Deutsche Soldaten in der Türkei:Ausgang nur noch in Zivil

Bundeswehrsoldat in der Türkei Patriot-Raketen

250 deutsche Soldaten sind an der türkisch-syrischen Grenze für sechs dieser Patriot-Luftabwehrraketen-Batterien verantwortlich.

(Foto: AFP)
  • Der neue aggressive Kurs der Türkei gegen die Kurden sorgt in Deutschland für Diskussionen: Sollen deutsche Soldaten aus der Türkei abgezogen werden? Und damit auch die Patriot-Systeme der Bundeswehr?
  • Die Bundesregierung mahnt Ankara bislang nur, den Friedensprozess mit den Kurden nicht aufzugeben.
  • Die Opposition ist deutlicher in ihrer Kritik am Verhalten der türkischen Regierung.

Von Stefan Braun, Berlin, und Daniel Brössler, Brüssel

Die 250 deutschen Soldaten, die derzeit in der Südtürkei stationiert sind, haben mit den jüngsten Ereignissen in der Region zwar nichts zu tun. Trotzdem könnte der neue Kurs Ankaras im Kampf gegen die kurdische PKK und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für sie Konsequenzen haben.

In Deutschland wird mittlerweile darüber debattiert, ob der Einsatz der deutschen Patriot-Luftabwehrraketen militärisch noch einen Sinn hat, ob die Soldaten angesichts einer Bedrohung durch Terroranschläge abgezogen werden sollten oder ob die Bundesregierung die Patriot-Raketen nach Hause beordern sollte, weil Ankaras aggressiver Kurs gegen die Kurden deutschen Interessen widerspricht.

Die Regierung selbst hat sich bislang aufs Mahnen verlegt. Sie fordert die türkische Regierung beharrlich dazu auf, den Friedensprozess mit den Kurden nicht aufzugeben, auch nicht jenen mit PKK-Vertretern. Zu einer klaren Kritik an Ankaras Verhalten mochte sie sich aber nicht durchringen.

Dabei ist das türkische Vorgehen gegen die Kurden für Berlin alles andere als einfach, weil niemand sagen kann, ob und wenn ja wann es auch für die Kurden im Nordirak zum Problem wird. Jenen Kurden, die seit August 2014 im Kampf gegen die IS-Milizen deutsche Verbündete wurden, denen Berlin auch Waffen liefert.

Die Opposition wird da deutlicher und mit ihr mancher Politiker aus den Koalitionsfraktionen. Der Außenpolitik-Experte der Grünen, Omid Nouripour, sagt angesichts der türkischen Attacken gegen IS und PKK, Bündnissolidarität sei zwar "ein Wert an sich." Dies gelte aber nur, so lange es um die Verteidigung eines Bündnispartners gehe.

"Symbolisches Zeichen" deutscher Nato-Treue

Diese Bedingung entfalle, wenn die Türkei im Irak oder in Syrien in den Krieg eingreife - oder sich innerhalb der Türkei einen Bürgerkrieg mit der PKK leisten sollte. "Dann müssten die Patriots abgezogen werden", sagt Nouripour. Schaut man auf die türkischen Luftangriffe jenseits der Grenze, dann kommt das einem "Zieht die Soldaten ab!" ziemlich nahe.

Ähnlich klingt mittlerweile der CSU-Sicherheitspolitiker Florian Hahn. Auch er denkt laut darüber nach, die Patriot-Raketen zurück nach Deutschland zu holen. Es habe sich gezeigt, so Hahn, dass die Patriot-Raketen zur Verteidigung der Türkei nicht mehr nötig seien. Außerdem sei das Engagement schon bisher vor allem ein "symbolisches Zeichen" deutscher Nato-Treue gewesen.

Nun müsse man den Einsatz überdenken, weil der türkische Präsident Erdoğan mit den Attacken gegen die Kurden wieder einmal unter Beweis stelle, "dass die Türkei und Deutschland immer weniger gemeinsame Ziele verfolgen". Da mag ein wenig antitürkische CSU-Stimmung mitschwingen. Klar ist es trotzdem.

Sicherheitsvorkehrungen am türkischen Bundeswehrstandort erhöht

Sorgen um die Sicherheit macht sich vor allem der Bundeswehrverband. Die Soldaten selber, die in Kahramanmaras stationiert sind, kümmert das bislang dagegen eher wenig. Ihr Kommandeur, Oberst Michael Hogrebe, betonte in einem Interview, gegenwärtig bestehe keine konkrete Bedrohung.

Gleichwohl wurden die Sicherheitsvorkehrungen in Kahramanmaras erhöht. Ausflüge aus der Kaserne sind nur noch selten und wenn, dann in Zivil möglich. Außerdem haben die deutschen wie die türkischen Soldaten, die dort stationiert sind, den Selbstschutz ausgebaut. Dabei achten sie nicht so sehr auf mögliche Raketen aus Syrien. Die Hauptgefahr geht von Terroristen aus, die Anschläge verüben könnten.

Nato: Zweck der Patriot-Mission unverändert

Bei der Nato in Brüssel ist ein überstürzter Abzug der sechs Patriot-Batterien kein Thema. Bei der Sitzung der 28 Nato-Botschafter am Dienstag fiel das Wort "Patriot" nach Angaben von Teilnehmern kein einziges Mal. Für die Nato ist die Mission von zumindest großer symbolischer Bedeutung, weil er der Einbindung eines schwierigen, aber strategisch wichtigen Verbündeten dient.

Nach Amtsantritt unternahm Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Herbst 2014 gleich seine zweite Reise zum türkischen Stützpunkt Gaziantep, wo zwei Patriot-Batterien der US-Streitkräfte stationiert sind. "Was ihr tut, sorgt dafür, dass die Nato stark bleibt. Was ihr tut, sorgt dafür, dass die Türkei sicher bleibt", lobte er die Soldaten.

Allerdings wird die neue Lage bei der Nato durchaus gesehen. "Während die derzeitige Gefahr durch syrische Raketen als gering eingestuft wird, bleibt ein Risiko, dass gegen Oppositionskräfte in Syrien abgefeuerte Raketen in der Türkei einschlagen", sagt ein Nato-Beamter.

Daher gelte: "Der Zweck der Patriot-Mission ist unverändert - der Türkei zu helfen, sich gegen syrische ballistische Raketen zu verteidigen." In den letzten Jahren habe das syrische Regime Hunderte solcher Raketen abgefeuert, von denen die meisten auf syrischem Gebiet eingeschlagen seien. Einige seien in Nachbarländern gelandet, auch in der Türkei.

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