Deutsch-türkische Kolumne "Die Isartürkin":Wie Autos die deutsch-türkische Freundschaft retten können

Hammel auf BMW

"kız gibi" oder auf deutsch: "wie ein Mädchen". Das würde ein Türke über so ein schönes Auto sagen.

(Foto: oH; Collage Jessy Asmus/SZ)

Wie können wir das mit der Freundschaft zwischen Deutschen und Türken eigentlich noch hinbiegen? Ganz einfach: mit Autos. Davon sind beide besessen. Die sechste Folge der "Isartürkin".

Von Deniz Aykanat

Als meine Eltern frisch verheiratet waren, zogen sie in einen kleinen Ort im Starnberger Land in der Nähe von München. Meine Mutter hatte dort im Krankenhaus eine Stelle bekommen und die Kolleginnen - es waren die frühen Achtzigerjahre - waren dieser neuen "Schwester Aykanat" nicht gerade wohlgesonnen. Verheiratet mit einem Türken, oh weh.

Während meine Mutter auf Station Verbände wechselte und Blut abnahm, kümmerte sich mein Vater damals um das Wohl eines berühmten Münchner Schlager-Komponisten. Als eine Art Super-Hausmeister war er auch dafür zuständig, dessen Fuhrpark zu pflegen. Es gab viel zu pflegen.

Und da die Nobelkarossen auch mal ausgefahren werden mussten, holte mein Vater meine Mutter eine Woche lang jeden Tag mit einem anderen Luxusschlitten von der neuen Arbeitsstelle ab. Montag: Ferrari. Dienstag: Lamborghini. Mittwoch: Porsche. Donnerstag: BMW und so weiter.

Da stand er dann mit laufendem Motor in der Auffahrt zur Klinik und es entfaltete sich eine Szene wie aus Miami Vice. Mit dem Autotelefon rief er lässig auf Station an - so lässig das geht, wenn das Telefon so groß wie ein Briefkasten ist - und ließ meine Mutter anfunken. Die garstigen Schwestern und Ärzte hingen aus den Fenstern, grün wie ihre OP-Kittel vor Neid, und beobachteten, wie meine Mutter mit ihrem türkischen Don Johnson in den Feierabend entschwand. Das beeindruckte die Eingeborenen des Starnberger Landes nachhaltig.

Das Statussymbol Auto haben Türken und Deutsche gemeinsam

Auch wenn das handgearbeitete Hipster-Rennrad die Nobelkarosse als Statussymbol in Deutschland zunehmend verdrängt und auch genauso teuer ist: Mit Autos kann man in Deutschland immer noch was reißen. Wer ein dickes Auto fährt, hat es eben geschafft. Am besten ein deutsches. Das wissen auch die Deutschtürken. Das Statussymbol Auto haben Türken und Deutsche nämlich seit jeher gemeinsam.

Als wir später vom Starnberger Land nach München zogen, hatten wir in unserer Wohnanlage genau eine türkische Familie als Nachbarn. Papa, Mama und vier Geschwister. In einer Vier-Zimmer-Wohnung. Mama kümmerte sich um die Familie und kochte als hätte sie acht Kinder (wovon stets die ganze Nachbarschaft profitierte). Papa brachte das Geld nach Hause. Seine zwei Lebensthemen waren: Am Samstag wird der BMW gewaschen und die Kinder machen Abitur!

Der Wasch-Samstag wurde oft mit befreundeten Familien begangen. Die Hofeinfahrt sah dann immer aus wie eine Auto-Schau mit Hammel-Event-Grillen. Besucht man an einem Samstag im Sommer die Biergärten in der oberpfälzischen Heimat meiner Mutter, dann sieht das gar nicht so anders aus (Hammel durch Spanferkel ersetzen).

Dann lieber einen Moslem als einen abtrünnigen Christen

Man kann sich über die Vorliebe der hier lebenden Türken, Deutschtürken, Türkischdeutschen, Dürken und Teutschen für dicke Autos lustig machen. Man kann aber auch erkennen, welches Potenzial darin steckt. Deutsche und Türken verbindet die Liebe und der Respekt fürs Auto: Karre first.

Sogar der türkische Präsident fährt einen gepanzerten Mercedes. Jener Recep Tayyip Erdoğan, der bei jeder Gelegenheit die Nazi-Keule in Richtung Deutschland schwingt, fährt deutsch. Bei Autos hört der Spaß eben auf!

Die Hochzeit meiner Mutter mit einem Türken wurde damals übrigens von einem viel schlimmeren Event überschattet: Ihre Cousine ehelichte einen Protestanten. Und das in der kreuzkatholischen Oberpfalz. Dann lieber einen Moslem als einen abtrünnigen Christen.

Und einen, der noch dazu ein ordentliches Auto fährt!

Kolumne "Die Isartürkin"

In der Beziehung zwischen Deutschen und Türken läuft etwas gewaltig schief. SZ-Redakteurin Deniz Aykanat, 34, trägt beide Seiten in sich. Meistens verstehen sie sich gut. Hier schreibt sie regelmäßig über ihr Leben zwischen Bayern und Bosporus. Alle Folgen der Kolumne finden Sie hier.

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