Deutsche Paramilitärs im Irak:Söldner der Sicherheit

Blackwater lässt grüßen: Im Irak übernehmen auch ehemalige Elitesoldaten und Polizisten aus Deutschland gefährliche Dienste. Vermittelt werden sie von Sicherheitsfirmen, die im juristischen Graubereich agieren.

Frederik Obermaier

Mittags irgendwo in Bagdad: Ein alter Mercedes blockiert die staubige Straße, die Motorhaube ist nach oben geklappt, ein Mann beugt sich über den rauchenden Zylinderblock. Die Sicherheitsleute in den drei weißen Landcruisern ein paar hundert Meter entfernt geben Vollgas. Auf dem Rücksitz kauert sich ihr Auftraggeber, ein westlicher Diplomat, hinter den bulligen Oberkörper seines Beschützers.

Blackwater-Söldner; AP

"Nach zwölf Jahren Dienst an der Waffe ist es schwer, im zivilen Leben Fuß zu fassen": Das Geschäft mit der Sicherheit im Irak boomt.

(Foto: Foto: AP)

Plötzlich fallen Schüsse. Zwei Kugeln schlagen an der Beifahrerseite in die Panzerung des Wagens. Eine Scheibe klirrt. Durch ein halb geöffnetes Autofenster erwidern die Sicherheitsmänner das Feuer. Aus dem Funkgerät brüllt ein Mann "Go, go, go!" und schon brausen sie mit ihrem Schützling davon. Alltag im Irak.

Bisher kannte man die Schilderung solcher Erlebnisse nur von Mitarbeitern amerikanischer Sicherheitsfirmen. Diese jedoch stammt von einem Deutschen. "Erst war ich Zeitsoldat, dann Reservist und nach dem Balkan ging es dann für Blackwater in den Irak - das war wie eine Dauerwehrübung", erzählt der Mann aus Franken, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er ist kein Einzelfall.

Das Geschäft mit der Sicherheit boomt

Denn im Irak heuern nach Informationen von sueddeutsche.de seit einigen Jahren auch ehemalige deutsche Elitesoldaten und Ex-Polizisten bei privaten Sicherheitsfirmen an. Wie ihre amerikanischen, britischen und australischen Kollegen beschützen die Contractors Geschäftsleute und Journalisten, eskortieren Diplomatenkonvois durch gefährliches Gebiet und bewachen Ministerien, Botschaften und Firmengebäude. An einem einzigen Tag lassen sich so 500 Dollar verdienen, oftmals auch mehr.

Das Geschäft mit der Sicherheit boomt. Zu den Auftraggebern gehören internationale Konzerne, Hilfsorganisationen und Medienunternehmen - sowie ganze Staaten. Vor allem die US-Regierung überträgt privaten Sicherheitsunternehmen im Irak viele Aufgaben, die das amerikanische Militär früher noch selbst übernommen hat. Der Grund liegt auf der Hand: Immer mehr Verbündete holen ihre Soldaten nach Hause; nach Italien, der Slowakei und Dänemark haben zuletzt auch Australien und Polen mit dem Abzug ihrer Truppen begonnen.

Gleichzeitig will US-Verteidigungsminister Robert Gates die 157.000 Soldaten zählende US-Truppe bis Juli von 19 auf 15 Brigaden reduzieren. Denn in den Vereinigten Staaten wächst der Unmut der Bevölkerung mit jedem Soldaten, der im Sarg aus dem Irak zurückkehrt.

Die tragische Zahl von 4000 getöteten GIs wurde vor wenigen Wochen schon erreicht. Private Sicherheitsleute hingegen tauchen in keiner offiziellen Statistik auf, für sie muss sich die amerikanische Regierung nicht rechtfertigen. Dabei starben nach Recherchen des Houston Chronicle allein im vergangenen Jahr 353 von ihnen. Insgesamt sollen in den vergangenen fünf Jahren mehr als 1100 Contractors getötet worden sein - auch Deutsche.

Denn von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt vermitteln Privatunternehmer deutsche Staatsangehörige in den Irak. "Jede deutsche Sicherheitsfirma, die was auf sich hält, hat da schon mal mitgemischt", sagt ein ehemaliger Fernspäher der Bundeswehr, der selbst in der Branche tätig ist.

Im Irak angekommen, werden die Ex-Soldaten mit Tarnkleidung, Waffen und Munition ausgestattet - fortan arbeiten sie als selbständige Subunternehmer. Keine Spur soll zurück in die Bundesrepublik führen. Schließlich bewegen sich die Vermittlerfirmen auf unsicherem Terrain; ihre Tätigkeit spielt sich in einer juristischen Grauzone ab. Denn gemäß dem sogenannten Söldnerparagraphen (§109 h Strafgesetzbuch) droht jedem eine Freiheitsstrafe, der "zugunsten einer ausländischen Macht einen Deutschen zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung anwirbt".

Vom zivilen Personenschutz zum militärischen Dienstleister

Wie fließend der Übergang von weitgehend zivilem Personenschutz zu militärischen Dienstleistern und damit vom Sicherheitsdienst zum Söldnertum ist, zeigt die US-amerikanische Firma Blackwater. Ihre Angestellten unterscheiden sich meist nur durch ein fehlendes Armeeabzeichen auf der Uniform von herkömmlichen Soldaten, oft kämpfen sie sogar Seite an Seite mit ihren Kameraden von der US-Army.

