Die deutsch-russischen Beziehungen:Das Auf und Ab einer Beziehung

Als erster hochrangiger Vertreter Deutschlands trifft Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Moskau auf den neuen russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew. Wie sich das deutsch-russische Verhältnis seit Adenauer gewandelt hat - eine Dokumentation in Bildern.

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Als erster hochrangiger Vertreter Deutschlands trifft Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Moskau auf den neuen russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew. Wie sich das deutsch-russische Verhältnis seit Adenauer gewandelt hat - eine Dokumentation in Bildern.

1955 beendet die Sowjetunion offiziell den Kriegszustand mit Deutschland. Und da passiert eine Sensation: Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) reist nach Moskau und erreicht die Freilassung der letzten deutschen Kriegsgefangenen. Ein besonders emotionales Thema ist die "Heimkehr der Zehntausend" ab 7. Oktober 1955 aus sowjetischer Gefangenschaft.

Die Einladung der sowjetischen Botschaft in Paris an Adenauer zu einem Moskau-Besuch kommt überraschend. Denn Adenauer hat seine Außenpolitik konsequent am Westen ausgerichtet. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich noch rund 10.000 deutsche Soldaten sowie rund 20.000 politisch inhaftierte Zivilisten in Gefangenschaft.

Am 8. September 1955 fliegt der deutsche Bundeskanzler zu dem Staatsbesuch in die Sowjetunion. Bereits zuvor hat er angekündigt, die Heimkehr der deutschen Gefangenen sei das wichtigste Thema der Reise. In der sowjetischen Bevölkerung ist dies denkbar unpopulär.

Trotzdem kommt es relativ schnell zu einer Einigung über die Freilassung der 10.000 Kriegsgefangenen und zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen.

Im Bonner Außenamt ist man 1964 überzeugt, ...

Foto: dpa (Bundeskanzler Konrad Adenauer mit dem sowjetischen Ministerpräsident Nikolai Bulganin (links) und KP-Sekretär Nikita Chruschtschow

Ludwig Erhard; AP

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... dass auch Nikita Chruschtschow großes Interesse daran hat, mit dem Besuch die Entspannungspolitik gegenüber dem Westen fortzusetzen. Noch vor Chruschtschows Sturz ist ein Besuch in Bonn geplant. Erhard will ihn gerne empfangen, 1964 trifft er sich mit dem Schwiegersohn des Kreml-Chefs, Aleksei Adschubei.

Als Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU) von dem Sturz des Kreml-Chefs im Oktober 1964 erfährt, nimmt er den letzten Schluck aus seinem Glas und sagt: "Darüber muss man erst mal schlafen."

Die Einladung wird im Februar 1965 wiederholt. Doch Chruschtschows Nachfolger Leonid Breschnew und Aleksei Kossygin zeigen sich desinteressiert.

Bundeskanzler Ludwig Erhard an seinem Schreibtisch/ Foto: AP

Leonid Breschnew; Ericht Honecker; Flughafen Ostberlin 1974; dpa

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Das fehlende Interesse Leonid Breschnews an einer Einladung in die Bundesrepublik ist auf ein gleichnamiges Dokument zurückzuführen.

Die sogenannte Breschnew-Doktrin von 1968 legt die Vormachtstellung der UdSSR über die Satellitenstaaten fest. Die Hauptthese lautet: "Die Souveränität der einzelnen Staaten findet ihre Grenze an den Interessen der sozialistischen Gemeinschaft."

Statt zu den westlichen Staaten hält Breschnew den Kontakt zur kommunistischen DDR und dem damaligen Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker aufrecht.

Leonid Breschnew (links) neben Erich Honecker bei seinem Empfang auf dem Flughafen Schönefeld 1974. Foto: dpa

Willy Brandt und Aleksej Kossygin bei der Unterzeichnung des Moskauer Vertrages; dpa

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Mit dem Moskauer Vertrag unterzeichnen Bundeskanzler Willy Brandt und der russische Ministerpräsident Aleksei Kossygin 1970 (SPD) ein Abkommen "über Gewaltverzicht und Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen".

Ebenso wie im Warschauer Vertrag wird auch im Moskauer Vertrag die Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens als unverletzlich anerkannt.

