Deutsche Marine:Wirbel um Zwischenfall vor libanesischer Küste

Widersprüchliche Angaben über einen Luftzwischenfall und unterschiedliche Auslegungen der Einsatzregeln belasten die von der deutschen Marine geführte UN-Operation.

Peter Blechschmidt und Thorsten Schmitz

Das Verteidigungsministerium in Berlin bekräftigte am Donnerstag seine Darstellung, wonach am vergangenen Dienstag sechs F-16-Kampfflugzeuge der israelischen Luftwaffe ein deutsches Schiff überflogen und dabei zwei Schüsse aus Bordkanonen abgegeben hätten.

Regierung und Opposition in Berlin stritten weiter über die Frage, inwieweit die Marine in den libanesischen Küstengewässern ungehindert operieren kann.

Nach Darstellung Berlins überflogen die israelischen Flugzeuge am Dienstagvormittag aus unbekanntem Anlass das Flottendienstboot Alster. Dabei seien Infrarot-Täuschkörper abgeworfen worden, wie sie zur Ablenkung von Raketen mit Hitzesensoren verwendet werden. Außerdem seien aus einer Bordkanone zwei Schüsse abgegeben worden.

Demgegenüber erklärte ein israelischer Armeesprecher, von einem deutschen Schiff habe zur fraglichen Zeit ein Hubschrauber abgehoben, ohne dass dieser Flug wie vorgeschrieben mit der israelischen Armee koordiniert gewesen wäre. Deshalb seien sechs Kampfflugzeuge gestartet, hätten aber keine einzige Munition abgefeuert.

Der israelische Verteidigungsminister Amir Peretz versicherte in einem Telefonat mit seinem deutschen Kollegen Franz Josef Jung ebenfalls, die Luftwaffe habe nicht auf oder über das deutsche Schiff geschossen.

"Annäherungen" zwischen Schiffen

Von einem startenden Hubschrauber sei nichts bekannt, sagte dazu ein Ministeriumssprecher in Berlin. Das überflogene deutsche Boot sei ein Aufklärungsschiff, das elektromagnetische Strahlung erfasse, wie sie von einem Feuerleitradar ausgehe. Deshalb habe die Besatzung auch die sechs israelischen F-16 gleich geortet und identifiziert.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat es einen ähnlichen Zwischenfall noch nicht gegeben. Wohl aber ist es bereits verschiedentlich zu "Annäherungen" zwischen israelischen und deutschen Schiffen gekommen. Gegner des deutschen Einsatzes im Libanon hatten immer vor der Gefahr einer direkten Konfrontation zwischen deutschen und israelischen Soldaten gewarnt.

Die Israelis beobachten die Einsätze der UN-Truppe Unifil offenbar sehr genau, weil sie argwöhnen, dass der Waffenschmuggel für die islamistische Hisbollah-Miliz im Südlibanon nicht wirksam unterbunden wird. Dies ist die Hauptaufgabe der Unifil-Truppe zu Lande und zu Wasser. Der französische Unifil-Kommandeur Alain Pellegrini hatte den Israelis vor einer Woche vorgeworfen, mit ihren Kontrollflügen im libanesischen Luftraum verletzten sie das Waffenstillstandsabkommen.

Bedenken zurückgewiesen

Verteidigungsminister Jung wies am Donnerstag im Bundestag Bedenken der FDP zurück, die deutsche Marine könne in den libanesischen Küstengewässern nicht ungehindert operieren. Die FDP stützt sich dabei auf einen Bericht des Verteidigungsministeriums an den zuständigen Bundestagsausschuss, wonach Operationen des Marineverbandes in der Sechs-Meilen-Zone und das Durchsuchen verdächtiger Schiffe, das sogenannte Boarding, nur mit Genehmigung der libanesischen Regierung möglich sind.

Dies stehe im Widerspruch zu den Aussagen der Regierung vor der Zustimmung zum Mandat für den Libanon-Einsatz im September, dass die Marine die gesamten Küstengewässer ungehindert befahren könne. Diese Aussage wiederholte Jung jetzt im Bundestag. Befahren und operieren kann aber Unterschiedliches bedeuten.

Nach Angaben eines Ministeriumssprechers müssen UN-Schiffe für eine sogenannte Nacheile, das heißt das Verfolgen eines Schiffes in die Sechs-Meilen-Zone, die Genehmigung der Regierung in Beirut einholen. Diese sei jedoch bisher in allen Fällen sofort erteilt worden. Die Zahl der Anfragen konnte der Sprecher nicht nennen. Zu einem Boarding-Versuch sei es noch nicht gekommen. Die Marine hat das Kommando über den Unifil-Einsatz am 15. Oktober übernommen. Seither wurden bis zum Mittwoch 192 Schiffe überprüft.

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