Der Fall Strauss-Kahn:Schwerste Anschuldigungen und harte Strafen

Welche Verbrechen wirft die Staatsanwaltschaft Dominique Strauss-Kahn vor? Wer ist das Zimmermädchen, das der IWF-Chef angeblich vergewaltigen wollte? Fragen und Antworten zum Fall DSK.

Carolin Gasteiger, Markus C. Schulte von Drach und Oliver Das Gupta

Wie soll sich die Vergewaltigung zugetragen haben?

Dominique Strauss-Kahn

Unter schlimmem Verdacht: IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn

(Foto: AP)

Was man über den Vorfall in der Suite 2806 im Hotel Sofitel in Manhattan am vergangenen Samstagmittag erfahren hat, stammt von der Staatsanwaltschaft und der Polizei sowie dem Anwalt des Angeklagten Dominique Strauss-Kahn.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft und der Polizei soll sich Folgendes ereignet haben: Ein 32-jähriges Zimmermädchen des Hotels hatte die Anweisung erhalten, die Suite in der 28. Etage, die Strauss-Kahn am Tag zuvor bezogen hatte, zu reinigen. Ersten Meldungen der New Yorker Polizei zufolge habe die Frau gegen 13 Uhr die Suite betreten. Später wurde der Zeitpunkt allerdings auf zwölf Uhr datiert. Sie stellte ihren Rollwagen in die Tür, die halb offen blieb. Dann machte sie sich bemerkbar, für den Fall, dass doch jemand anwesend wäre. Da niemand antwortete, begann sie, das Schlafzimmer zu reinigen.

Plötzlich sei ein Mann aus dem Badezimmer gekommen, vollständig nackt. Die Hotelangestellte entschuldigte sich ihren eigenen Angaben zufolge und wollte die Suite verlassen. Doch der Mann verfolgte sie durch den Korridor, erreichte sie im Vorraum der Suite, griff dort an ihre Brust, schob den Wagen hinaus und versuchte, die Tür abzuschließen. Anschließend zerrte er die Frau angeblich in das Schlafzimmer und versuchte, sie zum Oralsex zu zwingen. Sie konnte sich befreien und rannte aus dem Zimmer, wurde aber wieder gepackt und in das Badezimmer gezogen, wo der Angreifer sie angeblich erneut zwang, Oralsex auszuführen. "Er griff mit Gewalt an den Vaginalbereich des Opfers", erklärte Staatsanwalt John A. McConnell.

Dann versuchte der Mann, dem Zimmermädchen die Strumpfhose auszuziehen und sie zu vergewaltigen. Erneut konnte sie flüchten. Diesmal gelang es ihr, die Suite zu verlassen. Sie meldete den Vorfall sofort "zerzaust und aufgelöst" an der Rezeption, wie Mitarbeiter bestätigten. Diese alarmierten die Polizei über den Notruf. Als die Beamten kamen, hatte der Beschuldigte, bei dem es sich um Strauss-Kahn handeln sollte, das Hotel "in Eile" verlassen, wie eine Überwachungskamera dem Staatsanwalt zufolge belegt.

Strauss-Kahn traf offenbar um 12:45 Uhr seine Verabredung zum Essen - französischen Medien zufolge handelte es sich um seine Tochter. Anschließend fuhr er zum Flughafen. Von unterwegs aus rief er im Hotel an, weil er fälschlicherweise annahm, er habe eines seiner Mobiltelefone dort vergessen. Zu dieser Zeit waren bereits Polizisten eingetroffen, die das Personal anwiesen, ihm zu erklären, das Telefon sei im Hotel. Sie fragten ihn nach seinem Aufenthaltsort, und erfuhren, dass er gerade den Flughafen erreichte. Dort holten ihn Sicherheitsleute um 16:38 Uhr aus einem Airbus 380 der Air France - zwei Minuten vor dem Start.

Am nächsten Tag identifizierte das mutmaßliche Opfer Strauss-Kahn bei einer Gegenüberstellung unter fünf Personen als den Angreifer. Eine Untersuchung Strauss-Kahns und seines angeblichen Opfers erbrachte offenbar bei beiden keine Hinweise auf Verletzungen wie Kratzer oder blaue Flecken. DNS-Untersuchungen finden noch statt.

Könnte es einvernehmlicher Sex gewesen sein?

