Deutschland und Frankreich :Im Notfall Freunde

In den deutsch-französischen Beziehungen läuft vieles unrund. Doch zum Glück kann man sich in dieser Beziehung auf eine Regel verlassen: Auf Krach folgt Versöhnung. Für die nötige Reform Europas reicht die gemeinsame Kraft jedoch nicht aus.

Von Stefan Ulrich

Ist von deutsch-französischer Freundschaft die Rede, geht es oft um Beziehungskrisen. Allen Beschwörungen immerwährender Eintracht zum Trotz, kommt es zu Krach und Eifersüchteleien. Präsident Nicolas Sarkozy flirtete anfangs lieber mit den Briten als mit Angela Merkel. François Hollande wollte mit den Mediterranen paktieren - statt mit dem Volk der Sparer im Osten. Merkel mischte sich dafür gegen Hollande in den französischen Wahlkampf ein. Und in diesen Tagen treibt die französische Regierung ein Gesetz voran, das den Deutschunterricht im Land zurückdrängen würde. Sieht so Freundschaft aus?

Zum Glück kann man sich in dieser Beziehung auf eine Regel verlassen: Auf Krach folgt Versöhnung. Sarkozy entdeckte in der Finanzkrise eine Freundin in Berlin. Und Hollande und Merkel, die zunächst fremdelten, stecken nun ständig die Köpfe zusammen. Sie haben sich gefunden, und sie zelebrieren das gern.

Paris und Berlin arbeiten bei Krisen gut zusammen - doch damit erschöpft sich ihre Kraft

Zwei Dinge bringen Deutsche und Franzosen einander immer wieder nahe. Da sind erstens die Krisen, die sie allenfalls gemeinsam entschärfen können, etwa den Ukraine-Konflikt, den Klimawandel oder den Streit mit Griechenland. In diesen Fällen begreifen Paris und Berlin, dass sie einander brauchen, und sie handeln gemeinsam. Zweitens fehlt schlicht die Alternative, ein anderer, gleichwertiger Partner. Die Briten stellen sich mit ihrer Europa-Skepsis selbst ins Abseits. Die Südländer haben unterschiedliche Interessen, der Italiener Renzi etwa will mit und nicht gegen Berlin regieren. Polen ist für Deutschland ein wichtiger Partner, könnte Frankreich aber nie ersetzen. Berlin und Paris sind also aufeinander angewiesen. Und für Deutschland bleibt der Bund mit Frankreich allemal die beste Möglichkeit, den Verdacht zu entschärfen, es wolle Europa dominieren.

Alles bestens in diesem rheinischen Bund also, Sprachenstreit hin oder her? Leider nein. So tatkräftig die beiden Regierungen auf Krisen reagieren mögen, so mau wirken sie bei der Gestaltung der europäischen Einheit. Europa wächst nur weiter zusammen, wenn Paris und Berlin anführen, das hat die Geschichte längst bewiesen. Doch die beiden führen nicht, oder jedenfalls zu wenig. Derzeit müssten sie dringend gemeinsam Pläne schmieden, wie die Euro-Gruppe - unabhängig von der Griechenland-Krise - gestärkt und zu einer Kernunion ausgebaut werden kann, inklusive eines eigenen Haushalts und mächtigen Parlaments. Der große Wurf, der andere EU-Staaten mitreißen könnte, bleibt aber aus.

Das hat Gründe, die noch mehr in Paris als in Berlin zu suchen sind. Ende Mai jährt sich zum zehnten Mal ein für Frankreichs Regierende traumatisches Ereignis. Damals sagten die Franzosen per Referendum Nein zu Europas Verfassung. Hollande scheut folglich heute jede EU-Reform, die eine Änderung der Verträge und damit daheim ein Referendum verlangen würde. Er steht unter Druck des rechten Front National, der die EU zerschlagen will, wie auch der radikalen Linken, die ein anderes Europa möchte. Hollande ist innenpolitisch zu schwach, um sich aus dieser Zwangslage zu befreien.

Frankreich und Deutschland werden sich daher wohl weiter aufs Krisenmanagement beschränken. Immerhin: Freunde in der Not sind viel besser als gar keine Freundschaft.

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