Passentzug für deutsche Dschihadisten:Solingen statt Syrien

  • Ein Salafist aus Solingen scheitert mit einer Klage gegen den Einzug seines Reisepasses. Er soll nach Syrien in den "Heiligen Krieg" gewollt haben.
  • Polizei und Nachrichtendienste können Kommunen dazu veranlassen, Pässe einzuziehen.
  • Die große Koalition hat es gerade erst möglich gemacht, auch den Personalausweis von Salafisten einzuziehen.
  • Allein in Nordrhein-Westfalen ist es 50 Islamisten verboten, auszureisen.

Von Jannis Brühl, Köln

Der Versuch eines Salafisten, seinen eingezogenen Reisepass zurückzubekommen, ist gescheitert. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster lehnte die Klage eines 23-Jährigen aus Solingen ab, den Sicherheitsbehörden verdächtigten, im Nahen Osten für den Islamischen Staat kämpfen zu wollen. Die Behörden hatten ihn 2013 mit zwei Begleitern kurz vor der Abreise nach Istanbul aufgehalten. Sie hatten kein Rückflugticket gebucht.

Die Stadt Solingen entzog dem Sohn türkisch-arabischer Eltern damals den Pass, um seine Ausreise nach Syrien zu verhindern. Zudem beschränkte sie die Gültigkeit seines Personalausweises auf Deutschland.

Fast 700 Islamisten aus Deutschland sollen in den "Heiligen Krieg" islamistischer Gruppen in Syrien und im Irak gezogen sein, ein Drittel ist zurückgekehrt. Sie rekrutieren sich vor allem aus der salafistischen Szene, die besonders in NRW stark ist. Salafisten legen den Koran und die Überlieferungen des Lebens Mohammeds wörtlich und ultrakonservativ aus. Sie richten ihr Leben nach dem vermeintlichen Lebensstil der Zeitgenossen des Propheten aus.

Der Mann argumentierte vor Gericht, er habe mit der Salafisten-Szene in Solingen nichts mehr zu tun. Er sei von seinem Bruder in die Szene um den verbotenen Moscheeverein "Millatu Ibrahim" hineingezogen worden. Das Gericht wertete jedoch die Hinweise der Sicherheitsbehörden und der Polizei als ausreichend für den Entzug des Passes. Der Kläger war im Umfeld von zwei mittlerweile verbotenen Gruppen aktiv. Der Mann hielt sich 2012 auch am Ort der salafistischen Demonstration in Solingen auf, die zu einer Straßenschlacht mit der Polizei eskalierte. Revision ließ das Gericht nicht zu, gegen diese Einschränkung müsste der Kläger umständlich vors Bundesverwaltungsgericht ziehen.

Wie Behörden Pässe einziehen

Das Passgesetz erlaubt es Behörden, Reisepässe in Fällen zu entziehen, in denen "die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet" sind. Wenn diese Gefahr nach Einschätzung zum Beispiel von Verfassungsschutz, Landeskriminalämtern oder Polizei zutrifft, können sie sich an lokale Behörden wenden. Die Meldeämter der Kommunen ziehen dann die Dokumente ein. Derzeit ist es allein in NRW 50 Islamisten verboten, auszureisen.

Der Solinger Fall ist nicht der einzige, in dem sich Mitglieder der salafistischen Szene dagegen wehren. In einem anderen Verfahren klagt der Vorsitzende eines salafistischen Vereins gegen die Stadt Neuss. Erst vor wenigen Tagen verlor Sven Lau, ein bekannter salafistischer Prediger aus Wuppertal, vor Gericht. Auch er wollte seinen Reisepass zurück.

Wie die Bundesregierung ein Gesetz auf Salafisten zuschnitt

Aus Sicht der Sicherheitsbehörden war die Regelung, gegen die sich der Solinger nun erfolglos wehrte, nicht ausreichend. Denn mit einem Personalausweis können Personen noch in die Türkei ausreisen und sich von dort über die grüne Grenze nach Syrien durchschlagen. Zudem ist der Personalausweis in Deutschland Pflicht, konnte also bis vor kurzem nicht eingezogen werden. Deshalb verabschiedete die große Koalition vor zwei Wochen ein neues Personalausweisgesetz (Entwurf hier als PDF). Es ermöglicht den Behörden, Personalausweise einzuziehen und den Verdächtigten dafür einen "Ersatz-Personalausweis" auszustellen. Der beschränkt ihre Reisefreiheit. Damit kam die Bundesregierung auch dem Drängen des UN-Sicherheitsrates nach, die Reisen von Dschihadisten nach Syrien und Irak zu unterbinden.

Die Opposition aus Linken und Grünen kritisierte das Gesetz. Es sei unverhältnismäßig und bedenklich, wenn ohne die Entscheidung eines Richters Ausweise eingezogen würden. In den Innenausschuss des Bundestages geladene Experten warnten vor der Verabschiedung des Gesetzes vor "Stigmatisierung": Wer den Ersatz-Ausweis habe, sei leicht als des Dschihadismus Verdächtigter zu erkennen.

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