Deutsch-russische Beziehungen:Beinahe Frost

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Frostige Verhältnisse: Angela Merkel und Wladimir Putin (Foto: dpa)

Der Eklat um die Merkel-Rede zur Eröffnung einer Eremitage-Ausstellung passt zum diplomatischen Frost, der zunehmend das Verhältnis zwischen dem in die Diktatur driftenden Russland und dem Westen prägt. Es gibt eine Menge Prinzipienfragen, die mit Präsident Putin dringend zu klären sind. Allein: Die Beutekunst gehört nicht dazu.

Ein Kommentar von Daniel Brössler, Berlin

Angela Merkel hat sich durchgesetzt. Trotzdem wäre es falsch zu sagen, dass sie gewonnen hat. Schon deshalb, weil eine Reise einer deutschen Regierungschefin ausgerechnet nach St. Petersburg nicht mit Vokabeln wie Sieg und Niederlage in Verbindung gebracht werden sollte. Wahr ist: Sie ist ziemlich robust mit dem russischen Präsidenten umgegangen - und hatte auch noch Erfolg damit. Das wirft ein paar interessante Fragen auf. Zunächst einmal die: War es die Sache wert?

Der Streit drehte sich nicht um Syrien, nicht um die Menschenrechte, sondern um eine Ausstellung. Kurz vor Abflug nach Russland ließ Merkel verkünden, sie werde nun doch nicht zusammen mit Putin die Schau mit dem verheißungsvollen Titel "Europa ohne Grenzen" über die Bronzezeit eröffnen. Damit schien der Programmpunkt zu platzen - und somit eine wichtige Geste. Die Ausstellung enthält viele Exponate, die ursprünglich aus Deutschland stammen. Inmitten schwerster außenpolitischer Turbulenzen, so sah es zeitweise aus, entfacht die Kanzlerin einen Grundsatzstreit über das, was die Deutschen "Beutekunst" nennen. Das bleibt seltsam, auch wenn Merkel ihren Willen bekommen hat.

Unbedingt wollte die Kanzlerin zur Eröffnung reden und dabei auch den Standpunkt wiederholen, dass "kriegsbedingt verbrachte" Kunstgegenstände heim nach Deutschland gehören. Das aber wollte der Kreml zunächst nicht (angeblich aus Zeitgründen), wovon das Kanzleramt angeblich in letzter Minute überrascht worden ist. Gut möglich, dass Putin seinen Gast erst einmal hat auflaufen lassen. Das würde zum diplomatischen Frost passen, der zunehmend das Verhältnis zwischen dem in die Diktatur driftenden Russland und dem Westen prägt.

Merkel-Besuch bei Putin
:Diplomatisches Chaos um Beutekunst-Ausstellung

Erst der Eklat, dann plötzlich "kein Problem". Russlands Staatschef Putin und Kanzlerin Merkel gehen nach einer Absage am Morgen nun doch gemeinsam zur Beutekunst-Vernissage in Sankt Petersburg. Deutschland fordert dort ausgestelltes Gold zurück, Russland hält dagegen, man habe es mit Blut bezahlt.

Von Thorsten Denkler und Michael König, Berlin

Merkel ist es schließlich gelungen, die Sache mit Putin im Gespräch zu klären. Die gemeinsame Eröffnung inklusive Ansprachen war nun plötzlich doch kein Problem mehr. Daraus kann man zwei Dinge lernen. Erstens ist mit ein bisschen Entschlossenheit Putin durchaus zu beeindrucken. Zweitens fand Merkel die Sache offenbar ungeheuer wichtig. Wäre es beim Njet geblieben, hätte sie erklären müssen, was an einer grußwortlosen Eröffnung so viel schlimmer gewesen wäre als am Eklat einer Absage.

Dabei ist der Konflikt um Kulturgüter, die sowjetische Soldaten im von den Deutschen entfachten Krieg abtransportiert haben, kompliziert und von Sturheit keineswegs nur auf russischer Seite geprägt. Allzu oft ist in der deutschen Diskussion ausgeblendet worden, wie viel Kulturgut in der Sowjetunion durch das Wüten von Nazis und Wehrmacht zerstört worden ist.

Stimmt schon: Für Europäer ist Streit mit Putin gar nicht zu vermeiden. Das ist so wegen dessen schützender Hand über dem syrischen Diktator Baschar al-Assad. Und das ist so, weil in Russland massenhaft Bürgerrechte verletzt werden. Das sind die Prinzipienfragen, die mit Russland dringend zu klären sind. Die "Beutekunst" gehört nicht dazu.

© SZ vom 22.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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