Der steinige Weg zum Klima-Gipfel:Patt statt Pakt

Noch sechs Wochen bleiben bis zum Klima-Gipfel in Kopenhagen. Die Lage ist düster, der Kampf gegen die Erderwärmung kommt nur mühsam voran. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in Washington.

Michael Bauchmüller

Jairam Ramesh ist das jüngste Opfer der eigenen Courage. Indiens Umweltminister hatte unlängst einen Brief an seinen Premier geschrieben, in dem er ein starkes Bekenntnis seines Landes zum Klimaschutz einforderte. Indien solle sich endlich feste Ziele stecken, auch den Ausstoß von Treibhausgasen begrenzen. Doch diesen Dienstag ruderte Ramesh zurück. Das Ganze, erklärte ein Regierungssprecher in Delhi, sei nur ein "Diskussionsbeitrag" gewesen, "nicht offizielle Politik". Da war die Hoffnung auf neuen Schwung schon wieder dahin.

Klima, dpa

Kühltürme und Schornsteine des RWE-Braunkohlekraftwerks Neurath bei Grevenbroich.

(Foto: Foto: dpa)

Noch sechs Wochen bleiben bis zum Beginn der Klimaverhandlungen in Kopenhagen, und die Lage ist düster. Binnen zwei Wochen sollen die Umweltminister aus 192 Staaten dort ein neues Klimaabkommen verabschieden. Es soll von 2013 an das Kyoto-Protokoll ersetzen, und mehr noch: Es soll erstmals die Weichen stellen für einen wirksamen Klimaschutz. War das Kyoto-Protokoll noch ein Tropfen auf den heißen Stein, soll das neue Abkommen tatsächlich eine Wende einleiten: Der neue Vertrag soll endlich die USA einbeziehen und in begrenztem Maße auch die Entwicklungsländer. Er soll Mechanismen enthalten, die den ärmsten Staaten die Anpassung an den Klimawandel erleichtern und Äquator-Staaten davon abhalten, ihre Regenwälder abzuholzen. Soweit die Theorie.

In der Praxis herrscht Stillstand. Zwei Wochen lang hockten die Unterhändler der Staaten kürzlich in Bangkok beisammen, sie klärten technische Details, sie ließen den Entwurf für einen Vertrag von mehr als 200 auf 120 Seiten zusammenschnurren. Doch wesentlich mehr Substanz erhielt das Vertragswerk dadurch nicht. Selbst die grundlegendste Frage ist ungeklärt: Ob die Staaten einen gänzlich neuen Vertrag aufsetzen oder einfach nur das Kyoto-Protokoll fortsetzen, weiß derzeit niemand. Ganz zu schweigen von den Verpflichtungen, die einzelne Staaten übernehmen sollen.

Dabei hat sich am Ernst der Lage nichts geändert, entsprechende Bekenntnisse gibt es auch. So haben die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Entwicklungsländer einander mehrfach versichert, sie wollten den Klimawandel bis zur Mitte des Jahrhunderts in den Griff bekommen. Sobald es aber konkret wird, herrscht tiefes Schweigen. Zuletzt sprachen sie darüber im September, beim G-20-Gipfel in Pittsburgh - und verwiesen kurzerhand auf die Klimakonferenz in Kopenhagen.

Doch dort könnten die Klimadiplomaten ein Déjà-vu erleben: Stillstand made in Washington. Wie in allen Klimaverhandlungen seit dem Kyoto-Abkommen 1997 hat der, mit China, größte Klimasünder auch diesmal größte Probleme mit dem Klimaschutz - trotz aller Beteuerungen von Präsident Barack Obama, der am Mittwoch mit seinem chinesischen Kollegen Hu Jintao telefonierte. Sie verständigten sich darauf, bei dem Treffen in Kopenhagen "wichtige Schritte zu unternehmen". Trotz dieser schönen Worte steckt die neue Klimagesetzgebung aber in den Mühlen des US-Kongresses. Ursprünglich sollte sie noch vor Kopenhagen stehen, dies hätte den US-Verhandlern ein klares Mandat gegeben. Doch längst ist der Zeitplan obsolet, verzögert durch die Debatten um Obamas Gesundheitsreform. In der ersten Hälfte 2010 könnte das Gesetz stehen - zu spät für Kopenhagen. Schlimmstenfalls droht ein Klimapatt. Ohne klare Worte aus Washington wird es auch keine Zusagen aus Peking oder Delhi geben. "Wenn wir keine US-Position haben, werden wir auch keine chinesische haben", sagt EU-Chefunterhändler Karl Falkenberg nüchtern.

Nur eines hat sich verändert: Es gibt die Bereitschaft zum Handeln. Neben der EU haben auch Länder wie Australien oder Japan ihre Klimaziele angehoben. Indonesien, als Schwellenland nicht einmal zur Senkung seiner Emissionen aufgerufen, will bis 2020 ein Viertel weniger Treibhausgase ausstoßen. In Südamerika will Brasiliens Präsident Lula da Silva die Amazonas-Anrainer zusammentrommeln zum Kampf für den wichtigen CO2-Speicher Amazonaswald.

Ob es reichen wird? Schon feilen die Unterhändler an einer neuen, flexiblen Struktur des Abkommens. Es würde zwar immer noch eine Einigung in Kopenhagen voraussetzen, ließe aber nachträglich schärfere Klimaziele zu, je nach Stand der Wissenschaft. "Wir werden nach Kopenhagen mit ziemlicher Sicherheit weiterverhandeln müssen", sagt EU-Unterhändler Falkenberg.

Übernächste Woche treffen sich die Diplomaten noch einmal in Barcelona. Vorsichtshalber ist das Kongresszentrum schon zwei Tage länger gebucht.

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