Deutsche Rüstungsindustrie:Sigmar Gabriels Panzer-Abwehr

Gabriel trifft Betriebsräte der Rüstungsindustie

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die Ausführungen von Ernst-August Kiel. Der Betriebsratsvorsitzender der ThyssenKrupp sieht einige Übereinstimmung mit Gabriel.

(Foto: dpa)

Die Industrie hänge nicht von Lieferungen auf die arabische Halbinsel ab: Wirtschaftsminister Gabriel will Rüstungsexporte einschränken, ohne Arbeitsplätze zu gefährden. Betriebsräte der Rüstungsunternehmen interpretieren das als "Dialogbereitschaft".

Von Nico Fried, Berlin

BerlinWirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat eine Europäisierung der Rüstungsindustrie gefordert. Es sei widersinnig, dass es in der Europäischen Union für identische Waffensysteme "unterschiedlichste Produzenten" gebe, sagte Gabriel nach einem Treffen mit etwa 20 Betriebsräten und Gewerkschaftsvertretern aus der Rüstungsindustrie. Eine engere Abstimmung sei dringend erforderlich, weil 28 Partnerstaaten mit 28 eigenen Armeen und ihrer jeweiligen Ausstattung "nicht die klügste Art ist, das Geld auszugeben, das man hat".

Gabriel nannte es zudem eine Aufgabe der Bundesregierung, zur Konsolidierung der Rüstungsindustrie Klarheit über den künftigen Bedarf der Bundeswehr zu schaffen. Zu diesem Zweck kündigte er Gespräche mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) an.

Der Minister trat dem Eindruck entgegen, dass eine restriktivere Genehmigungspolitik den Bestand der Industrie und damit Arbeitsplätze gefährde. "Die Gesamtperspektive der Rüstungsindustrie hängt nicht, wie viele glauben, alleine vom Export ab - schon gar nicht vom Export auf die arabische Halbinsel", sagte Gabriel mit Blick auf besonders umstrittene Waffenexporte nach Saudi-Arabien oder Katar. Die aktuelle Krise im Irak zeige zudem, dass dort "von Ost und West die Büchse der Pandora" durch frühere Waffenlieferungen gefüllt worden sei. "Diese Büchse ist randvoll mit Waffen", sagte Gabriel.

Verweis auf den Koalitionsvertrag: Der Export in Drittstaaten ist verboten

Der Minister und SPD-Vorsitzende verwies mit Blick auf Kritik vor allem aus der Union an seiner restriktiveren Genehmigungspolitik auf den Koalitionsvertrag. CDU, CSU und SPD hätten sich verständigt, die Rüstungsexportrichtlinien einzuhalten, die im Jahr 2000 von der damaligen rot-grünen Koalition beschlossen worden waren. Darin heißt es, dass der Export von Waffen in Drittstaaten außerhalb von Nato und EU verboten ist, es sei denn, ein sicherheitspolitisches Interesse Deutschlands spricht für eine Genehmigung.

Beschäftigungspolitische Gründe dürfen den Richtlinien zufolge "keine ausschlaggebende Rolle spielen". Die Exportrichtlinien seien mithin "absolut klar". Allerdings sei in den vergangenen Jahren aus der Ausnahmefallregelung eher eine Regel geworden, monierte Gabriel mit Blick auf die Genehmigungspolitik der schwarz-gelben Vorgängerregierung. Jede Form einer Neuverhandlung der Richtlinien lehnte er ab.

Die Vertreter der Arbeitnehmer in den Rüstungsbetrieben äußerten sich dennoch zufrieden über das Gespräch im Wirtschaftsministerium. Er habe "ganz stark den Eindruck gewonnen", dass der Minister wisse, was auf dem Spiel stehe, sagte Jürgen Bühl aus dem Vorstand der Gewerkschaft IG Metall. Schon seit Längerem fordere man einen industriepolitischen Dialog aller Beteiligten zur Stabilisierung der Rüstungsindustrie. Er glaube, "dass dies nun bei Herrn Gabriel auf fruchtbaren Boden fällt". Bühl betonte, dass auch die Arbeitnehmervertreter die Einhaltung der Exportrichtlinien befürworteten.

