Deso Dogg:Die unglaubliche Wendung im Fall Denis Cuspert

Denis Cuspert

Der IS-Kämpfer Denis Cuspert gab sich während seiner Zeit als Rapper den Künstlernamen "Deso Dogg".

(Foto: dpa)
  • Eine Übersetzerin des FBI soll im Juni 2014 den deutschen Dschihadisten Denis Cuspert geheiratet haben.
  • Der deutsche Rapper war 2010 zum Islam konvertiert und stieg in Syrien schnell in die Führungsriege der Terrormiliz IS auf.
  • Offenbar aber bereute die Übersetzerin bereits nach wenigen Wochen ihre Entscheidung und floh zurück in die USA. Sie wurde festgenommen und verurteilt.

Von Moritz Baumstieger

Terrorismusexperten sind mittlerweile grundsätzlich skeptisch, wenn Neuigkeiten zu Denis Cuspert auftauchen, dem Rapper aus Berlin, der in den Dschihad zog. Nachdem er nach Syrien ausgereist war, um sich dem sogenannten Islamischen Staat anzuschließen, nannte sich Cuspert nicht mehr "Deso Dogg", sondern Abu Talha al-Almani. Er stieg rasch in den Rängen der Terroristen auf, war die deutsche Stimme der Dschihadisten, posierte in Videos mit abgeschlagenen Köpfen von Opfern des IS und drohte der Bundesrepublik mit Anschlägen.

Seit die internationale Koalition den Kampf gegen den IS aufgenommen hat, wurde mehrmals sein Tod vermeldet oder über schwerste Verwundungen spekuliert. Bestätigt haben sich die Meldungen nie - zuletzt musste das US-Verteidigungsministerium im Sommer 2016 zugeben, dass der Top-Terrorist einen gezielten Luftschlag wohl überlebt habe.

Die neueste Wendung im Fall Cuspert klingt noch unglaublicher als die Nachrichten der vielen Tode, die der 1975 in Berlin geborene Terrorist angeblich gestorben sein soll. Sie ist aber durch Gerichtsakten eindeutig belegt: Wie der US-Sender CNN nun berichtet, brachte Cuspert im Sommer 2014 eine US-Amerikanerin dazu, heimlich zu ihm nach Syrien zu reisen und ihn zu heiraten. Keine gewöhnliche Frau, sondern eine Übersetzerin des FBI, die auf seinen Fall angesetzt war und den Auftrag hatte, die Kommunikation des deutschen Terroristen zu überwachen. Deutsch spricht die Frau mit dem Namen Daniela Greene fließend. Sie wurde in der damaligen Tschechoslowakei geboren und wuchs in der Bundesrepublik auf, wo sie später einen US-Soldaten kennenlernte, mit dem sie schließlich in die USA auswanderte.

Als Angestellte des FBI in Detroit wurde sie im Januar 2014 auf Cuspert angesetzt. Greene gelang es, über zwei Skype-Accounts Kontakt zu dem Terroristen aufzunehmen - jedenfalls waren das die Informationen, die sie ihren Vorgesetzten gab. Wie sich im Nachhinein herausstellte, kommunizierte die heute 38-Jährige jedoch noch unter einem dritten, geheimen Account mit Cuspert - und scheint ihm so schnell näher gekommen zu sein: Im Juni 2014 erzählte sie ihrem Arbeitgeber, sie fliege nach München, um Verwandte in Deutschland zu besuchen.

One-Way-Ticket nach Istanbul

In Wahrheit buchte Greene jedoch ein One-Way-Ticket nach Istanbul, fuhr quer durch die Türkei und überquerte mit Hilfe der Terroristen auf einer der damals offenen Schmuggelrouten die Grenze zu Syrien. Dort wartete Cuspert bereits auf Greene, die beiden heirateten. Das frischvermählte Paar sprach in der Folge nicht nur über das geplante Eheleben. Gerichtsakten zu Folge klärte die FBI-Übersetzerin, die Zugang zu Informationen unter der höchsten Geheimhaltungsstufe hatte, ihren neuen Ehemann detailliert über die Fahndung nach ihm auf.

Das Leben als Gattin eines Top-Terroristen schien sich jedoch anders anzulassen, als Greene sich das vorgestellt hatte: Schon bald begann sie, E-Mails an Menschen aus ihrem alten Leben zu schicken. "Ich war schwach und wusste nicht mehr, was ich tun sollte", schrieb sie bereits am 8. Juli 2014. "Ich habe viel Mist gebaut." Sie sei in einer sehr rauen Umgebung und hoffe, irgendwann zurückkommen zu können, auch wenn sie dann für lange Zeit ins Gefängnis müsse. Während seine neue Ehefrau bereute, nahm Cuspert an verschiedenen Kampfhandlungen teil. Ein Video vom Juli 2014 zeigt ihn, wie er auf einem Schlachtfeld mit einem Schuh auf eine Leiche einprügelt.

Als Greene am 6. August 2014 schließlich aus Syrien fliehen konnte, wusste das FBI bereits um ihren Verrat: Fünf Tage zuvor wurde ein geheimer Fahndungsaufruf ausgeschrieben. Ihr Fall wurde mit großer Diskretion behandelt: Zurück in den USA kooperierte Greene vollumfänglich mit den Behörden und plädierte in einem Geheimprozess auf "schuldig". Im Dezember 2014 bekam sie ein mildes Urteil, zwei Jahre Haft. Die Informationen aus ihrem Geständnis schienen wertvoll zu sein, im Januar 2015 ließ der damalige US-Außenminister John Kerry Cuspert auf die Liste internationaler Terroristen setzen.

Im Februar streuten deutsche und amerikanische Sicherheitskreise eine andere Version der Geschichte: Die Bild am Sonntag berichtete, dass eine Agentin im Auftrag des FBI Cuspert ausspioniert und geheiratet habe, dann aber fliehen musste - diese Lesart ist für die Behörde deutlich weniger peinlich.

Als CNN nun auf die mittlerweile freigegebenen Prozessakten aufmerksam wird, befindet sich Greene längst wieder in Freiheit. Ihre Haftstrafe hat sie bereits abgesessen, sie wurde am 4. August 2016 entlassen - einen Tag, nachdem das Pentagon zum bisher letzten Mal eine eigene Meldung über den Tod von Greenes kurzzeitigem Ehemann durch einen US-Luftschlag zurücknehmen musste.

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