Der Westen fordert Syriens Präsident zum Rücktritt auf:USA und EU verstärken Druck auf Assad

Die Geduld hat ein Ende: USA und die EU haben den syrischen Machthaber Assad erstmals ausdrücklich aufgefordert, sein Amt abzugeben. Unterdessen töten die Truppen des Präsidenten weiter - während Uniformierte die Morde filmen.

Sonja Zekri

In einer Eskalation des internationalen Drucks haben Amerika und die Europäische Union den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad am Donnerstag erstmals direkt zum Rücktritt aufgefordert. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton erklärte, Assad habe "aus Sicht des syrischen Volkes jede Legitimität verloren", er müsse nun die Macht niederlegen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premier David Cameron forderten in einer gemeinsamen Erklärung ebenfalls Assads Rücktritt.

Kurz zuvor hatte US-Präsident Barack Obama erklärt: "Wir haben Präsident Assad immer wieder gesagt, er müsse einen demokratischen Übergang anführen oder aus dem Weg gehen. Er hat nicht geführt. Um des syrischen Volkes willen ist für Präsident Assad die Zeit gekommen, beiseite zu treten." Die Zukunft Syriens könne aber nur das syrische Volk bestimmen, sagte Obama. Dies habe den "starken Wunsch" gegen eine Intervention von außen zum Ausdruck gebracht.

Gleichzeitig fror die US-Regierung das gesamte Vermögen der syrischen Regierung ein, verbot US-Bürgern Geschäfte mit dem Regime und verhängte ein Importverbot für syrisches Erdöl. Bislang hatte Obama auf die Reformfähigkeit in Damaskus gesetzt. Washington fürchtet, es könnte durch eine Dynamik aus Rücktrittsforderung, Verurteilung im UN-Sicherheitsrat und Sanktionen in den syrischen Konflikt hineingezogen werden.

Assad hat das Ende der Gewalt versprochen - und nicht Wort gehalten

In einem Telefonat hatte Assad zuvor UN-Generalsekretär Ban Ki Moon versichert, die Regierung habe alle "Militär- und Polizeiaktionen" gegen die Aufständischen beendet. Zur selben Zeit aber griffen Soldaten und regierungstreue Milizen Protestierende an. Allein in Homs seien am Mittwoch neun Menschen gestorben, die Angriffe auf Vororte der Küstenstadt Latakia wurden fortgesetzt, berichten Aktivisten.

Uniformierte filmen das Morden

UN-Generalsekretär Ban habe in einem Telefonat mit Assad das "sofortige" Ende der Militäroperationen und Massenverhaftungen gefordert, sagte UN-Vize-Sprecher Farhan Haq. Daraufhin habe Assad die Einstellung der Gewalt versprochen und geplante Reformen aufgezählt. Agenturen zufolge hatte die Regierung auch den Rückzug von Soldaten aus Hama nördlich von Damaskus und Dair as-Sour an der irakischen Grenze zugesagt. Augenzeugen berichten das Gegenteil: Beide Städte, Hochburgen des fast fünfmonatigen Aufstandes, würden weiter beschossen.

Syria's President Bashar al-Assad attends a news conference at the Elysee Palace in Paris

Er ist seit etwa elf Jahren in Syrien an der Macht: der despotische Herrscher Baschar al-Assad.

(Foto: REUTERS)

Die UN prüfen, ob Syriens Armee und Polizei Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben und damit ein Fall für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag sind. Das Büro der Hochkommissarin für Menschenrechte hat angedeutet, dass ein Bericht schwere Menschenrechtsverletzungen offenbaren werde.

Am kommenden Montag will der UN-Menschenrechtsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zusammentreten. Nach Schätzungen der UN sind während des fünfmonatigen Aufstandes 1900 Menschen gestorben. Die Türkei, lange einer der engsten Verbündeten Syriens, vergleicht Assad inzwischen mit Muammar al-Gaddafi. Auch an den libyschen Machthaber habe man seinerzeit appelliert, so Premier Tayyip Erdogan, aber "leider ohne Ergebnis": "Dasselbe erleben wir derzeit mit Syrien."

Das syrische Fernsehen hatte den Rückzug von Truppen aus einigen belagerten Städten gezeigt. Anwohner aber berichteten, die Angriffe hätten damit nicht aufgehört. In Latakia an der Küste wurde das Palästinenser-Lager im Vorort Raml beschossen. Die meisten Menschen flohen in Panik, nach Angaben von Aktivisten töteten die Sicherheitskräfte Dutzende Menschen, während Uniformierte die Morde filmten.

Dies steht im drastischen Widerspruch zur Propaganda: Vier Jahrzehnte lang hatten sich Baschar al-Assad und sein Vater Hafis als Schutzmacht der Palästinenser gegen den israelischen Feind gegeben. Zudem stellt sich die Frage, wie lange die verbliebenen loyalen Truppen noch in der Lage sind, eine Stadt nach der anderen anzugreifen, wenn dies Solidaritätsdemonstrationen in anderen Orten nach sich zieht und der Aufstand nach ihrem Abrücken sofort wieder aufflackert.

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