G-7-Gipfel:Das sind die Gipfelthemen

Demonstrators In Munich Protest Upcoming G7 Summit

Aktivisten lassen vor der Feldherrenhalle in München Ballone mit Porträts der Staats- und Regierungschefs steigen.

(Foto: Getty Images)
  • Der Nahe und Mittlere Osten, schon früher Ort und Ausgangspunkt schwerer Krisen, ist zum weltpolitischen Kriegsherd erster Ordnung geworden. Das Thema dürfte auf dem G-7-Gipfel breiten Raum einnehmen.
  • Auch der ukrainisch-russische Konflikt ist durch die Gewalt der vergangenen Tage wieder weit oben auf der Tagesordnung gelandet.
  • Der griechische Ministerpräsident Tsipras hat es geschafft, den Streit über Wege aus der Schuldenkrise zu einem zentralen Thema zu machen.

Von Stefan Braun und Cerstin Gammelin

In der Idylle der bayerischen Alpen denkt man selten an den Nahen Osten. Und doch werden die Staats- und Regierungschefs dieser Weltregion viel Aufmerksamkeit schenken. Sie werden es tun müssen. Der Nahe und Mittlere Osten, schon früher Ort und Ausgangspunkt schwerer Krisen, ist zum weltpolitischen Kriegsherd erster Ordnung geworden. Das schafft Gefahren, die niemand im Westen, erst recht nicht die G 7, vernachlässigen können. Es ist nicht sicher, dass es bei dem Treffen Beschlüsse dazu geben wird. Aber das Thema wird breiten Raum einnehmen. Dass die Debatte für den Abend des ersten Tages geplant ist, spricht Bände. Im Kanzleramt heißt es, das lasse Spielraum - und schaffe viel Zeit zum Reden.

Der Irak und Syrien drohen zu zerbrechen. Andere Staaten, wie Libyen und Jemen, sind schon kollabiert, werden beherrscht von verfeindeten Milizen, die nur eines eint: dass sie mit größtmöglicher Gewalt um Macht und Herrschaft kämpfen. "Vor den Augen der Welt geht die arabische Welt unter." Dieser Satz des Friedensnobelpreisträgers Schimon Peres zeigt deutlich, was da einstürzt. An Stelle von Staaten wollen islamistische Terrororganisationen die Macht übernehmen. Mit mittelalterlicher Grausamkeit wollen sie Andersdenkende töten, hinrichten, vernichten.

Der IS ist bisher nicht kleinzukriegen

Wie schwer der Kampf insbesondere gegen die Milizen des sogenannten Islamischen Staates (IS) ist, hat am Mittwoch bereits die Konferenz der Anti-IS-Koalition in Paris gezeigt. Neben manchem Erfolg sind Rückschläge zu sehen; neben die Hoffnung, die Terrororganisation kleinzukriegen, tritt Ohnmacht, weil der IS immer wieder anderswo zuschlägt. In Paris beschworen alle Teilnehmer, man brauche einen langen Atem, man müsse entschlossen, geschlossen und fokussiert bleiben. Siegesgewissheit klingt anders.

Zumal sich schwere Risse im Bündnis gezeigt haben. Nach dem Fall der irakischen Stadt Ramadi warf US-Verteidigungsminister Ashton Carter der Armee Bagdads vor, sie zeige zu wenig Kampfbereitschaft. Im Gegenzug attackierte Ministerpräsident Haidar al-Abadi die westlichen Verbündeten, sie hätten zu wenig geholfen, ihre Strategie stehe vor dem Scheitern. Bislang liefert der Westen dem Irak Waffen und Militärausbilder, greift in die Kämpfe aber fast ausschließlich über Luftangriffe ein. Angesichts der bescheidenen Erfolge der Koalition wird beim G-7-Treffen die Frage heftig diskutiert werden, ob der Einsatz ausreicht. Keine Regierung will sich mit Bodentruppen engagieren, auch nicht die Obama-Administration. Allerdings werden in Washington Stimmen laut, die diese Zurückhaltung infrage stellen.

Eng damit verknüpft sind Diskussionen, was es für die westlichen Gesellschaften bedeuten würde, sollte sich der IS auf längere Zeit etablieren können. Ein noch größeres Problem würden dann die Tausenden Dschihadisten, die von Europa aus für den IS in den Krieg ziehen. Hinzu kommen die enormen Flüchtlingsströme, die der Zerfall der Staaten ausgelöst hat. Was tun gegen eine weitere Dschihadisierung Europas? Und wie reagieren auf die Hunderttausende Flüchtlinge? Das sind die Fragen, die in Elmau nach Antworten verlangen. Es gibt in Berlin mittlerweile Politiker, die von Veränderungen archaischen Ausmaßes sprechen.

