entrinnen! Ich stille meine Gier mit Menschenfleisch, mit Zyklon B, mit Gift und Blut."

Das Publikum feierte den Auftritt mit Hitlergrüßen und einzelnen "Sieg Heil"-Rufen. Zwischen den Liedern trat hin und wieder ein Publikums-Chor zusammen und schmetterte Nazi-Lieder, wie: "Blut muss fließen, knüppelhageldick, und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik."

Wenn es in der Neonazi-Szene "haarig" wird ...

NPD-Funktionär wird handgreiflich

Derlei Gesänge wollte der Fürther NPD-Kreisvorsitzende Matthias Fischer an der Heimatfront nicht hören. Er sitzt im Landesvorstand der Partei und fungierte an diesem Abend als "Security" - unmissverständlich im NSBM-Shirt. NSBM steht für National Socialist Black Metal.

Im Februar hatte Fischer bei einem Blood-&-Honour-Konzert in Ungarn selbst die Hand zum Hitlergruß erhoben und mitgefeiert, als der bayerische Musiker Edei unter anderem "Bomben auf Israel" forderte. In Gremsdorf galt es für Fischer hingegen, Ärger mit der Polizei zu verhindern. Jenen Black-Metaller, der scheinbar das antisemitische "Blut"-Lied angestimmt hatte, packte er an den Haaren und prügelte ihn zu Boden - um dann dem Absurd-Sänger das Mikro zu entreißen und "Schnauze" hineinzubrüllen.

Vier Mal gesungen wurde der Refrain trotzdem; den "Polacken-Tango" stimmten die Metaller ebenfalls ungeniert an. Sind sie doch in Gremsdorf nichts anderes gewohnt. Bei einem Nazi-Black-Metal-Gig im Jahr 2006 besang Absurd dort den "Endsieg für Germanien". Und der Sänger der Band Totenburg, der unter dem Pseudonym "Asemit" im Internet aktiv ist, warf damals eine Israel-Flagge ins Publikum, die dann von den Metallern abgefackelt wurde.

Die Black-Metal-Szene spielt mit dem Feuer. Neonazi-Ideologen finden in Bayern hervorragende Bedingungen vor. Das größte heidnische Black-Metal-Festival in Deutschland findet ausgerechnet im katholischen Lichtenfels bei Coburg statt: Das Ragnarök-Festival zieht im Frühjahr rund 3000 Metaller an, die Wotan und Odin vergöttern sowie die Christen hassen - und von denen etliche auch Bands wie Absurd verehren.

Heidnischer Hass auf die Weltreligionen

Unter Heiden-Metallern und Neonazis wird den germanischen "Vorvätern" gehuldigt. Der heidnische Hass auf die Weltreligionen trifft auch Juden. Das ist die Ebene, auf der neonazistische Scheitelträger und Skinheads die Langhaarigen erreichen.

"No Politics in Metal" schreiben manche Konzert-Veranstalter auf ihre Plakate - und meinen, sich dadurch von den Nazi-Metallern ausreichend abgegrenzt zu haben. In Wirklichkeit sind der politischen Unterwanderung Tür und Tor geöffnet. An Verkaufsständen gibt es Fan-Artikel von einschlägigen Bands wie Absurd, Magog und Ad Hominem - auch beim Ragnarök-Festival. Nach Fans mit entsprechenden Band-Shirts muss man nicht lange suchen. Manche tragen auch die Mode klassischer Nazi-Bands wie Race War und Aryan Rebels.

Auftritt bei Anti-Rassismus-Festival

Desinteresse, Unwissen und eine hasserfüllte Lebensphilosophie führen dazu, dass viele Schwarzmetaller zunehmend politisiert werden - und das oft unterschwellig. Stammt beispielsweise das folgende Zitat von einem Neonazi oder von einem Antifaschisten? "Jeder gehört zu einem Volk und jeder hat das Blut seines Volkes in sich."

