Deutsche Politiker und US-Spionage:Die Dankbaren und die Scheinheiligen

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich Prism USA Internet-Überwachung

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) reist heute in die USA.

(Foto: dpa)

Hans-Peter Friedrich muss als einsamer Bittsteller in die USA reisen, um Auskunft über verwerfliche Praktiken der US-Geheimdienste einzufordern. Mitleid verdient der Innenminister dafür nicht. Der CSU-Mann, die Regierung und die Opposition sind dafür verantwortlich, dass die politische Debatte über Datenspitzelei als versuchte Volksverdummung gewertet werden muss.

Ein Kommentar von Susanne Höll, Berlin

Man könnte Mitleid haben mit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Der CSU-Mann muss an diesem Donnerstag notgedrungen eine Reise in die USA antreten und Auskunft über verwerfliche Praktiken der US-Geheimdienste begehren, die er nicht bekommen wird. Friedrich aber verdient kein Mitleid. Denn auch er ist dafür verantwortlich, dass die politische Debatte hierzulande über Datenspitzelei als versuchte Volksverdummung gewertet werden muss.

Seit Wochen behaupten die Kanzlerin, der Innenminister, der Kanzleramtsminister, die Chefs der deutschen Nachrichtendienste, nichts von den Massenüberwachungen gewusst zu haben. Unfug. Jeder, der sich einigermaßen auskennt im internationalen Geheimgeschäft, weiß, welche rechtlichen, technischen und finanziellen Möglichkeiten die US-Dienste haben. Der Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst sind keine ignoranten Deppen. Sie sind dankbare Kunden eben jenes US-Dienstes, der jetzt die Gemüter erregt.

Plausibel ist dagegen, dass die Deutschen nichts über Details der US-Aktionen wussten. Die Spione von Übersee plaudern gemeinhin nicht über Wanzen in EU-Vertretungen oder über angezapfte Datenleitungen. Angela Merkel zeigte sich empört. Schön und gut. Aber was folgt daraus? Die Bundesregierung weigert sich, ihren verstörten Bürgern zu sagen, dass sie die Vereinigten Staaten nicht zu einem Kurswechsel zwingen kann. In Angelegenheiten ihrer nationalen Sicherheit (und was sie dafür hält) lässt sich die Regierung in Washington nicht hineinreden. Friedrich wird bei seiner US-Reise nichts anderes als ein einsamer Bittsteller sein.

Scheinheilig agiert aber nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Opposition. SPD und Grüne verlangen tagtäglich von der Bundesregierung Aufklärung über die US-Praktiken und werfen Schwarz-Gelb Leisetreterei vor. Dabei wissen Sozialdemokraten und Grüne aus ihren gemeinsamen Regierungszeiten ganz genau, wie bockbeinig die USA in geheimen Dingen sein können. Sie fordern etwa das Ende des europäisch-amerikanischen Fluggastabkommens. Das würde die USA kaum beeindrucken. An diese Daten kommen sie sicherlich auch auf andere Weise. Eine Aufkündigung alter Vereinbarungen mit den USA könnte bestenfalls ein rechtliches Schlupfloch schließen, nicht aber die Ausspähungen beenden.

Deutschland könnte auf das unkontrollierte Treiben der US-Dienste reagieren. Man kann den Nachrichtendiensten hierzulande verbieten, Informationen zu verwerten, deren Herkunft unbekannt ist und die womöglich aus illegalen US-Aktionen stammen. Das aber wollen weder die Bundesregierung noch die Opposition. Sie alle stellen den Kampf gegen den Terror über den Schutz der Daten. Angela Merkel bekennt das nun relativ freimütig. Aber warum muss Friedrich dann eigentlich noch in die USA reisen? Weil die Regierung den Eindruck vermitteln möchte, sie setze sich für Freiheitsrechte ein. Das Ende der Scheinheiligkeit ist nicht in Sicht.

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