·:Die Logik des Absurden

Peter Münch

(SZ vom 8. Mai 2001) - Kriege werden nach strenger Logik geführt. Wenn sich die Kombattanten in Stellung gebracht haben, wenn die Kriegsmaschinerie angeworfen ist, dann wird alles dem strategischen Ziel untergeordnet.

Auf A folgt B, es gibt kein Zurück und es zählen nur noch Sieg oder Niederlage. Der Weg in den Krieg aber beginnt dort, wo die Logik auf dem Absurden aufbaut. Wie das funktioniert, lässt sich gerade in Mazedonien beobachten.

Der Premierminister, der in diesen Tagen auch noch das Amt des Verteidigungsministers übernahm, hat das Unwort in die Welt gesetzt. "Wir befinden uns im Krieg", sprach Ljubco Georgievski.

Die logische Konsequenz: Im Parlament soll nach dem Willen des Regierungschefs über die Ausrufung des Kriegszustandes abgestimmt werden. Absurderweise sitzen aber sowohl in der Regierung wie auch in der Volksvertretung die Parteien der albanischen Minderheit, die im Kriegsfall die Kontrahenten wären.

Nach strengem parlamentarischem Prozedere sollen also die Völker aufeinander gehetzt werden. Im Rahmen dieser absurden Vorgaben müssen sich dann auch all jene bewegen, die sich zur Hilfe aufgerufen fühlen.

Die EU und die Nato schicken also ihre Frontmänner Javier Solana und George Robertson nach Skopje mit der besorgten Botschaft, der Westen votiere gegen eine Verhängung des Kriegsrechtes in Mazedonien.

Plötzlich reden alle vom Krieg, den keiner will, den aber auch keiner verhindert. Die Angst vor dem Krieg ist gewiss nicht unbegründet.

Denn zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen hat sich die mazedonische Armee in Kämpfe mit den albanischen Milizen einer so genannten Nationalen Befreiungsarmee (UCK) verstrickt.

Doch noch sind das lokale Gefechte; noch ist die UCK eine zahlenmäßig übersichtliche Bande extremistischer Nationalisten. Das Kriegsgebrüll aber, das nun von Regierung und Armee in Skopje angestimmt wird, peitscht die Bevölkerung auf. So wird dafür gesorgt, dass sich der Konflikt in den Köpfen festfrisst.

Nun kommen Kräfte ins Spiel, die der Auseinandersetzung eine verheerende Zwangsläufigkeit aufzwingen: Es ist die Kraft der sich selbst erfüllenden Prophezeiung; es ist das auf dem Balkan fast schon Verfassungsrang genießende Gesetz Murphys, demzufolge alles schief gehen wird, was schief gehen kann, und es ist das Gesetz der Serie, das nach den Kriegen in Slowenien, Kroatien, Bosnien und dem Kosovo nun auch die letzte bislang friedliche gebliebene ex-jugoslawische Teilrepublik erfassen könnte.

Es ist, alles zusammen, also die logische Kraft des Absurden, die Mazedonien nun in einen schnellen Rhythmus von Gewalt und Gegengewalt hineinzutreiben droht.

Vielleicht gibt es noch Zeit, die Katastrophe zu verhindern, vielleicht kann die Vernunft noch das Absurde besiegen. Doch die Zeit ist knapp und der Zug fährt auf dem falschen Gleis.

Denn militärisch kann die Regierung in Skopje die militanten Albaner nicht bezwingen. Mag sein, dass sich die UCK nach heftigem Beschuss wieder genauso schnell aus den "befreiten Gebieten" zurückzieht wie im März. Doch gewiss wird sie wiederkommen, und sie wird stärker sein als je zuvor.

Denn jeder von der Armee getötete Kämpfer und mehr noch jeder getötete Zivilist treibt der Guerilla neue Freiwillige zu. Die mazedonischen Streitkräfte kämpfen gegen die Hydra. Es gibt nur eine Kraft, die Erfolg versprechend gegen die Albaner-Miliz vorgehen kann: Das ist die KFOR.

Die von der Nato geführte Truppe steht mit 40.000 Mann im Kosovo, wo die UCK ihre Basen hat. Sie muss endlich Front machen gegen das Netzwerk radikaler Albaner, das sich von Pristina aus über Südserbien und Mazedonien spannt.

Doch es wird nicht reichen, dass sie ihre Aufgaben im Kosovo erledigt. Wenn es der Westen ernst meint mit der Befriedung des Balkans, muss zusammen mit der Regierung in Skopje ernsthaft über eine Ausweitung des Mandats auf Mazedonien nachgedacht werden.

Allein die KFOR, die unter der Mehrzahl der Albaner noch den Nimbus des Befreiers vom serbischen Joch genießt, kann die UCK bekämpfen, ohne die Extremisten gerade dadurch stark zu machen und den Völkerhass weiter zu schüren.

Die Bereitschaft dazu ist allerdings im Westen nirgends zu erkennen. Es ist tatsächlich ein politisch schwieriges Unterfangen, der Bevölkerung zum Beispiel in Deutschland verständlich zu machen, warum man erst den Albanern gegen die Serben beistehen und nun die Albaner zum Schutz der Mazedonier bekämpfen muss.

Logisch wird das Ganze nur unter der Prämisse, dass es einen neuen absurden Krieg zu verhindern gilt.

Neben der militärischen Komponente gibt es aber - noch wichtiger - auch einen politischen Weg, der vom Krieg weg führt. Auf diesen Weg muss der Westen die mazedonische Regierung zwingen. In der Verfassung des Staates wie im politischen Alltag muss die slawische Mehrheit den Albanern einen angemessenen Raum geben.

Sie stellen heute rund ein Drittel der Bevölkerung und dürfen nicht mit formalen Minderheitenrechten abgespeist werden. Statt über das Kriegsrecht sollte also schnellstens über politische Reformen gesprochen werden. Sonst wird ein Krieg die logische Folge sein.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: