·:Die Angst, von Israel vorgeführt zu werden

Viele Vertreter arabischer Staaten reisen nur auf Drängen der USA zur Nahost-Konferenz nach Annapolis. Denn: Für fast alle arabischen Staaten bleibt Israel Feindesland.

Tomas Avenarius

Selten hat ein arabischer Diplomat seine Abneigung so unverhohlen gezeigt wie Saudi-Arabiens Außenminister Saud al-Faisal. "Wir reisen nicht an, um Hände zu schütteln oder Gefühle zu zeigen", sagte der Saudi mit gereiztem Gesichtsausdruck nach der Sitzung der Arabischen Liga, bei der es um die Nahost-Friedenskonferenz in Annapolis ging. "Der einzige Grund für unsere Teilnahme ist, dass wir einen Frieden aushandeln wollen, der die arabischen Interessen schützt. Ein Frieden, der das Land der Palästinenser, der Syrer und der Libanesen sichert."

Bush Annapolis; AFP

George W. Bush beim Abendessen vor Teilnehmern der Nahost-Konferenz in Annapolis.

(Foto: Foto: dpa)

Die Teilnahme des Königsreichs an der Nahost-Konferenz stand lange in Frage. Noch unsicherer war die Zusage Syriens: Für fast alle arabischen Staaten bleibt Israel Feindesland. Jetzt aber zeigen sich die Araber kooperationsbereit, Saudi-Arabien und Syrien nehmen am Annapolis-Gipfel teil.

Dass alle wichtigen arabischen Staaten Vertreter zu dem Treffen schicken, wird von amerikanischer und israelischer Seite als erster Erfolg gepriesen. Die Teilnahme der Saudis, zusammen mit den Ägyptern führende arabische Macht, war aber Voraussetzung für das Treffen. Dass die Syrer anreisen, ist eine Überraschung: Syriens Armee liegt israelischen Soldaten auf den Golan-Höhen in Schützengräben gegenüber.

Ägypten und Jordanien waren treibende Kraft hinter der Einigung der Arabischen Liga vergangene Woche in Kairo. Der ägyptische Staatschef Hosni Mubarak hatte rege vermittelt. Jordaniens König Abdullah war nach Syrien gereist und hatte mit Präsident Baschar al-Assad gesprochen. Ägypten und Jordanien tun sich leichter - sie haben einen Friedensvertrag mit Israel. Saudi-Arabien hingegen hat keinen Frieden geschlossen, es behält sich dies bis zur Lösung des Palästinenserproblems vor. Die Saudis wollen sich in Annapolis nicht vorführen lassen beim Händeschütteln mit den Israelis.

Mit Ausnahme Syriens, das in der arabischen Welt isoliert ist und eine Sonderrolle spielt, hat das Einlenken mehrere Gründe. So wollen die meisten arabischen Staaten den schwachen Palästinenserpräsidenten Machmud Abbas bei seinen Verhandlungen mit Israel unterstützen: Alle Araber fühlen sich der palästinensischen Sache verpflichtet. Abbas spricht von "einer historischen Chance".

Noch mehr aber fürchten Saudi-Arabien, Jordanien oder Ägypten mit ihren Königen oder autoritär regierenden Präsidenten die Auswirkungen des Palästina-Konflikts auf ihre Staaten. Abbas wird von den Hamas-Islamisten an die Wand gedrückt, seit diese im Sommer die Macht im Gaza-Streifen übernommen haben. Das Beispiel erinnert die Herrscher in Kairo, Aman und Riad daran, dass sie selbst eine starke islamistische Opposition haben. Die nimmt sich die Hamas zum Vorbild.

Gemeinsamer Gegner Iran

Ebenso wichtig war der Druck der USA. Die Supermacht wirft mit der Annapolis-Konferenz ihr Gewicht in die Waagschale. Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien sind enge Verbündete Washingtons und Empfänger von Militärhilfe in Milliardenhöhe. Sie konnten gar nicht Nein sagen.

Die USA hatten klargestellt, dass Frieden nur mit uneingeschränkter arabischer Unterstützung erreichbar ist. Wäre ein wichtiger Araber-Staat der Konferenz ferngeblieben, hätte er bei einem Scheitern des Treffens die Schuld zugewiesen bekommen.

Unausgesprochen haben Araber, Israelis und Amerikaner noch ein anderes, ein gemeinsames Interesse: Sie alle fürchten Iran. Die nicht-arabische Öl-Macht am Golf macht den Arabern Angst: Zum einen betreibt Iran ein Atomprogramm, das möglicherweise eine militärische Komponente hat. Die islamische Bombe in der Hand der Perser ist etwas, was die Araber sich nicht wünschen. Ebenso beängstigt sie die ideologisch-revolutionäre Führungsrolle der Iraner unter den Schiiten: In allen wichtigen arabischen Staaten regieren Sunniten, und die schiitischen Minderheiten werden benachteiligt - etwa in Saudi-Arabien.

So könnte sich in Annapolis ein Begleiteffekt zeigen: Die wichtigsten sunnitischen Araber sitzen mit Amerikanern und Israelis an einem Tisch. Das wäre ein Signal an Iran, sein Streben nach regionaler Vormacht am Golf zu zügeln.

Bleibt Syrien: Als Bündnispartner der Iraner und Unterstützer der Hamas im Gaza-Streifen ist Damaskus in der arabischen Welt weitgehend isoliert. Da aber eine arabische Aussöhnung mit Israel oder eine Kontrolle der Iraner ohne Seitenwechsel der Syrer schwer vorstellbar sind, nutzt Damaskus seine Chance: Syrien macht Gespräche über die Rückgabe der seit 1967 israelisch besetzten Golan-Höhen zur Bedingung für die Teilnahme in Annapolis. So signalisiert es sowohl den anderen Arabern als auch den Israelis und Amerikanern, dass ein syrisches Ausscheiden aus der Allianz mit Iran seinen festen Preis hätte.

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