Deutsches Rechtssystem:Warum lebenslang nicht ein Leben lang ist

Für immer hinter Gitter? Nicht im deutschen Rechtssystem. Auch wenn das Urteil lebenslang lautet - bis zu ihrem Tod bleiben die wenigsten Gefangenen in Haft.

Thorsten Denkler

Die Ex-Terroristin Brigitte Mohnhaupt ist zu fünfmal lebenslänglich verurteilt worden. Warum kann sie dann jetzt schon freikommen?

Das Gericht hat ihr mit der vielfach lebenslänglichen Haftstrafe eine Mindesthaftdauer von 24 Jahren auferlegt. Diese 24 Jahre enden am 26. März diesen Jahres. Sie könnte nur länger in Haft gehalten werden, wenn gewichtige Gründe gegen ihre Freilassung sprechen.

Warum ist lebenslang nicht lebenslang?

Ein echte lebenslange Haftstrafe bis zum Tod des Gefangen ist mit dem Grundgesetz und der Menschenwürde nicht vereinbar, sagt das Bundesverfassungsgericht. Jeder Gefangene muss die Aussicht haben, irgendwann wieder die Freiheit genießen zu dürfen. Darum hat sich die Regelung durchgesetzt, im Urteil eine Mindesthaftdauer festzuschreiben. Die liegt meist bei 15 Jahren. Bei einer besonderen Schwere der Schuld, also einem besonders grausamen Verbrechen mit Todesfolge, kann sie - wie im Fall Brigitte Mohnhaupt - auch höher ausfallen. Allerdings ist eine Mindesthaftdauer von 24 Jahre die Ausnahme.

Was passiert nach der Mindesthaftdauer?

Nach Verbüßung der Mindesthaftdauer muss entschieden werden, ob weiter eine Gefahr von dem Gefangenen ausgeht. Wird diese Frage mit Ja beantwortet, bleibt der Gefangene hinter Gittern. Allerdings muss die Frage der Gefährlichkeit alle zwei Jahre erneut geprüft werden. Wird der Gefangene für ungefährlich erklärt, wird er für fünf Jahre auf Bewährung entlassen. Erst danach ist er auch offiziell kein Strafgefangener mehr.

Mehrfach lebenslängliche Urteile werden heute nicht mehr ausgesprochen. Warum?

Solche Urteile ergeben keinen Sinn, weil der Grundsatz gilt, dass jedem Gefangenen die Chance eingeräumt werden muss, wieder frei zu kommen. Darum wurde mit der Änderung Strafrechts im Jahr 1986 beschlossen, dass mehrfach lebenslänglich immer nur höchstens einmal lebenslänglich bedeuten kann.

Der Ex-Terrorist Christian Klar will begnadigt werden. Wo liegt der Unterschied zum Fall Monhaupt?

Klar wurde zu einer Mindesthaftzeit von 26 Jahren verurteilt. Ein Haftentlassung stünde also frühestens für das Jahr 2009 an. Das Grundgesetz gibt aber dem Bundespräsidenten die Kompetenz, Gnade vor Recht walten zu lassen. Wie uns unter welchen Bedingungen eine Begnadigung ausgesprochen wird, liegt dabei allein in den Händen des Staatsoberhauptes. Allerdings wird allgemein die Reue des Gefangenen und eine Entschuldigung für seine Taten erwartet.

Wie viele Lebenslange sitzen derzeit in deutschen Gefängnissen?

Nach den aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2004 sitzen 116 Häftlinge lebenslang ein, davon 108 Männer. Da die Dauer einer lebenslangen Haftstrafe davon abhängt, wie hoch die Mindesthaftdauer angesetzt wurde und ob der Häftling nach dieser Zeit noch eine Gefahr darstellt, gibt es keine verlässlichen Daten über die durchschnittliche Haftdauer von Lebenslangen. Schätzungen zufolge sitzen Lebenslange, bei den keine besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde im Schnitt 17 bis 19 Jahre. Mit besonderer Schwere der Schuld erhöht sich die durchschnittliche Haftdauer auf 23 bis 25 Jahre.

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