Deutsch-polnische Beziehungen:"Unverantwortliche Kritik"

Sein Land werde in Deutschland unverhältnismäßig hart kritisiert, beklagt Polens Botschafter in Berlin. Der Diplomat bezieht sich vor allem auf Äußerungen des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle.

Von Nadia Pantel

Der polnische Botschafter in Berlin sieht sein Land in der deutschen Öffentlichkeit unverhältnismäßig hart kritisiert. Konkret nimmt Andrzej Przyłębski an Äußerungen des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, Anstoß. Voßkuhle hatte gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Laurent Fabius der Süddeutschen Zeitung ein Interview gegeben, das am Samstag veröffentlich wurde. In diesem Gespräch nannte Voßkuhle die teilweise Entmachtung des polnischen Verfassungsgerichts einen "Irrweg für Europa und damit auch für Polen". Polens Botschafter reagierte auf diese Äußerungen in einem Interview mit dem polnischen Onlineportal wPolityce und sprach von "unverantwortlicher Kritik an dem Handeln unseres Staates".

In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte Przyłębski zudem, dass Polen im Gespräch mit Voßkuhle als autoritärer Staat porträtiert werde. "Ich sehe in Polen aber keine Autokratie. Die Pressefreiheit ist garantiert. Und in den Medien kann man sehen, dass Bürger beinahe jeden zweiten Tag ihr Recht wahrnehmen, gegen die Regierung zu protestieren."

Seit der Wahl im Oktober 2015 regiert die rechtsnationale Partei Recht und Gerechtigkeit (Pis) in Polen mit absoluter Mehrheit. Zu ihren ersten Amtshandlungen gehörte, die Handlungsfähigkeit des polnischen Verfassungsgerichts einzuschränken. So sollen zum Beispiel die Richter statt mit einfacher nur noch mit Zweidrittelmehrheit Urteile fällen können.

Die Verfassungsexperten der Venedig-Kommission des Europarates stellten jedoch fest, dass das Gesetz keine Gültigkeit habe. Die Kommission spricht von einer "systematischen Bedrohung des Rechtsstaates" in Polen. Ein Urteil, das nach Meinung des Botschafters auf "einseitiger Recherche" der Kommission beruhe.

Der polnische Diplomat ist "enttäuscht" vom derzeitigen Stand der Debatte

Botschafter Przyłębski ist mit der Arbeit des Verfassungsgerichtes nicht nur durch die politischen Debatten vertraut, sondern auch durch sein Familienleben. Er ist mit Julia Przyłębski verheiratet, die seit Dezember 2015 eine der Richterinnen des polnischen Verfassungsgerichtes ist. Sie gehört zu jenen Richtern, die von der Pis vorgeschlagen wurden. Dass sich die Institution in einer Krise befindet, sieht auch der Botschafter. Allerdings sieht er die Unabhängigkeit der Institution nicht durch die Politik der Pis und ihres Vorsitzenden Jarosław Kaczyński beschnitten, sondern durch die Reformen der Vorgängerregierung der Bürgerplattform.

Bevor Andrzej Przyłębski in den diplomatischen Dienst eintrat, war er Professor der Philosophie an der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen und zudem zwei Jahre lang Gastprofessor an der Technischen Universität Chemnitz. Seine Forschung beschäftigte sich mit dem deutschen Idealismus und der Hermeneutik. Insgesamt hat der Wissenschaftler 13 Jahre lang in Deutschland gelebt. Seit seiner Rückkehr nach Berlin als Botschafter sehe er sich "jeden Tag mit einem falschen Bild Polens konfrontiert". Es sei seine "Aufgabe, dieses Bild zu korrigieren". Ende Juli dieses Jahres ist Andrzej Przyłębski sein Amt angetreten, vom derzeitigen Stand der Debatte ist er "enttäuscht".

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