Zudem wollen die UdSSR und die Bundesrepublik ihre Beziehungen "auf freundschaftlicher Grundlage und zu gegenseitigem Vorteil" ausbauen. Mit dem Moskauer Vertrag beginnt die neue Ostpolitik der sozialliberalen Koalition, schafft er doch die Voraussetzungen für Verhandlungen mit der DDR, mit Polen sowie mit anderen Ostblockstaaten.

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Helmut Schmidt; dpa

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Als erster westlicher Staatsmann übt der Sozialdemokrat Helmut Schmidt 1977 Kritik an den SS-20-Mittelstreckenraketen der Sowjetunion.

Der Bundeskanzler befürchtet, dass dadurch in der Sowjetunion eine "Grauzone" zwischen strategischen Waffen einerseits und konventionellen Waffen andererseits entsteht. Würden die Sowjets in dieser "Grauzone" ungehindert aufrüsten, werde das westliche Europa politisch erpressbar.

Der Nato-Doppelbeschluss sieht zwar die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Westeuropa vor, schlägt der Sowjetunion aber gleichzeitig vor, beiderseits auf die Waffensysteme zu verzichten. Im Dezember 1979 unterzeichnen die Außen- und Verteidigungsminister der Nato den Doppelbeschluss.

In der europäischen Bevölkerung stößt das Abkommen auf große Ablehnung, es entwickelt sich eine breite Friedensbewegung. Auch Umweltschützer beteiligen sich an den Protesten - aus ihnen geht am Ende von Schmidts Regierungszeit die Partei Die Grünen hervor.

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Helmut Kohl und Michail Gorbatschow; AP

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Das Verhältnis von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow basiert anfangs auf Ablehnung. Kohl stellt seinen sowjetischen Kollegen in Zusammenhang mit NS-Propagandaminister Joseph Goebbels, was die deutsch-sowjetischen Beziehungen erheblich belastet.

Langsam kommen sich die beiden Polit-Granden aber näher. Eine Einladung auf Gorbatschows Datscha im Kaukasus 1990 legt den Grundstein für eine Freundschaft, die die deutsche Wiedervereinigung erheblich erleichtern wird.

In Moskau rufen Kohl und Gorbatschow die Zwei-plus-Vier- Formel ins Leben - die vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges und die beiden deutschen Staaten. Diese Gruppe setzt der DDR im September 1990 ein Ende. Seine Streitkräfte zieht das neue Russland 1994 zwei Jahre früher als vereinbart aus Deutschland ab, im Gegenzug stellt Deutschland 550 Millionen DM zur Wiedereingliederung der Truppen in ihre Heimat bereit. "Fast fünfzig Jahre, nachdem die sowjetische Armee das Gebiet des damaligen Deutschen Reiches erreichte, verlassen russische Soldaten heute unser Land. Sie gehen nicht als Besatzer, sie gehen als Partner, sie gehen als Freunde", verabschiedet Bundeskanzler Helmut Kohl die russischen Soldaten aus Deutschland.

Im Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 9. November 1990 verpflichten sich die beiden Staaten, die souveräne Gleichheit gegenseitig zu achten. Alle Grenzen in Europa werden als unverletzlich anerkannt. Außerdem vereinbaren sie die Nichtanwendung und -androhung von Gewalt sowie regelmäßige gegenseitige Konsultationen.

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Boris Jelzin; Helmut Kohl; dpa

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In den neunziger Jahren gelangt das deutsch-russische Verhältnis zu seinem Höhepunkt. Den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und Russlands ersten Präsidenten Boris Jelzin verbindet neben den diplomatischen Beziehungen schließlich auch eine Freundschaft.

Das Ende des Kalten Krieges bedeutet für Russland einen enormen Machtverlust. An der Eingliederung der Großmacht in westliche Strukturen wie G 8 oder Nato ist Deutschland maßgeblich beteiligt. Nicht zuletzt dadurch können die Probleme zwischen Deutschland und Russland aus der Nachkriegszeit ausgeräumt und die Beziehungen normalisiert werden.

Nach Jelzins Tod im Jahr 2007 trauert Helmut Kohl um einen "großen Staatsmann", dessen Verdienste um die russisch-deutschen Beziehungen und den Weltfrieden "nicht hoch genug einzuschätzen" sind.