Vom professionellen High-Risk-Operation-Anbieter mit eigenem Nachrichtendienst bis hin zu Zwei-Mann-Betrieben abenteuerlustiger Hasardeure tummeln sich im Irak derzeit Dutzende Sicherheitsunternehmen. Die Bekanntesten sind Blackwater, DynCorp und Triple Canopy. Nach Angaben des irakischen Innenministeriums besitzen 25 ausländische Firmen die entsprechende Lizenz.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wer das Geschäft im Irak dominiert und wie die deutschen Behörden zu den militärischen Dienstleistern stehen ...

Söldner der Sicherheit

Obwohl vorgeschrieben, beantragen zahlreiche kleinere Unternehmen diese jedoch nicht. Wie viele private Sicherheitsleute sich im Irak aufhalten, weiß daher niemand genau. Die Schätzungen reichen von etwa 15.000 bis zu 50.000 bezahlten Kämpfern. Sie sollen mittlerweile nach den Amerikanern das zweitgrößte Kontingent im Irak ausmachen.

Zuhauf tummeln sich in einschlägigen Internetforen deutsche Soldaten und Polizisten, die ihr Können nach Ende der aktiven Laufbahn auf dem freien Markt anbieten. "Nach zwölf Jahren Dienst an der Waffe ist es schwer, im zivilen Leben Fuß zu fassen - und dann macht man halt das, was man gelernt hat", sagt der 42-jährige Ex-Fernspäher.

Neben martialischen Bildern von kurzhaarigen Männer mit dunklen Sonnenbrillen, das Maschinengewehr in Rambo-Manier im Anschlag, preist beispielsweise das deutsche Unternehmen Praetoria im Internet sein Personal als "erfahrene ehemalige Angehörige von Spezialeinheiten, militärischen Kampfeinheiten oder Polizei-Sonderkommandos".

"Ganzheitliche Risikoberatung"

Diese seien auch im Irak tätig, bestätigt die Bielefelder Firma. Bei der Bodyguard Academy heißt es am Telefon nur knapp "Wir sind raus aus dem Irak" - nicht ohne ein halblautes "zumindest vorübergehend" hinterherzuschicken. Schließlich waren es drei Angestellte der Lübecker Firma die Anfang vergangenen Jahres in zahlreichen deutschen Zeitungen und Zeitschriften freimütig von ihrem Leben als "Private Military Contractors", also private militärische Auftragnehmer, erzählten.

Das Geschäft wird im Irak derzeit jedoch von britischen und amerikanischen Unternehmen dominiert. Eine - wenn auch untergeordnete - Rolle würden im Irak nur zwei große Firmen aus Deutschland spielen, sagt Walfried Sauer vom Münchner Risikoberater Result Group. Ob sein Unternehmen dazu gehört, lässt er offen. "Zu unseren Aufträgen und Einsatzorten sagen wir grundsätzlich gar nichts." Es seien im Irak zwar immer wieder auch kleinere Unternehmen aus Deutschland tätig, "aber deren Expertise sollte man einer genauen Prüfung unterziehen".

Der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) hüllt sich indes in Schweigen. Er besitzt nach eigenen Angaben keine Zahlen über im Irak tätige Firmen. Der Ruf der Branche ist beschädigt, seit ein mutmaßliches Massaker von Blackwater-Angestellten Ende 2007 weltweit für Schlagzeilen sorgte. "Mit denen in eine Kiste geworfen zu werden, ist tödlich", sagt Sauer.

"Das ist kein Problem"

Der Schwerpunkt der Result Group liege auf der "ganzheitlichen Risikoberatung" von Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen. Der Schutz von Personen und Gebäuden mache nur einen kleinen Teil der Arbeit aus und laufe "absolut konspirativ und unauffällig" ab. "Mit den Rambos von Blackwater und DynCorp ist unsere Arbeit nicht vergleichbar", betont Sauer.

Die beiden amerikanischen Branchenriesen mit fragwürdigem Ruf beschäftigen offiziell nur Mitarbeiter mit US-Pass, dennoch sollen für sie auch Deutsche tätig sein. "Das ist kein Problem", sagt der Mann aus Franken, der vor fünf Jahren für Blackwater im Irak war. "Die kontaktiert man übers Internet und nach einiger Zeit bekommt man dann Post". Die genaueren Formalitäten werden über Mittelsmänner ausgehandelt - alles möglichst geheim. "Viel Schriftliches gibt es da dann nicht", sagt der ehemalige Blackwater-Angestellte.

Die deutschen Behörden bekommen davon meist nichts mit. Zwar seien bei der deutschen Botschaft in Bagdad rund 150 Deutsche gemeldet, bestätigt das Auswärtige Amt in Berlin. Mehr als die Hälfte davon seien jedoch Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft oder Ehepartner von Irakern, die Übrigen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen oder Geschäftsleute. Über deutsche Sicherheitsleute im Irak wisse man nicht viel - außer dass es sie wohl gibt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: