Deutschland im Anti-Terror-Kampf:Freundschaft hat einen Preis

Die Zustimmung zur Dschihadisten-Resolution der USA ist der Bundesregierung nicht leicht gefallen. Für den Kampf gegen die sogenannten Foreign Fighters muss die Koalition nun das Strafrecht verschärfen. Das wird in Berlin Ärger geben.

Eine Analyse von Stefan Braun

Frank-Walter Steinmeier ahnte, dass die Sache nicht einfach werden wird. Deshalb hatte er noch einmal mit Bundesjustizminister Heiko Maas gesprochen. Und doch: Am Ende war die Loyalität Deutschlands gegenüber den USA im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat wichtiger als die Sorge vor drohendem Ungemach in Berlin. Trotz aller Bedenken, die auch seine Kollegen aus den allermeisten EU-Staaten umtreiben, gab der Außenminister der von den USA eingebrachten UN-Resolution gegen die sogenannten Foreign Fighters seinen Segen. "Das Primat der Außenpolitik hat sich durchgesetzt'', heißt es dazu aus Berlin.

Dieses Primat allerdings wird der Regierung noch erheblichen Ärger bereiten. Denn eine Resolution des UN-Sicherheitsrates ist bindend. Sie kann nicht einfach ignoriert werden. Dies gilt gerade für Deutschland, das dem Völkerrecht stets besonderes Gewicht zugemessen hat. Wer die Resolution 2178 liest, findet neben scharfer Rhetorik und vielen Willenserklärungen sehr klare Aufforderungen an alle UN-Mitgliedsstaaten, ihre Gesetze dem Kampf gegen Foreign Fighters anzupassen. Gemeint sind Dschihadisten aus dem Ausland, die zum Kämpfen in den Irak oder nach Syrien gegangen sind oder gehen wollen.

Laut Resolution sollen künftig alle Reisen und Reiseversuche unter Strafe gestellt werden, die dem Ziel gelten, "Terroranschläge durchzuführen, zu planen, vorzubereiten oder daran teilzunehmen''. Gleiches gilt für Reisen in Terrorausbildungslager oder auch Reisen zurück in die Heimatländer. All das soll mit harten Strafen belegt werden, die geeignet sind, "der Bedrohung durch den Terror angemessen zu begegnen''.

Diese Ideen sind nicht grundsätzlich neu, aber manches ist bis heute höchst problematisch, weil die Beweisführung schwer ist, sofern sich Kämpfer nicht öffentlich mit derartigen Taten brüsten. Und das ist nicht alles. Bestraft werden sollen künftig auch Geldgeber und Unterstützer, die potenziellen Tätern gezielt oder im Wissen um deren Ziele helfen. Jeder, der irgendwie an einer Reise in den Dschihad, deren Organisation oder einer Tatvorbereitung mitwirkt, soll zwingend verfolgt, angeklagt und bestraft werden. Gerade also der Straftatbestand der Beihilfe soll deutlich weiter gefasst werden.

Der Resolutions-Katalog erinnert sehr an die Monate nach dem 11. September 2001. Unter dem damaligen Innenminister Otto Schily waren die Strafgesetze in zwei Wellen verschärft worden, manches davon wurde später vom Verfassungsgericht wieder gekippt. Schilys Vorgehen hatte eine heftige Debatte darüber ausgelöst, wie viele Freiheiten der demokratische Staat angesichts einer aggressiven Bedrohung beschneiden darf - und wann er sein Fundament als liberaler Rechtsstaat zerstört.

Neuer Konfliktstoff für die Koalition

Entsprechend alarmiert ist nun die Bundesregierung. Ausgerechnet via den UN-Sicherheitsrat gelangt neuer Konfliktstoff in die Koalition, in der die Stimmung zuletzt ohnehin schlechter geworden ist, auch weil konservative Unionspolitiker nach schärferen Gesetzen gegen Dschihadisten und mögliche Rückkehrer rufen.

Wie heikel die Sache sein wird, zeigen erste Äußerungen von Justizminister Maas. Er sagte zunächst einmal, was ein Justizminister wohl sagen muss: Wer unter dem Deckmantel des Islam Verbrechen begehe, so verkündete er, werde "die ganze Härte des Strafrechts zu spüren bekommen''. Die Bundesregierung prüfe zudem, inwiefern die UN-Resolution eine Änderung des Strafrechts erfordere. Eines aber, so der Justizminister, sei genauso wichtig: "Wir dürfen Terroristen nicht in die Falle gehen.'' Eine Einschränkung von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sei genau das, was die Terroristen bewirken wollten. "Dazu dürfen wir es nicht kommen lassen."

Wie Maas das verhindern möchte, ist allerdings offen. Wie es aus Regierungskreisen heißt, wird man nun beispielsweise vor dem Problem stehen, wie man mit Beihilfe-Problemen umgehen soll. Was ist mit einer Verkäuferin, die einem Dschihadisten ein Flugticket verkauft, obwohl sie ahnen, aber nicht wissen kann, dass es sich dabei wirklich um einen potenziellen Täter handelt? Was ist mit dem Freund, der wenig von den Veränderungen seines Kumpels bemerkt hat, ihm einige Hundert Euro für eine Reise leiht - und damit womöglich den Trip erst möglich macht? Oder mit dem Schützenverein, bei dem ein netter junger Mann eine Schießausbildung bekommen hat, der dann in islamistische Kreise abdriftet? Bei den Gefahren und Möglichkeiten eines Abdriftens in die Dschihad-Szene scheint es kaum Grenzen zu geben, zumal wenn man Berichte über junge Kämpfer liest, die früher als freundliche Kumpel in jüdischen Fußballvereinen gekickt haben.

Der Regierung stehen schwierige Debatten ins Haus. Dabei kommt ihr immerhin zu Hilfe, dass Innenminister Thomas de Maizière erst jüngst jede Form der Unterstützung für IS verboten hat. Reichen aber wird das kaum, um die Resolution zu erfüllen. Steinmeier hatte intern gehofft, dass genügen könnte, der Resolution so weit Folge zu leisten, wie es die deutschen Gesetze eben zulassen würden. Nun sprechen Union und SPD offenbar bereits darüber, eine Änderung des Personalausweisgesetzes zu prüfen. Es geht um die Möglichkeit, Ausweise potenzieller Terrorkämpfer mit einem Ausreise-Sperrvermerk zu versehen, damit sie nicht mehr über die Türkei nach Syrien und in den Irak reisen können.

Ungeachtet dessen steht die Koalition vor der Alternative, das Strafrecht zu verschärfen oder Völkerrecht zu brechen. Dass andere EU-Staaten vor der gleichen Aufgabe stehen, wird ihr dabei nur wenig helfen.

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