Deutsche Außenpolitik:Da sind alle dafür

EU und Nato, Iran und Irak: In Deutschland ist Außenpolitik kein Grund zum Streiten. Man ringt nicht zwischen, sondern innerhalb der Parteien um die richtige Strategie.

Christian Wernicke, Washington

Trotz des Wahlkampfs und hitziger Debatten um den Bundeswehreinsatz in Afghanistan: Bundesbürger aller politischen Grundrichtungen teilen ähnliche Vorstellungen zur deutschen Außenpolitik.

Außenpolitik Deutschland, AFP

Da sind alle dafür: Bei der Außenpolitik sind sich die Deutschen erstaunlich einig.

(Foto: Foto: AFP, dpa)

Sie unterstützen EU und Nato, verlangen - sofort oder stufenweise - den Abzug deutscher Soldaten vom Hindukusch, befürworten massive Anstrengungen zum Klimaschutz und umjubeln US-Präsident Barack Obama. Weltanschaulich begründete Differenzen offenbaren sich in wenigen Punkten. Konservative Deutsche sind eher zum Einsatz militärischer Gewalt bereit, linksgerichtete Wähler hegen weniger Bedenken gegen einen EU-Beitritt der Türkei.

Dieses erstaunlich einhellige Stimmungsbild ergibt sich aus einer Umfrage des German Marschall Fund (GMF). Im Juni hatte die Denkfabrik je 1000 Bürger in den USA und zwölf europäischen Ländern befragt. Der Süddeutschen Zeitung liegen nun die deutschen Resultate im Detail vor, die aufgeteilt nach der politischen Selbsteinschätzung der Befragten (links, Mitte, rechts) aufbereitet wurden.

Typisch für die ideologiefreie Harmonie, mit der Deutsche auf die Außenpolitik schauen, ist der Nato-Einsatz in Afghanistan. Jeweils exakt 43 Prozent aller linken wie rechten Wähler fordern, Berlin solle die Bundeswehr unverzüglich abziehen. Bürger, die sich im Zentrum des politischen Spektrums sehen, sagen dies zu 38 Prozent.

Zwar stimmen jeweils neun von zehn Befragten aus allen Wählergruppen Obamas außenpolitischem Kurs zu, auch glauben 74 Prozent, er werde mit der Herausforderung am Hindukusch "richtig umgehen". Dennoch lehnen sie dessen Wunsch ab, für den Nato-Einsatz mehr deutsche Soldaten zu entsenden: 88 Prozent der Linken, 84 Prozent in der Mitte und 80 Prozent der Rechten weisen dieses Ansinnen zurück.

Ungetrübt bleibt aber die generelle Unterstützung aller Wählergruppen für die Nato: Mehr als drei Fünftel aller Wähler halten die Allianz für "weiterhin notwendig für die Sicherheit unseres Landes". GMF-Programmdirektor Thomas Kleine-Brockhoff meint: "Zwischen den großen politischen Lagern in Deutschland gibt es außenpolitisch kaum Bruchlinien."

Dies unterscheide die Bundesrepublik klar von den USA, wo Republikaner und Demokraten sehr unterschiedliche Sichtweisen zu den Kriegen im Irak und in Afghanistan oder zum Klimaschutz bekunden. In Deutschland werde hingegen "um die Außen- und Sicherheitspolitik weniger zwischen als in den Parteien gerungen", so Kleine-Brockhoff.

Dies erkläre, warum alle politischen Strömungen beinahe identische Vorstellungen zur deutschen Russlandpolitik äußerten. "Überspitzt kann man sagen: In der CDU streiten ehemalige kalte Krieger mit dem Wirtschaftsflügel, in der SPD ringen slawische Romantiker und Neutralisten mit Menschenrechtlern," karikiert Kleine-Brockhoff, "und unterm Strich zeichnen sich in allen Lagern ähnliche Grundlinien ab."

Das erkläre, warum je drei Viertel aus allen Gruppen sich besorgt zeigen über Moskaus Pressionen gegenüber Nachbarn. Oder warum jeweils vier Fünftel fordern, Deutschland solle die Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten aus Russland selbst um den Preis höherer Energiekosten verringern.

Unterschiede zwischen Rechts und Links offenbaren sich bei der These, dass bisweilen "Krieg nötig ist, um Gerechtigkeit zu schaffen". Dies billigen nur 15 Prozent aller linken, aber immerhin 26 Prozent aller rechten Deutschen. Dramatischer ist freilich selbst hier der nationale, fast pazifistische Trend: 2003 hatten noch 39 Prozent aller Bundesbürger einen gerechten Krieg für möglich gehalten - inzwischen tun dies nur noch 19 Prozent. Das hat Folgen, etwa im Verhältnis zu Iran.

Nur 14 Prozent der Linken, aber 29 Prozent der Rechten empfehlen, der Westen solle gegenüber Teherans suspekten Atomprogramm mit "der Option militärischer Gewalt" drohen. In den USA ist der Graben deutlich tiefer: 36 Prozent der Demokraten, aber 57 Prozent aller Republikaner raten ihrem Präsidenten, gegenüber dem Regime in Teheran nicht "die militärische Option" aufzugeben.

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