Deutscher Student in Afghanisten gefangen:Zugriff nach Mitternacht

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Wollte er in den Dschihad oder zu seiner Großmutter? Die USA halten nach SZ-Informationen einen deutschen Studenten im afghanischen Militärgefängnis Bagram fest. Deutsche Diplomaten kommen nicht an ihn ran.

Daniel Brössler

Die schwerbewaffneten Männer kommen eine halbe Stunde nach Mitternacht. Der Hausherr, ein Kabuler Geschäftsmann, berichtet später über zerborstene Scheiben und verletzte Mitarbeiter. Der Einsatz der US-Soldaten aber, das wird schnell klar, gilt seinem Sohn.

Hier soll der deutsche Student festsitzen: Das berüchtigte Gefängnis der US-Armee im afghanischen Bagram.  (Foto: AFP)

Als die Soldaten wieder abziehen, nehmen sie Haddid N. mit. Er ist 23 Jahre alt, deutscher Staatsbürger, Student in Frankfurt am Main - und seit dem 8. Januar amerikanischer Kriegsgefangener in Afghanistan. Der Deutsch-Afghane ist inhaftiert im berüchtigten Militärgefängnis Bagram. So viel weiß die Familie in Frankfurt. Mehr nicht.

Der Fall ist brisant, denn er führt direkt in die Grauzone zwischen Rechtsstaat und Anti-Terror-Kampf. Die Schwester des jungen Deutsch-Afghanen arbeitet als Anwältin in Frankfurt und ist überzeugt, dass der Bruder seine Verhaftung deutschen Sicherheitsbehörden verdankt, die den Amerikanern "unzutreffende Informationen über angebliche strafbare Bestrebungen" von Haddid N. hätten zukommen lassen. Das Bundeskriminalamt versichert, es habe "keine Informationen an ausländische Stellen weitergeleitet oder übermittelt, die zur Festnahme von N. geführt haben".

Im Dunkeln bleibt, was dem Frankfurter vorgeworfen wird. Von der US-Botschaft in Kabul erhält die Familie auf Nachfrage per E-Mail die lapidare Auskunft, Haddid N. werde im Einklang mit dem Kriegsvölkerrecht festgehalten und gemäß der Genfer Konvention human behandelt. Man arbeite in dieser Frage eng mit der deutschen Regierung zusammen.

So eng nun auch wieder nicht. Bislang versuchen Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Kabul vergeblich, Kontakt zu dem Bundesbürger aufzunehmen. "Dieser Fall ist uns bekannt, und wir bemühen uns gegenüber US-Stellen intensiv um Zugang zu dem deutschen Staatsangehörigen", sagt das Auswärtige Amt.

Grundsätzlich sind die Amerikaner nicht der Auffassung, dass ihre Gefangenen in Afghanistan Anspruch auf Betreuung durch die Botschaften ihrer Herkunftsländer haben. In schwierigen Verhandlungen kann der Zugang aber ausgehandelt werden - wie im Fall des Hamburger Islamisten Ahmad S., der seit vergangenem Juli in Bagram einsitzt.

Verdächtige Bekanntschaften

Anders als in jenem Fall aber scheint gegen Haddid N. bei der deutschen Justiz nichts Belastendes vorzuliegen - obwohl sich die Polizei durchaus für ihn interessiert hat. Im Oktober 2009 wird er auf dem Frankfurter Flughafen festgehalten, als er nach Pakistan fliegen will - zu seiner Großmutter, wie er versichert.

Er wolle sich für den Dschihad, den "Heiligen Krieg", ausbilden lassen, mutmaßt indes die Frankfurter Staatsanwaltschaft und eröffnet ein Ermittlungsverfahren. Gegen den praktizierenden Muslim sollen unter anderem Bekanntschaften aus der Bilal-Moschee in Frankfurt-Griesheim sprechen. Erhärtet werden kann der Verdacht nicht. Am 12.Juli 2010 stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Einen guten Monat später erhält der Student auch seinen eingezogenen Reisepass zurück.

Ende November fliegt Haddid N. mit einem Freund zu einem Bruder nach Dubai. Die Polizei, von der Schwester kontaktiert, hatte keine Einwände. Anstatt aber wie geplant nach Frankfurt zurückzukehren, fliegt Haddid N. am 17. Dezember nach Kabul. Ausschließlich, um den Vater zu besuchen, wie die Schwester sagt.

Bei ihr meldet sich Anfang Januar die Frankfurter Polizei. Man habe Hinweise, dass der Bruder sich in Afghanistan dem Dschihad anschließen wolle. Angeblich fragen die Beamten auch nach der Anschrift des Vaters in Kabul. Drei Tage später wird Haddid N. von US-Soldaten festgenommen.

© SZ vom 26.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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