Diätenerhöhung im Bundestag:"Stoppt die Raffgier der Unersättlichen!"

Union und SPD haben mit ihrer Entscheidung, die Abgeordnetendiäten zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres steigen zu lassen, für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. Die Argumente für den finanziellen Aufschlag sind in der Tat angreifbar.

Bernd Oswald

Es ist gerade einmal vier Monate her, dass sich die Bundestagsabgeordneten eine Diätenerhöhung von neun Prozent in zwei Stufen genehmigt haben. Die ersten 330 Euro on top gibt es seit 1. Januar, weitere 329 Euro sollen am 1. Januar 2009 fällig werden.

Diätenerhöhung im Bundestag: Das Reichstagsgebäude, Sitz des Deutschen Bundestages

Das Reichstagsgebäude, Sitz des Deutschen Bundestages

(Foto: Foto: dpa)

Als die große Koaltion diese Erhöhung im November 2007 durchwinkte, verwies sie auf einen Beschluss des Bundestages von 1995, nachdem die Bundestagsdiäten an die Besoldung von Richtern an einem obersten Gerichtshof des Bundes gekoppelt werden sollen. Das war allerdings all die Jahre nicht vollzogen worden.

Nun soll nach dem Willen der großen Koalition die im März ausgehandelte knapp siebenprozentige Erhöhung für den öffentlichen Dienst hinzukommen: für die Bundesrichter und damit auch für die Bundestagsabgeordneten.

In zwei weiteren Stufen sollen die Diäten dann auf mehr als 8.000 Euro ansteigen: Am 1. Januar 2009 wäre gleich doppelter Zahltag für die MdBs: Zu der bereits beschlossenen Erhöhung um 329 Euro kämen weitere 278 Euro hinzu, am 1. Januar 2010 nochmal 213 Euro, die Diäten lägen dann bei 8159 Euro pro Monat. Innerhalb von zwei Jahren wären die Abgeordnetenbezüge dann um 16,4 Prozent gestiegen.

Die Koalition ficht das nicht an, schließlich würden der Tarifabschluss erst mit einem Jahr Verzögerung umgesetzt und die Einmalzahlung von 225 Euro würden die Abgeordneten auch nicht bekommen.

"Dekadente Tendenzen"

Die Opposition im Bundestag ist sich selten einig - doch die drastische Diätenerhöhung lehnen FDP, Linke und Grüne rundheraus ab. FDP-Chef Guido Westerwelle sieht in der geplanten Anhebung der Bezüge den Ausdruck "dekadenter Tendenzen" in der großen Koalition.

Am deutlichsten wird Dagmar Enkelmann, die parlamentarische Geschäftsführerin der Linkspartei: "Union und SPD bekommen den Hals nicht voll", erregt sie sich im Gespräch mit sueddeutsche.de und fordert die Wähler auf, "die Raffgier der Unersättlichen zu stoppen".

Schon im November 2007 hat die Linke gegen die Erhöhung gestimmt, weil der Vergleich mit den Bundesrichtern nach Ansicht der Linkspartei hinkt: Zum einen bekommen die Bundestagsabgeordneten im Gegensatz zu Richtern zusätzlich eine steuerfreie Kostenpauschale von 3700 Euro pro Monat, zum anderen ist auch die Altersversorgung der MdBs großzügiger geregelt.

Enkelmann schlägt vor, dass die Bundestagsabgeordneten künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. "So würden die MdBs die Rentenversicherung stärken und Solidarität beweisen", sagt Enkelmann. Als zweitbeste Lösung sieht die Linke ein Versorgungswerk an, wie es im nordrhein-westfälischen Landtag praktiziert wird.

Steuerzahlerbund nennt Diätenpläne "unverschämt"

Die Düsseldorfer Abgeordneten zahlen monatlich rund 16 Prozent ihrer Diäten in das eigens zu diesem Zweck errichtete "Versorgungswerk der Mitglieder des Landtags Nordrhein-Westfalen" ein. Auch ein anderer Gedanke des NRW-Modells gefällt Enkelmann gut: Dort werden die Abgeordnetendiäten an die allgemeine Lohnentwicklung angepasst.

Die große Koalition hofft nach Ansicht Enkelmanns auf eine "kurze Welle der Empörung", glaubt aber, dass sich Union und SPD da verrechnet haben. Auf der Internetplattform Abgeordnetenwatch.de äußern zahlreiche User ihr Unverständnis über die Erhöhung.

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke, nennt die Anhebung "unverschämt", Konrad Weckerle, Vorsitzender der CSU-Seniorenunion findet das Ansinnen "schamlos". Dass junge Abgeordnete sich über eine Rentenerhöhung um 1,1 Prozent aufregten und sich anschließend die eigenen Bezüge um 16 Prozent erhöhten, schlage dem Fass den Boden aus. Er forderte die CSU-Abgeordneten auf, eine Erhöhung ihrer Bezüge abzulehnen.

"So transparent wie die Preisetiketten bei Aldi"

Das Kabinett zeigte sich von den Protesten unbeeindruckt und beschloss am Mittwoch die Diätenerhöhung. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann verteidigte den Grundsatz, dass sich die Diäten an den Bezügen von Bundesrichtern orientieren.

Das jetzige System sei "so transparent wie die Preisetiketten bei Aldi". Außerdem stelle es "keinen Fahrstuhl nach oben" dar. Wenn es im öffentlichen Dienst keine Zuwächse gebe, bekämen auch die Abgeordneten keine. Schließlich verweist Oppermann darauf, dass es in den vergangenen 30 Jahren 13 Nullrunden gegeben habe.

Die Duisburger Tafel wird sich über die Diätenerhöhung freuen. Die AWO-Kindertagesstätte Herford und Caritas Halberstadt auch. Schon jetzt werden diese und viele andere gemeinnützige Organisationen von Abgeordneten der Linksfraktion im Bundestag mit dem Betrag bedacht, den diese seit der Diätenerhöhung im Januar 2008 mehr bekommen.

Auch bei der nächsten Erhöhung, die Union und SPD am Freitag im Bundestag durchsetzen werden, will es die Linke so handhaben. Dagmar Enkelmann kann dem Diäten-Theater noch was Gutes abgewinnen: "Das ist unsere Art der Umverteilung."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: