Deutschland:Was Sie über den G-20-Gipfel in Hamburg wissen müssen

Demonstration

Wenn die Mächtigen sich treffen, stehen die Demonstranten schon bereit: G-20-Gegner in Hamburg.

(Foto: dpa)

Am 7. und 8. Juli findet das Gipfeltreffen der mächtigsten Nationen statt. Worum geht es? Wie viel kostet das? Und was fordern die Zehntausenden Demonstranten?

Von Benedikt Herber

Seit ihrer Gründung im Jahr 1998 tagt die Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) jährlich in einem der Mitgliedsländer. Nun ist Deutschland an der Reihe und richtet in Hamburg das Treffen aus.

Die Sicherheitsvorkehrungen sind schon enorm, wenn US-Präsident Donald Trump oder Russlands Staatschef Wladimir Putin allein auf Auslandsreisen gehen. Wenn fast knapp zwei Dutzend Spitzenpolitiker am gleichen Ort sind, verwandelt sich die Hansestadt am 7. und 8. Juli in eine Festung. Die Sicherheitsbehörden stehen wie schon beim G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm und beim G-7-Gipfel 2015 auf Schloss Elmau vor großen Herausforderungen.

Vorab kam es bereits zu Zwischenfällen, ausgelöst durch die linksautonome Szene, und von diesem Sonntag an wird nahezu täglich demonstriert und protestiert. Laut Spiegel rechnet die Hamburger Innenbehörde mit 7000 bis 8000 gewaltbereiten Gipfelgegnern, die auch aus Großbritannien, Italien, Griechenland oder der Schweiz anreisen werden. Innensenator Andy Grote (SPD) fürchtet, dass "von außen Gewalt eingetragen" werde - gerade die "Welcome to Hell"-Demo am Donnerstag gilt als besonders heikel.

Zuletzt sorgte vor allem das Verhalten der "Party-Polizisten" aus Berlin für Schlagzeilen, weshalb die Inhalte und Ziele des Gipfels eher in den Hintergrund gerückt sind. Worum wird es bei gehen? Wieso findet das Treffen im hohen Norden statt? Und wogegen wird eigentlich demonstriert?

Darum wurden die G20 gegründet

1997 befand sich Ostasien in einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise. Um diese in den Griff zu bekommen, wurden die damaligen G22 gegründet - eine Gruppe von 22 Staaten, die im Gegensatz zu den heutigen G20 noch stärker auf Asien zugeschnitten war (Hongkong, Thailand oder Malaysia gehörten beispielsweise dazu). Das erste Treffen fand im April 1998 in Washington statt.

Im Dezember 1999 tagten die G20 zum ersten Mal in Berlin. Die Mitgliedsstaaten waren damals dieselben wie heute, vertreten wurden sie jedoch durch die jeweiligen Finanzminister und Zentralbankchefs. Das änderte sich 2008: Die globale Finanzkrise zwang die Staaten dazu, ihre Politik auf höchster Ebene zu koordinieren. Seither diskutieren bei den G-20-Gipfeln die Staats- beziehungsweise Regierungschefs miteinander.

Das sind die Mitglieder der G20

Die "Gruppe der 20" besteht aus den 19 führenden Industrie- und Schwellenländern, hinzu kommt die Europäische Union. Diese informelle Gruppe steht für etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung, vier Fünftel der globalen Wirtschaftsleistung und drei Viertel des Welthandels. Alle Mitglieder der G7 sind auch Teil der G20. Asiatische und europäische Länder sind insgesamt am stärksten vertreten, Afrika, das die zweitmeisten Einwohner aller Kontinente hat, stellt mit Südafrika dagegen nur ein Mitglied.

  • Asien: China, Indien, Indonesien, Japan, Südkorea
  • Europa: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Russland
  • Nordamerika: Kanada, USA, Mexiko
  • Südamerika: Argentinien, Brasilien
  • Naher Osten/Mittelmeer: Saudi-Arabien, Türkei
  • Afrika: Südafrika
  • Ozeanien: Australien
  • die Europäische Union

Das sind die Protagonisten des Gipfeltreffens

Auf dem G-20-Gipfel in Hamburg werden bis auf den brasilianischen Präsidenten Michel Temer (er ist wegen Korruption angeklagt) voraussichtlich alle Staats- beziehungsweise Regierungschefs der jeweiligen Nationen vertreten sein. Damit kommt es zu einem Wiedersehen der Teilnehmer des G-7-Gipfels von Sizilien Ende Mai, bei dem sich der US-Amerikaner Donald Trump selbst isolierte. Außerdem mit dabei: Recep Tayyip Erdoğan für die Türkei und Wladimir Putin für Russland. Die Spannungen einiger Mitgliedsstaaten mit Ankara und Moskau geben dem Treffen eine besondere Brisanz. Nach der Krim-Annexion war Russland von den G-8-Gipfeln ausgeschlossen worden.

Als Teilnehmer für die EU sind Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk angekündigt. Außerdem beteiligen sich traditionell Gastnationen und -institutionen an den Gesprächen des Gipfels. Für 2017 hat die Bundesregierung unter anderem die Niederlande, Norwegen, Singapur und Spanien eingeladen; hinzu kommen Vertreter der afrikanischen Organisationen Afrikanische Union und Nepad (ein Wirtschaftsentwicklungsprogramm), sowie jene der Apec- einer Organisation, die Pazifikstaaten von Ost und West miteinander verbindet.

Worum es gehen wird

Darum ist Hamburg dieses Jahr Gastgeber

Grundsätzlich gilt: Wer die Präsidentschaft der G20 innehat, richtet auch den Gipfel aus. Die Vergabe der Präsidentschaft funktioniert seit 2010 nach dem Rotationsprinzip. Die Wahl des Veranstaltungsorts begründete Bundeskanzlerin Angela Merkel, eine gebürtige Hamburgerin, mit der Weltoffenheit der Hansestadt. Allerdings ist es auch kein Geheimnis, dass andere Bundesstaaten wie Sachsen, Bayern oder NRW dankend ablehnten.

Als Tagungsort wurde das Messegelände ausgesucht. 2018 zieht der Gipfel nach Argentinien (Buenos Aires) weiter, letztes Jahr fand er in Hangzhou, China statt. Eine Besonderheit dieses Jahres: Der Gipfel findet nicht im November statt, sondern ausnahmsweise schon im Juni - um zu verhindern, dass sich die Vorbereitungen für den Gipfel mit der Bundestagswahl am 24. September überschneiden.

Das soll auf dem Gipfel besprochen werden

Protest gegen G20-Gipfel in Hamburg

Der Slogan ´NO G20" sind am 27.03.2017 in Hamburg auf dem Dach des linksautonomen Kulturzentrums Rote Flora im Hamburger Schanzenviertel.

(Foto: dpa)

Im Mittelpunkt werden Wirtschafts- und Finanzfragen wie Wachstum, Handel und Finanzmarktregulierung stehen. Wie auch die G7 treffen die G20 keine verbindlichen Entscheidungen, es werden keine Verträge unterschrieben. Allerdings bietet der Gipfel eine Plattform, um Impulse zu setzen - auch deshalb sagt Kanzlerin Merkel: "Wir brauchen die G20 dringender denn je." Zu einem späteren Zeitpunkt münden diese Impulse im Idealfall in etwas Verbindlichem. Der Einigung auf dem Weltklimagipfel in Paris 2015 beispielsweise gingen entsprechende Bekenntnisse auf den G-7- und G-20-Gipfeln voraus.

