Deutschland:Schweres Problem

Die Rettungsdienste benötigen immer mehr Krankentransporter für übergewichtige Menschen.

Von Thomas Öchsner

Es war ein schwerer Brocken, der auf die Sanitäter der Rettungswache Günzburg wartete: Etwa 250 Kilo wog der Mann, der in einem schmalen Bauernhaus wohnte und zu einer Behandlung ins Krankenhaus sollte. Zehn Mann mussten zugreifen, um ihn durch die engen Türrahmen bis zum Rettungswagen zu wuchten. "Schwierig wird es in solchen Fällen immer dann, wenn Patienten keinen Rollstuhl benutzen können oder womöglich ein enges Treppenhaus den Transport erschwert", sagt Ralph Herkenrath, stellvertretender Chef der Rettungswache Günzburg des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK).

Mit solchen im wahren Sinne des Wortes erschwerten Arbeitsbedingungen müssen Rettungskräfte quer durchs Land immer häufiger zurechtkommen. "Klar, es gab schon immer dicke Patienten, aber das Problem hat in den vergangenen Jahren zugenommen", sagt Herkenrath, der schon seit etwa zwei Jahrzehnte als Sanitäter arbeitet. Manchmal muss in solchen Fällen sogar die Feuerwehr anrücken. Ist der Rollstuhl zu klein, die Tür zu eng, das Treppenhaus zu schmal, lassen sich Patienten, die beträchtlich zu viel auf die Waage bringen, oft nur per Hebebühne oder Drehleiter aus Häuserfenstern hieven.

Statistisch hart belegen lässt sich der Zuwachs bei den Transporten menschlicher Schwergewichte nicht, jedenfalls nicht bundesweit, weil der Marktführer, das Deutsche Rote Kreuz, seine Rettungsdienste regional organisiert hat und deshalb keine entsprechenden Zahlen vorliegen. Eine Umfrage der Süddeutschen Zeitung ergab aber: Bei den Maltesern und beim BRK in Bayern werden verstärkt "Schwerlast-Rettungswagen" eingesetzt, die Patienten mit bis zu 300 Kilo von A nach B fahren können - sofern der Fahrer einen Führerschein der Klasse C1 hat. 33 dieser Spezialfahrzeuge nutzt derzeit das Bayerische Rote Kreuz im Freistaat. Sie kosten bei der Anschaffung etwa 30 000 Euro mehr, haben stärkere Tragen und verfügen über ein elektrohydraulisches Beladesystem. Das sind schon fünf Prozent der Rettungswagen. Vor fünf Jahren waren es laut BRK 26 Einsatzfahrzeuge, in die XXL-Patienten passten.

Sicher ist auch: Es gibt immer mehr krankhaft Übergewichtige in Deutschland. Nach Angaben des Wissenschaftlichen Instituts der AOK hat sich die Zahl der großen Operationen bei Adipositas in Deutschlands Krankenhäusern zwischen 2011 bis 2014 um fast 50 Prozent erhöht. Knapp 16 Prozent der erwachsenen Bevölkerung war 2013 adipös, also stark übergewichtig, heißt es im neuen Jahrbuch des Statistischen Bundesamts. 1999 traf dies nur auf zwölf Prozent der Männer und elf Prozent der Frauen zu. Die höchsten Anteile fettleibiger Menschen zählten die Wiesbadener Statistiker dabei in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt, am geringsten waren die Werte in den Stadtstaaten Hamburg und Berlin.

Die extrem schweren Fälle werden auch für die Gesundheit der Sanitäter zu einem Problem: "Generell nehmen Rückenbeschwerden bei den Mitarbeitern im Einsatzdienst zu", berichtet eine Sprecherin des BRK. Das bestätigt auch Wachleiter Herkenrath: "Leider hatten wir schon Kollegen mit Bandscheibenvorfällen", sagt er.

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