So hat sich Zagan in einem Interview geäußert, der Sänger der Essener Band Black Messiah, die in diesem Jahr beim Ragnarök-Festival aufgetreten ist. Sie spielt auch bei Anti-Rassismus-Festivals. Doch vom Sänger gibt es noch mehr Zitate, die auf ein völkisches Rasse-Denken hindeuten: "Beschäftigt euch mal damit, was wirklich in eurem Blut ist." Zagan bemängelt, dass viele "gar nicht mehr wissen, aus welchem Volksstamm sie eigentlich entspringen".

Wenn es in der Neonazi-Szene "haarig" wird ...

Und das Ausmaß des Holocaust relativiert er folgendermaßen: "Dass die Nazis das Ansehen unserer Vorväter so in den Schmutz ziehen, weil sie ihre alten Symboliken und Runen verwenden, ist fast genauso ein großes Verbrechen wie ihre Völkermorde."

Die selbsternannten Antirassisten von Black Messiah hetzen nicht gegen Juden - aber gegen Christen. In einem Lied heißt es: "Mein Hass, mein Ekel, meine Wut, gilt nur der schwachen Christenbrut. [...] Ich will nicht ruhen und nicht schlafen, bis ich euch alle totgeschlagen." In einem Interview erklärt wiederum der Sänger, der auch textet: "Im Endeffekt haben auch die Christen nichts anderes getan als die Nazis. Sie begingen Völkermord, um ihre Ideale durchzusetzen. Also warum sollte ich Nazis hassen und Christen nicht?"

In der Underground-Szene des Black-Metal, wie sie vor allem in den östlichen Bundesländern boomt, können Nazi-Botschaften ungestört verbreitet werden. So tritt beispielsweise immer wieder die Band Nachtfalke als Special Guest bei Konzerten wie dem Calling For Battle auf. "Hail Victory Teutonia" heißt eine ihrer CDs - also "Sieg Heil, Teutonia." Beim Titelsong reißen die Metaller vor der Bühne die rechten Arme zum Hitlergruß empor.

Botschaft: Hass

Die Strafverfolgung der NS-Black-Metaller gestaltet sich schwieriger als die der Nazi-Skins. Während die Glatzköpfe dazu tendieren, ohne Umschweife zum Judenmord aufzurufen, besingt Absurd nur, wie die Pest die Juden mordet. Das ist nicht strafbar - und trotzdem weiß jeder im Publikum, was gemeint ist - spätestens, wenn es heißt: "Holde Pest wir grüßen dich."

Hinzu kommt, dass die Texte teilweise so gekreischt werden, dass selbst viele Metaller sie nicht verstehen. Andere Songs sind hingegen so bekannt, dass sie vom Publikum mitgegrölt werden - und von ungeschulten Polizisten-Ohren trotzdem nicht verstanden werden. Die Band Magog hatte mehrere szenebekannte Lieder im Programm. In einem heißt es: "Wir marschieren in eine neue Zeit, die uns von Juden und Christen befreit."

Die Botschaft der Black-Metaller, die ursprünglich auf den Satanismus abonniert waren, ist Hass - und jener der NS-Black-Metaller richtet sich vorzugsweise gegen Juden und Christen. Totenburg-Sänger Jens Fröhlich erklärt im Lied "Art und Kampf", was seinesgleichen im Sinn haben: "Feindbilder schüren, wie die Flammen in der Glut."

Mörder werden in der Szene als Helden verehrt, Liedtexte mit grausamen Mord-Ritualen gefeiert. Totenburg hat 2006 im Gremsdorfer Gasthof Göb den Magog-Klassiker "Todesweihe" gecovert: "Ich nehme jede Tat in Kauf, dunkle Nacht ein Menschenschrei, die Tat ist vollbracht, das Stöhnen vorbei." Das Motto des Konzerts: "Töten für Wotan!"

Die Videos wurden mit versteckter Kamera gedreht.

Lesen Sie morgen im vierten und letzten Teil, wie die Neonazis eine gewinnträchtige Kundengruppe geworden sind.

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