Deutsch-israelische Konsultationen:Sorge um Friedensgespräche

Angesichts der Unruhen und Umbrüche im Nahen Osten appelliert Kanzlerin Merkel an Israel, den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen. Premier Netanjahu aber zögert.

Stefan Braun, Jerusalem

Merkel nutzte die dritten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen am Montag, um der Regierung in Jerusalem ins Gewissen zu reden und sich die Gefahren eines weiteren Stillstands bewusst zu machen. Insbesondere im Gespräch mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu am Nachmittag warb Merkel nach Berichten aus Delegationskreisen dafür, angesichts der unsicheren Lage in Ägypten und im Libanon, aber auch in den angrenzenden arabischen Staaten Gespräche und Friedensbemühungen nicht weiter hinauszuschieben.

Deutsch-Israelische Regierungskonsultationen

Kanzlerin Angela Merkel und mehrere Minister sind am Montag nach Israel gereist. Eine gemeinsame Kabinettssitzung soll die Zusammenarbeit der Länder vertiefen. Nach Ansicht der Bundesregierung haben die Unruhen in Ägypten den Druck weiter erhöht, wieder in wirkliche Friedensgespräche einzutreten.

(Foto: dpa)

Nach Auffassung der Bundesregierung haben vor allem die Unruhen und Proteste in Ägypten den Druck noch erhöht, wieder in wirkliche Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern einzutreten. Denn nach wie vor kann niemand mit Gewissheit sagen, was die Veränderungen am Nil gerade auch für Israel bringen. Auch eine neue Führung, durch Demonstrationen und anschließende demokratische Wahlen an die Macht gekommen, würde Israels Lage in der Region nicht automatisch stabilisieren oder verbessern. Auch Israel-feindliche Kräfte könnten auf diese Weise neue Macht erlangen.

Wie es hieß, sieht Netanjahu die jüngsten Ereignisse noch dramatischer als die Bundesregierung. Die Sorgen sind groß, auch weil man mit einem möglichen Sturz Mubaraks einen für die Israelis über Jahrzehnte zentralen Stabilisator in der Region verlieren könnte. Allerdings schloss sich Netanjahu nicht sofort der Einschätzung an, man müsse jetzt sofort neue Initiativen starten.

Nach Einschätzung der Bundesregierung sind jedoch auch andere, für Israel nicht günstige Entwicklungen Grund genug, ernsthaft Gespräche mit den Palästinensern aufzunehmen. Zum einen wird spätestens in acht bis neun Monaten der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf beginnen. Das erschwert erfahrungsgemäß alle Möglichkeiten, sich im Friedensprozess besonders zu engagieren. Zum anderen sprechen nach Ansicht Berlins auch die weiteren Entwicklungen in Israel selbst dafür, nicht länger abzuwarten.

Aus Delegationskreisen hieß es, dass die Israelis derzeit angesichts der rundherum unsicheren Lage in der Region eher geneigt seien, abzuwarten. Aber die Entwicklungen liefen "keineswegs in Richtung mehr Stabilität"; deshalb müsse es im israelischen Interesse sein, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.

Siedlungsbau im Blick

Nicht wenige in der Regierung schauen dabei vor allem auf die Entwicklungen im Siedlungsbau. Sollte der so fortgesetzt werden wie bisher, sei bald ein Punkt erreicht, an dem eine Zwei-Staaten-Lösung fast nicht mehr möglich sei. Schon als der frühere Premier Ariel Scharon den Gaza-Streifen räumte, seien die Probleme mit jenen Siedlern, die umgesiedelt werden mussten, erheblich gewesen.

Die meisten Schätzungen gehen heute davon aus, dass schon jetzt achtmal so viele Siedler aus der Westbank umgesiedelt werden müssten. Netanjahu allerdings widersprach hinter verschlossenen Türen dieser Darstellung. Wie es hieß, habe er erklärt, dass es nicht die Siedlungen seien, die eine Lösung behinderten. Vielmehr seien die Palästinenser noch nicht so weit, Israel tatsächlich anzuerkennen und den langen Konflikt endgültig für beendet zu erklären.

In der Bundesregierung sieht man nicht nur das anders. Man sieht als immer drängenderes Problem auch noch die demographische Entwicklung. Das enorme Bevölkerungswachstum unter den Palästinensern könne bald den jüdischen und zugleich demokratischen Charakter Israels gefährden. Schon jetzt gebe es radikale Stimmen unter den Palästinensern, die sich bereits gegen eine Zwei-Staaten-Lösung aussprechen, weil sie auf das Bevölkerungswachstum in ihren Reihen setzen. Nicht zuletzt deshalb, so hieß es in der deutschen Delegation, wachse unter den westlichen Freunden Israels die Sorge, ob der derzeitige Stillstand im Friedensprozess wirklich den langfristigen Interessen eines jüdischen und demokratischen Israel diene.

Wie zu hören war, bemühte sich Merkel bei all dem, als Israels Freundin aufzutreten. Es gehe nicht darum, die Freunde in Israel in irgendeiner Weise unter Druck zu setzen. Es gehe sehr ernsthaft um das Bestreben, als guter Freund und Ratgeber aufzutreten. Außerdem soll die Kooperation zwischen beiden Ländern weiter intensiviert werden. Bei dem Treffen wurde beschlossen, beim Katastrophenschutz, bei Umwelttechnologien wie der Elektromobilität und in der Forschung enger zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus will man die trilateralen Projekte mit einzelnen afrikanischen Ländern weiter ausbauen, so in Äthiopien, Ghana und Kenia.

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