Das Risiko eines normalen Mörders, entdeckt und verurteilt zu werden, ist hoch. Das Risiko eines Völkermörders dagegen lag lange Zeit nahe null. Es war leider so: Mit den einfachen Mördern verhandeln die Richter; mit den tausendfachen Mördern verhandeln die Staatsmänner. Die Versuche, diese zynische Rechnung zu durchkreuzen, sind soeben wieder vorangekommen.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat einen Ex-Bürgermeister aus Ruanda, der nun in Deutschland lebt, wegen eines Massakers in Ruanda zu 14 Jahren Haft wegen Beihilfe zum Völkermord verurteilt. Von diesem Urteil geht ein Signal aus: Jeder Staatsverbrecher, wo immer er mordet, muss wissen: Er kann zur Verantwortung gezogen werden, fast überall auf der Welt, in einem der mehr als hundert Staaten, die (wie Deutschland) die UN-Konvention gegen Völkermord unterschrieben haben.
Trotzdem bleibt Unbehagen: Ein Prozess vor dem deutschen Gericht, sechstausend Kilometer entfernt vom Tatort, ist nur ein Notbehelf; es gibt so viele Beweis- und Beweiswürdigungsprobleme. Besser wäre ein Verfahren vor dem UN-Strafgericht für Ruanda gewesen, einem Gericht mit Spezialkompetenz; es wurde zu früh zugemacht.
Viele Fragen bleiben daher offen: Welche Rolle spielen Kirchen in der Gesamtschau des Ruanda-Völkermordes? Und: Warum wurden nie die Hauptwaffenlieferanten angeklagt? Die Justiz muss noch viele Rechnungen durchkreuzen.