Der "Medienkrieg":Beginn eines neuen Zeitalters

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Mit dem zweiten Golfkrieg begann ein neues Zeitalter der Kriegsberichterstattung. In Echtzeit war zu erleben, wie alliierte Jets Bomben über Bagdad abwarfen. Ein Knopfdruck auf die Fernbedienung und der Krieg war im Wohnzimmer.

Gregor le Claire

Mit hoher Geschwindigkeit nähert sich ein zweistöckiges, sandfarbenes Gebäude. Das Bild wackelt. Ein grünes Fadenkreuz ist zu erkennen. Kurz bevor das Haus erreicht ist: nur noch Schneeflimmern.

Ein Kriegsspiel am Computer? Falsch. So sahen die Fernsehbilder aus dem Golfkrieg 1991 aus, genauer gesagt der Flug einer lasergesteuerten Bombe auf ihren letzten Metern vor dem Einschlag.

Mit dem "Desert Storm" begann eine neue Ära der Kriegsberichterstattung. Der Krieg konnte scheinbar in allen Einzelheiten am Fernseher mit verfolgt werden.

Eine inszenierte "Live-Berichterstattung". Denn ob das, was über die Bildschirme lief und in den Zeitungen geschrieben wurde, der Realität am Golf tatsächlich entsprach, ist fraglich, war jahrelang Thema heftiger Debatten und Gegenstand zahlloser Seminare.

Was in der neuen Ära also gleich geblieben war: Der Versuch, mit Hilfe der Massenmedien zu manipulieren.

Die nicht abgebildete Realität sah womöglich auch nicht viel anders aus als bei bisherigen militärischen Auseinandersetzungen: versehentlich bombardierte Gebäude - so genannte Kollateralschäden - getötete Zivilisten, sterbende Soldaten auf beiden Seiten. Doch davon bekam der nach Information Suchende wenig zu sehen, stattdessen die Illusion eines Kriegs, der nur militärische Ziele zerstört und Unschuldige verschont.

Die Lehren aus Vietnam

Die amerikanische Militärführung hatte nicht nur militärische Lehren aus dem Vietnam-Krieg gezogen. Damals trug nicht zuletzt auch die Berichterstattung in den Medien dazu bei, dass die Abneigung in der US-Bevölkerung gegen den Krieg in Vietnam stetig wuchs.

1991, im ersten Fernseh-Krieg, organisierten die USA deshalb ein ausgeklügeltes Informations-System, in dem die Begriffe Zensur und Desinformation eine erhebliche Rolle spielten.

Nur wenige Wochen nach Kriegsende gab US-General Norman Schwarzkopf, der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte, zu, dass die Presse in der Zeit der Bombardements und vor der Bodenoffensive gezielt falsch informiert worden war.

Er dankte den Medien gar, dass sie zu Beginn des Krieges die Erfolge der Alliierten so eindrucksvoll beschrieben hatten. Journalisten als Erfüllungsgehilfen von Kriegsherren - keine schöne Vorstellung.

Ins Kampfgebiet durften damals ausschließlich ausgesuchte Mitglieder der "Combat Pools", rund 20 Gruppen von Kriegsberichterstattern - natürlich in ständiger Begleitung eines alliierten Presseoffiziers. Einen Platz bekam nur, wer einer Krieg führenden Nation angehörte. Den Deutschen blieb somit nur der Platz im Hotel.

Das gefilmte Material wurde hinterher nach gründlicher Überprüfung durch den Presseoffizier auch allen anderen Journalisten zur Verfügung gestellt. Angaben über alliierte Verluste? Genaue Ortsangaben? Eigene Recherchen vor Ort? Fehlanzeige.

Abhängig vom "Combat Pool"

Nur wenigen Journalisten gelang es, der Zensur zu entkommen. Der amerikanische Fernsehsender CNN war als einzige TV-Station bei Kriegsbeginn in Bagdad. 16 Stunden lang berichtete Korrespondent Peter Arnett live und unzensiert vom Dach eines Hotels, bevor diesmal der Irak mit Zensur einschritt. Dennoch stützte auch CNN sein Programm zu großen Teilen auf Material aus den "Combat Pools".

Doch die Behörden verhinderten nicht nur Information, sie streuten gleichzeitig Desinformation. Großzügig versorgten sie zum Beispiel Journalisten mit Bildern von irakischen Soldaten, die angeblich kuwaitische Babys aus Betten reißen. Viele dieser "Informationen" waren gefälscht. In diesem Fall ist die in Tränen aufgelöste Mutter eines ermordeten Säuglings in Wirklichkeit die Tochter des damaligen kuwaitischen Botschafters in Washington.

Der Fehler der Journalisten

Diese gezielte Streuung falscher Informationen war nach Ansicht der alliierten Militärführung nötig, um zu Hause eine breite Unterstützung für den Krieg zu schaffen. Den entscheidenden Fehler aber machten viele Journalisten selbst und verbreiteten das ihnen angebotene Material ungeprüft: Im Konkurrenzkampf um die besten Bilder und schnellsten Neuigkeiten blieb die Sorgfaltspflicht öfter mal auf der Strecke.

Dadurch war es den alliierten Behörden möglich, in den Köpfen der Zuschauer das Bild des schnellen, sauberen Kriegs zu schaffen. Dabei hätte schon der Hinweis auf die Quelle der Informationen womöglich ein weniger verzerrtes Bild geschaffen. So jedoch müssen sich die Medien heute den Vorwurf gefallen lassen, ihrem eigentlichen Auftrag, die Weltöffentlichkeit über das Geschehen vor Ort wahrheitsgetreu zu informieren, nicht erfüllt zu haben.

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