Deutsche zum Gaza-Konflikt:Ein schwieriges Verhältnis

Es ist schwierig, hierzulande die israelische Politik zu kritisieren - warum die Deutschen keine eindeutige Haltung zum Gaza-Konflikt finden.

Matthias Drobinski

Am vergangenen Samstag demonstrierten in Bremen 7000 Menschen gegen die israelische Militäraktion im Gaza. Auf YouTube kann man hören, was die Teilnehmer, darunter viele aus dem arabischen Raum, riefen: "Kindermörder Israel!" Und: "Juden raus aus Gaza".

Deutsche zum Gaza-Konflikt: "Juden raus aus Gaza" hieß es bei einer Protestaktion in Bremen. In Deutschland ist es schwieriger als anderswo, israelische Politik zu kritisieren.

"Juden raus aus Gaza" hieß es bei einer Protestaktion in Bremen. In Deutschland ist es schwieriger als anderswo, israelische Politik zu kritisieren.

(Foto: Foto: dpa)

Juden raus, das klingt in Deutschland mörderisch. Erschrocken distanzierte sich das Bremer Friedensforum, doch es blieb, dass die Friedensgruppen gemeinsam mit Antisemiten aufgetreten waren. Am Wochenende werden wieder Tausende gegen die Militärschläge Israels protestieren. Die meisten mit lauteren Motiven, nicht alle in bester Gesellschaft.

Darf man das, kann man das: in Deutschland Israel kritisieren? Ohne als antiisraelisch, gar antisemitisch zu gelten? Natürlich kann man, es geschieht ja auch. In Deutschland ist die Meinung frei, auch wenn sie zugespitzt, einseitig, gar falsch ist.

Aber es ist in Deutschland schwieriger als anderswo, israelische Politik zu kritisieren, schwieriger vielleicht als in Israel selber. Weil es eine Ermordeten- und Mördergeschichte gibt, weshalb "Ghetto" bei einem Deutschen anders klingt als bei einem Amerikaner - Norbert Blüm wie die katholischen Bischöfe mussten das schmerzhaft erfahren, als sie das Wort bei Israel-Besuchen in den Mund nahmen.

Weil die Nähe zu Israel Staatsraison ist, wie Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul merkte, als sie 2006 während des Krieges im Libanon nach Beirut reiste.

Kritik an der Politik Israels ist aber vor allem schwierig, weil das deutsch-israelisch-jüdische Verhältnis so kompliziert geworden ist. 1967 wurde nach dem Sechs-Tage-Krieg Israel vom gefährdeten David zur Besatzungsmacht, zunächst in den Augen der PLO-begeisterten Linken, dann auch für viele andere. Israel, das Sehnsuchtsland vieler Deutscher, sollte besser sein als alle anderen Länder - eine Überforderung.

Als der Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer Deutsche zu ihrer Einstellung zum Staat Israel befragen ließ, antwortete fast jeder Zweite, Israel tue den Palästinensern ungefähr das an, was Deutschland einst den Juden angetan habe. Wer sagt, dass er den Einsatz des Militärs für unverhältnismäßig hält, landet schnell bei einer furchtbaren Aufrechnerei mit den Nazi-Verbrechen.

Die Betroffenheiten in den jüdischen Gemeinden und beim Zentralrat der Juden komplizieren die Lage weiter. Israel gilt hier als Lebensversicherung; Kritik rührt an diese Versicherung und wird von daher als latent antisemitisch empfunden. Dass die Demonstration, die die jüdische Gemeinde Berlin für Sonntag angemeldet hat, zur Differenzierung beiträgt, ist nicht zu erwarten.

Wenn Krieg ist, demonstrieren die Deutschen schnell und zahlreich für den Frieden, diesmal werden es nur wenige sein. Weil sie nicht vereinnahmt werden wollen - so gesehen ist es gut, dass sie zu Hause bleiben. Weil sie resignieren und sich in die Unempfindlichkeit gegenüber dem Leid auf beiden Seiten zurückziehen - so gesehen, ist es schlecht.

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