Krise in der Ostukraine

Allenfalls ein bisschen eingehegt, aber noch lange nicht gelöst, ist auch die schwere Krise in der Ostukraine. Die Berichte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa über den massiven Anstieg der Verletzungen des Waffenstillstands geben Anlass zu größter Sorge. Außerdem erwecken sie den Eindruck, als komme nun, was viele schon befürchtet haben: die Frühjahrs-Offensive der von Russland gestützten Separatisten. Ob Russlands Präsident Wladimir Putin das schlicht toleriert oder absichtlich vor dem G-7-Gipfel zum Thema gemacht hat - der ukrainisch-russische Konflikt ist durch die Gewalt der vergangenen Tage wieder weit oben auf der Tagesordnung gelandet.

Tsipras macht Schuldenkrise zum Thema

Auch der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat es mit einem geschickten Manöver geschafft, den Streit über die Wege aus der dramatischen Schuldenkrise und damit über die Zukunft des Landes im Euro zu einem zentralen Thema beim wichtigsten Treffen der westlichen Industriestaaten zu machen. Tsipras wies sein Personal am Donnerstagabend an, eine am Freitag fällige und zugesagte Zahlung nicht zu leisten und stattdessen beim Gläubiger, dem Internationalen Währungsfonds, einen Aufschub bis Monatsende zu beantragen.

Dass der plötzliche Kursschwenk die Gläubiger Griechenlands verärgert und damit eine Einigung auf den Abschluss des laufenden Rettungsprogramms weiter erschweren wird, nahm er offenbar in Kauf, weil er hoffen kann, dass die drei Nichteuropäer unter der G 7, US-Präsident Barack Obama, Kanadas Premierminister Stephen Harper und der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe die Gastgeberin fragen werden: Was ist los bei euch in der Euro-Zone? Als wolle er ganz sichergehen, dass seine Provokation auch funktioniert, rief Tsipras am Freitag noch in Moskau bei Präsident Putin an - und ließ das an die Öffentlichkeit gelangen.

Die Partner sind schon länger irritiert, dass es der Währungsgemeinschaft nicht gelingt, den Krisenherd Griechenland zu befrieden. Sie sind besorgt über die Konsequenzen, die das Ausscheiden des Landes aus der Euro-Zone haben könnte, geostrategisch, wirtschaftlich. Bleiben die anderen Euro-Staaten zusammen oder geht mit Griechenland auch Zypern? Und beginnen dann die Wetten auf Italien? Zur Unsicherheit über den Zusammenhalt der Euro-Zone kommt deren chronische wirtschaftliche Schwäche. Die Euro-Zone wächst weniger als der Rest Europas und hat zugleich mehr Arbeitslose. In Elmau wird die G 7 gleich zu Beginn des Treffens darüber reden, wie es um den drittgrößten Binnenmarkt weltweit steht und um die zweitgrößte Reservewährung. Die Zukunft der Euro-Zone ist ein großes, globales Thema.

Weitere Themen: Klimaschutz und weltweiter Handel

Die zweite Arbeitssitzung ist dem weltweiten Handel gewidmet. Dabei zeichnet sich eine gewisse Rivalität unter den Teilnehmern ab. Die USA verhandeln derzeit gleichzeitig mit der EU und mit den Asean-Staaten über ein Freihandelsabkommen. Es ist keineswegs sicher, dass Präsident Barack Obama beide Abkommen in seiner Amtszeit durch den Senat bringt. Die Bundesregierung will die Verhandlungen der Europäer über das transatlantische TTIP-Abkommen deshalb beschleunigen. Man sehe gerade, "wie Amerika mit Asien Freihandelsabkommen schafft und wie auch China das mit vielen anderen, zum Beispiel der Schweiz, macht", hieß es. Man habe immer gesagt, dass "wir Europäer in 2015 möglichst weit kommen wollen".

Der Streit über das Ziel, die Erderwärmung in diesem Jahrhundert auf zwei Grad zu begrenzen, überschattet die geplanten Bekenntnisse der G 7 zum Klimaschutz. Es sei noch nicht absehbar, ob das Ziel in der Abschlusserklärung stehen werde, verlautete aus Regierungskreisen. Sicher ist nur, dass die G 7 keine konkreten Reduktionszusagen machen wird. Man könne "nicht erwarten, dass die G 7 ankündigt, wie viele Tonnen eingespart werden sollen; das macht gar keinen Sinn", hieß es. Alle Teilnehmer außer Japan hätten ihre nationalen Zusagen gemacht. In Elmau gehe es darum, noch mal "ein Bekenntnis" für eine nachhaltige Energiewirtschaft abzugeben. Das "oberste Ziel" der G 7 sei es, die Klimakonferenz Ende des Jahres in Paris zu unterstützen. Dort soll ein neuer Weltklimavertrag beschlossen werden.

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