Neben rein ökonomischen Themen wie der Stabilisierung des Finanzwesens sollen in Hamburg auch verknüpfte Felder wie Klimaschutz, Energieversorgung oder Flucht und Migration besprochen werden. Bundeskanzlerin Merkel hat außerdem die Stellung von Frauen weltweit auf die Themenliste gesetzt. Darüber hinaus sollen Konzepte zur Lösung der Probleme Afrikas - insbesondere der Hungerproblematik - erarbeitet werden.

Darum wird gegen das Gipfeltreffen demonstriert

Die Kritik am G-20-Treffen wendet sich stellvertretend gegen das kapitalistische System im Allgemeinen. Die Nichtregierungsorganisation Attac kritisiert etwa, dass die Gruppe versuche, "das krisengeschüttelte Modell in Schwung zu halten". Sie fordert stattdessen "echte Demokratie" und wünscht sich eine Stärkung der Vereinten Nationen. Ähnlich lauten die Klagen der Zivilgesellschaft, die in einer eigenen "Civil 20"-Gruppe Forderungen an die Spitzenpolitiker und sich nicht weniger wünscht als "eine radikale Transformation des gegenwärtigen neoliberalen Wirtschaftssystems".

Protest gegen G20-Gipfel in Hamburg

Protest gegen G20-Gipfel in Hamburg ARCHIV - Leuchtbuchstaben mit dem Slogan ´NO G20" sind am 27.03.2017 in Hamburg auf dem Dach des linksautonomen Kulturzentrums Rote Flora im Hamburger Schanzenviertel zu sehen. Das Schanzenviertel ist eine Art gallisches Dorf inmitten der Elbmetropole, in dem den Auswüchsen von Globalisierung, Kapitalismus und sozialer Ungleichheit getrotzt wird. (zu dpa ´Die Rote Flora und ihre Bande - G20 und das Schanzenviertel" vom 21.06.2017) Foto: Christian Charisius/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

(Foto: dpa)

Wenn etwa Heinrich-Böll-Stiftung, Naturfreunde, Gewerkschaften, Greenpeace und der WWF am Sonntag zur Protestwelle-Großdemo aufrufen, dann sollen diese Anliegen vertreten werden. Anders ist dies bei Aktionen der Interventionistischen Linken und den Autonomen der Hamburger "Roten Flora": Die Organisatoren der "G20 Welcome to Hell"-Demo am 6. Juli sprechen der informellen Gruppe jede Legitimität ab. Hier werden Ausschreitungen und Verhaftungen ebenso befürchtet wie am Freitag: Dann beginnt der G-20-Gipfel offiziell, und linke Gruppen haben am "Aktionstag" Massenblockaden der Tagungsorte angekündigt.

Das wird der G-20-Gipfel kosten

Schon im Vorfeld kam es im Hamburger Umland zu Randalen, die sich gegen den Gipfel richteten. Die Polizei stellt ein Großaufgebot mit mindestens 20 000 Beamten aus der ganzen Republik auf und stellt sich auf gewalttätige Ausschreitungen ein.

Um sich adäquat vorbereiten zu können, hat das Bundesfinanzministerium der Stadt Hamburg bereits 50 Millionen für Sicherheitsmaßnahmen bereitgestellt. Hinzu kommen die Sicherheitskosten, die den Bund betreffen (etwa 32 Millionen Euro, unter anderem für die Bereitstellung von Bundespolizisten) und ein Etat des Auswärtigen Amtes, das den Namen "Kosten aus Anlass der deutschen G-20-Präsidentschaft 2017" trägt und knapp 49 Millionen Euro umfasst.

Zählt man diese Kosten zusammen, kommt man auf eine Summe von etwa 130 Millionen Euro - das wäre die geschätzte Untergrenze. Realistischer ist ein sehr viel höherer Betrag. Der Bund der Steuerzahler geht von 350 Millionen Euro aus. Zum Vergleich: Der deutlich kleinere G-7-Gipfel 2015 auf Schloss Elmau bei Garmisch-Partenkirchen soll etwas mehr als 112 Millionen Euro gekostet haben.

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