"Dialogbereitschaft signalisiert"

Ernst August Kiel, Betriebsrat der Thyssen Marine Systems, sprach von einiger Übereinstimmung mit dem Wirtschaftsminister. Es gebe aber auch weitere Punkte, an denen die Arbeitnehmervertreter unterschiedliche Auffassungen verträten. Details nannte er nicht. Es sei aber grundsätzlich "wichtig, dass uns Dialogbereitschaft signalisiert worden ist". Gabriel hat inzwischen auch zwei Dutzend Chefs von Rüstungsunternehmen sowie Verbandsvertreter für den 5. September zu einem Meinungsaustausch ins Ministerium eingeladen.

Am Dienstag plädierte er für eine Debatte über die wehrtechnische Industrie, "die mehr ist als eine Rüstungsexportdebatte". Man müsse klären, welche Rüstungsindustrie man haben wolle, um über eigene Fähigkeiten zu verfügen, und welche Rolle die Bundeswehr dabei spiele.

Spätestens Ende dieses Jahrzehnts liefen alle laufenden Rüstungsprojekte aus, sagte Gabriel. Deshalb gehe es um die Frage, welche Anschlussvorhaben geplant würden. Die Betriebsräte wie auch der Minister sprachen sich zudem dafür aus, den Technologietransfer aus dem wehrtechnischen in den zivilen Bereich zu fördern.

Waffen-Drehscheibe Deutschland

Wer über Rüstungsexporte und deren Beschränkung spricht, denkt meist an Waffen, die in Deutschland produziert werden. Damit aber ist nicht das ganze Problem erfasst. Ebenso bedeutsam ist Deutschlands Rolle als Transitland für Waffenexporte. Und es werden dabei immer wieder Genehmigungspflichten unterlaufen, selbst von engen Verbündeten. Stärkstes Beispiel: Allein 2014 sind vier amerikanische Kampfhubschrauber vom Typ Apache ohne Genehmigung, also illegal, über Deutschland nach Saudi-Arabien geliefert worden.

Das geht aus den Antworten auf eine parlamentarische Anfrage des Bundestagsabgeordneten Jan van Aken von der Linkspartei hervor. Einzig gutes Zeichen: die Transporte wurden entdeckt und die Spediteure wurden angeklagt. Aber ob der Absender der Hubschrauber die US-Regierung oder eine amerikanische Waffenschmiede gewesen ist, blieb offen und eine Reaktion gegenüber der amerikanischen Regierung unterblieb. "Dass die Bundesregierung den Bruch deutscher Gesetze ohne Beschwerde bei der US-Regierung einfach hinnimmt, ist unfassbar", sagte van Aken. Zwischen 2009 und 2014 sind insgesamt 19 derartige illegale Durchfahrten aufgebracht worden. Allerdings fehlen Schätzungen über die Dunkelziffer.

Mengenmäßig viel gravierender sind die offiziellen Durchfahrten an Waffen. Nimmt man die Angaben aus dem Bundeswirtschaftsministerium, dann ist Deutschland eine regelrechte Drehscheibe für Waffenexporte, und das auch in Krisenregionen. So nutzten in den vergangenen fünf Jahren 72 Staaten Deutschland als Transitland für ihre Waffenexporte, darunter waren unter anderem Lieferungen an Länder wie Katar, Bahrain, der Oman oder Saudi-Arabien, aber auch noch problematischere Staaten wie der Sudan oder Jemen. Zu den Waffen gehörten Torpedos, Minen, Gewehre und Handgranaten genauso wie Lenkflugkörper oder Kampfflugzeuge. Interessant ist die Erklärung der Regierung, sie entscheide auch bei Genehmigungen für Durchfuhren nach den politischen Grundsätzen, wonach Exporte in Krisengebiete ausgeschlossen seien. Stefan Braun

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