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Wladimir Putin; Gerhard Schröder; dpa

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Die engen freundschaftlichen Beziehungen setzen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und der russische Präsident Wladimir Putin Ende der neunziger Jahre fort.

Dabei kommt Schröders wirtschaftsorientierte Außenpolitik den pragmatischen Ansichten Putins entgegen. Nicht zuletzt die Tatsache, dass die beiden sich in Schröders Muttersprache unterhalten können, begünstigt das enge Verhältnis der beiden Staatsmänner.

Russland will das Verhältnis zu Deutschland mit neuer Offenheit in der Tschetschenien-Politik und der Rückzahlung von Milliardenschulden weiter verbessern. Auf dem Energiesektor wird die deutsche Wirtschaft zum bevorzugten Partner Russlands. Putin ist für Schröder ein "lupenreiner Demokrat", dessen Politik er gegen deutsche Bedenken vehement verteidigt. Zugleich scheut er sich, Russlands innenpolitische Konflikte wie Tschetschenien oder die Verhaftung des prowestlich eingestellten Ölmagnaten Michail Chodorkowski wegen Steuerhinterziehung zu kritisieren.

In der Zeit von 2000 bis 2005 konsultiert Russland kein anderes Land so oft auf Regierungsebene wie Deutschland. Aus diesen Beratungen entsteht 2001 der sogenannte Petersburger Dialog, ein Forum für Vertreter der deutschen und russischen Öffentlichkeit. Die Gespräche sollen die Beziehungen weiter festigen.

Nach Schröders Ablösung durch Angela Merkel 2005 setzt er sich mit Putin für den Bau der Ostsee-Pipeline durch den russischen Gaskonzern Gazprom ein - der Vertrag wird am 8. September 2005 unterzeichnet. Ein Jahr später wird Schröder Aufsichtsratschef eines Pipeline-Konsortiums des russischen Gasunternehmens.

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Angela Merkel; Wladimir Putin; AFP

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Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist die Zeit der deutsch-russischen (Männer-)Freundschaft vorbei. Das Verhältnis beider Länder kühlt unter der deutschen Regierungschefin und Wladimir Putin zu einer Zweckbeziehung ab.

Nicht nur Russlands Außenpolitik in Sachen Kosovo, Tschetschenien oder Iran gehört zu den strittigen Themen zwischen den beiden Ländern. Auch der Zustand von Demokratie und Pressefreiheit in Russland beschwört von deutscher Seite Vorsicht und Misstrauen herauf. Anders als ihr Vorgänger Schröder bleibt die Kanzlerin auf vorsichtiger Distanz zum russischen Präsidenten - statt in seinem Privathaus logiert Merkel mit ihren Minister bei einem Staatsbesuch 2006 im Hotel - und kritisiert unter anderem öffentlich die Affäre Chodorkowski.

Immer wieder werden die biographischen Ähnlichkeiten von Merkel und Putin für ihr schwieriges Verhältnis verantwortlich gemacht. Als Mitglied der Bürgerrechtsbewegung war der Mauerfall 1989 und der Zusammenbruch der Sowjetunion für Angela Merkel ein Aufbruch. Der damalige Oberstleutnant des Geheimdienstes KGB Wladimir Putin hingegen erlebte diese Ereignisse als Zusammenbruch.

Trotz außenpolitischer Differenzen sind die wirtschaftlichen Beziehungen nach wie vor das Herzstück des deutsch-russischen Verhältnisses. Denn die Gaslieferungen aus Russland sind für Deutschland immer noch unverzichtbar.

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Franz-Walter Steinmeier; Dimitrij Medwedjew; dpa

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Auch für die Ära nach Putin erwartet Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) Stabilität in Russland.

Bei einem Kurzbesuch in Moskau 2007 sagt Steinmeier über Putins Nachfolger Dmitrij Medwedjew: "Im Vergleich zu anderen Kandidaten steht er am stärksten für eine westliche Orientierung und wirtschaftliche Modernisierung".

Für seinen aktuellen Russlandbesuch dürfte Steinmeiers Äußerung weiterhin Bestand haben: "Wir haben mit Russland einen großen Nachbarn, mit dem wir ein gedeihliches Verhältnis entwickeln müssen."

Foto: dpa Text: sueddeutsche.de/cag/ihe/lala

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