Der Sechs-Tage-Krieg:Der hohe Preis des schnellen Sieges

Vor 40 Jahren jubelten die Israelis über ihren militärischen Erfolg im Sechs-Tage-Krieg. Inzwischen überwiegen Zweifel.

Thorsten Schmitz, Tel Aviv

In diesen Tagen herrscht in Israel Katerstimmung, keine Freude wie noch vor vierzig Jahren um diese Zeit. Der Sieg im Sechs-Tage-Krieg 1967 drückt heute als schwere Hypothek aufs israelische Gemüt.

Sechs-Tage-Krieg

Siegreiche israelische Soldaten nach dem stellen nach dem Sechs-Tage-Krieg eine israelische Flagge auf besetztem Gebiet auf

(Foto: Foto: AP)

Am 10. Juni bestimmte damals Euphorie das Gefühl der Menschen in Israel. Innerhalb weniger Tage hatte Israel die Armeen dreier arabischer Staaten besiegt und sich ein Territorium inklusive Grundwasserquellen und Ost-Jerusalem einverleibt, das dreimal so groß war wie Israels damaliges Staatsgebiet.

Die Menschen in dem erst 19 Jahre jungen jüdischen Staat interpretierten den Sieg als Gottes Geschenk und sprachen fortan von einem "Groß-Israel".

Vier Jahrzehnte später findet man in den israelischen Medien kaum einen Jubiläumskommentar, der nicht von einem Pyrrhussieg spricht. In politischen Talkshows im Fernsehen und im Radio, in Zeitungsartikeln und Leserbriefspalten wird darüber gestritten, was der Sechs-Tage-Krieg gebracht und ob es eine Alternative zu Besatzung und Annexion gegeben habe.

Hochstimmung nicht gerechtfertigt

Viele argumentieren, erst die Besatzung habe in den Palästinensern, die bis 1967 stets von anderen fremden Mächten regiert worden waren, ein Nationalbewusstsein erweckt. Jüngere Israelis wiederum sind zwar mit der Besatzung und palästinensischem Terror aufgewachsen, lernten aber auf Auslandsreisen heilere Welten kennen und würden die auch zu Hause haben wollen.

Der israelische Schriftsteller Tom Segev veröffentlichte soeben ein fast 800 Seiten starkes Buch über den Sechs-Tage-Krieg und dessen Folgen. Sein nüchternes Fazit braucht nur einen Satz: Die Hochstimmung in der Bevölkerung nach dem Sieg sei nicht gerechtfertigt gewesen.

Nach seiner Einschätzung befindet sich Israel heute in einer ähnlichen Situation wie 1967. Viel geändert habe sich nicht, trotz des Friedensabkommens von Oslo, der Bildung einer palästinensischen Autonomiebehörde, des Wye-Abkommens und des Friedensfahrplans des Nahost-Quartetts.

Ein Blick auf die Wirklichkeit gibt Segev recht: Vierzig Jahre nach dem Krieg von 1967 wird Israel zur Zeit täglich mit Kurzstreckenraketen aus dem Gaza-Streifen beschossen - obwohl es seine Siedler und Soldaten von dort abgezogen hat.

Die von Iran und Syrien finanzierte Hisbollah feuerte im vergangenen Sommer Tausende Katjuscha-Raketen auf Israel ab - obwohl Israel schon vor sieben Jahren den Südlibanon verlassen hatte.

Die israelische Armee ist ihren Feinden technisch weit überlegen. Doch dieser Vorsprung nutzt ihr kaum im Guerilla- und Abnutzungskrieg gegen Hamas und Hisbollah, die sich in belebten Gegenden verstecken, damit bei Israels Vergeltungsschlägen so viele zivile Opfer wie möglich getroffen werden.

Der hohe Preis des schnellen Sieges

Israels Regierungschef Ehud Olmert wiederum, geschwächt durch das Debakel im jüngsten Libanon-Krieg und Korruptionsvorwürfe, setzt auf Armee-Operationen, um Stärke zu demonstrieren.

Zwar hat der jahrzehntelange Kleinkrieg die meisten Israelis und Palästinenser überzeugt, dass die Lösung nur in einer Trennung beider Völker steckt. Doch niemand weiß, wie und wann eine solche Zwei-Staaten-Regelung zustande kommen könnte. Derweil besiedelt Israel weiter die im Sechs-Tage-Krieg eroberten Gebiete, und Palästinenser verüben immer neue Terrorakte.

Verkehrte Welt im Nahen Osten: Kurz nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens am 11. Juni 1967 hatte Israel den arabischen Staaten noch Verhandlungen über eine Friedenslösung angeboten. Doch diese, durch die Niederlage in ihrem Stolz gekränkt, lehnten ab und griffen Israel stattdessen sechs Jahre später erneut an.

Heute sind es die arabischen Staaten unter Führung Saudi-Arabiens, die Israel normale diplomatische Beziehungen versprechen, wenn Israel die Besatzung des Westjordanlands aufgeben und sich auf die Grenzen vor dem Sechs-Tage-Krieg zurückziehen sollte.

"Isreals verschenkter Sieg"

Doch die Reaktionen der israelischen Regierung auf dieses arabische Angebot fallen allenfalls verhalten aus, obgleich Ministerpräsident Olmert die Wahl 2006 mit dem Versprechen gewann, bis spätestens zum Jahr 2010 werde Israel aus großen Teilen des Westjordanlandes abrücken.

Dieser Plan ist inzwischen in der Schublade gelandet, und Hoffnungen auf einen baldigen Frieden in der Region haben sich damit wieder einmal zerschlagen.

Das britische Magazin Economist schreibt dieser Tage in einem Bericht zum Sechs-Tage-Krieg unter der Überschrift "Israels verschenkter Sieg", es sei "skandalös, dass die Besatzung seit vierzig Jahren anhält" und klagt: "Was für ein sinnloser Wahnsinn!"

Solange Diplomatie und die Aufgabe jüdischer Siedlungen in den besetzten Gebieten von Palästinensern und Israel gleichermaßen als Zeichen der Schwäche interpretiert werden, wird sich an diesem Zustand so bald nichts ändern.

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