Die Verteidigung von Dominique Strauss-Kahn hat der New York Post zufolge inzwischen erklärt, sie glaube, dass "die Hinweise nicht mit einer gewaltsamen Begegnung" zusammenpassen.

Eine Quelle im Umfeld des Verteidigers soll der Boulevardzeitung gesagt haben: "Es könnte sogar Einverständnis geherrscht haben."

Welches Alibi soll Strauss-Kahn gehabt haben?

Französische Medien verbreiten, Strauss-Kahn habe ein Alibi gehabt. Le Monde schreibt, der IWF-Chef sei in New York gewesen, um seine Tochter Camille zu treffen. Er habe seine Hotelrechnung um 12:28 Uhr bezahlt und anschließend mit ihr zu Mittag gegessen. Danach sei er zum Flughafen gefahren. Diese Darstellung widerspricht der Schilderung der New Yorker Polizei (NYPD). CNN zufolge haben die Ermittler erklärt, das Zimmermädchen habe die Suite Strauss-Kahns erst gegen 13 Uhr betreten.

Dominique Strauss-Kahn, Benjamin Brafman,

Dominique Strauss-Kahn (rechts) mit seinem Anwalt Benjamin Brafman im Gerichtssaal in Manhattan. Staatsanwaltschaft und Verteidigung stellen die Ereignisse im Hotel Sofitel unterschiedlich dar.

(Foto: AP)

Das NYPD bestätigte inzwischen, dass DSK um 12.28 Uhr ausgecheckt habe - in der Anklage wurde die Tatzeit allerdings auf 12 Uhr korrigiert. Zunächst erwähnte Strauss-Kahns Rechtsbeistand Branfman nichts von einem Alibi. CNN schreibt aber, die Anwälte lehnten es bislang ab, die Person zu identifizieren, mit der der IWF-Chef zu Mittag gegessen haben soll, bestätigten aber, dass diese Person "bereit sei, auszusagen."

Den französischen Berichten zufolge widersprachen Zeugen auch der Schilderung der Ermittler, wonach der Sozialist das Hotel fast fluchtartig verließ. Strauss-Kahns Verteidiger beteuern, er habe allenfalls gehetzt gewirkt, weil er nicht zu spät zum Mittagessen kommen wollte. Le Monde verwies darauf, dass der Franzose selbst in der Luxusherberge wegen seines Mobiltelefons anrief. Dieser Anruf habe die Polizei erst auf die Fährte zum Flughafen gebracht. Strauss-Kahn wurde unmittelbar vor dem Abflug der Air-France-Maschine festgenommen. Der Flug, den die Staatsanwaltschaft als Fluchtversuch betrachtet, war Anwalt Brafman zufolge bereits lange zuvor gebucht worden.

Welche Straftaten wirft die Staatsanwaltschaft Strauss-Kahn vor?

Sieben Anklagepunkte präsentierten die New Yorker Ermittler gegen Dominque Strauss-Kahn, die schwersten lauten: versuchte Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Freiheitsberaubung sowie erzwungenem Oral- und Analverkehr. In der Anklageschrift heißt es wörtlich: "Er griff dem Opfer ohne Einwilligung an die Brust, versuchte, die Strumpfhose herunterzuziehen und griff ihm in den Schritt. Sein Penis hatte gewaltsam zweimal Kontakt mit dem Mund des Opfers." Erste medizinische Ergebnisse hätten die Darstellung des Zimmermädchens bestätigt. Der Franzose soll während der Attacke in der Luxussuite völlig nackt gewesen sein.

Dominique Strauss-Kahn, Benjamin Brafman, Artie McConnell

Artie McConnell (links) stellt im Gerichtssaal die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft vor. Dominique Strauss-Kahn und sein Verteidiger Benjamin Brafman hören zu.

(Foto: AP)

Die New Yorker Justiz prüft auch, ob der IWF-Chef möglicherweise schon einmal eine Frau angegriffen hat. Der frühere Fall soll sich zwar außerhalb der USA abgespielt haben, aber - zumindest in groben Zügen - dem aktuellen Vorwurf gleichen. "Einige Informationen beinhalten Hinweise, dass er tatsächlich schon einmal ähnlich gehandelt hat wie in dem Fall, der ihm jetzt zur Last gelegt wird", sagte John A. McConnell von der Staatsanwaltschaft.

Was weiß man über das Zimmermädchen?

Bei dem mutmaßlichen Opfer handelt es sich um eine 32 Jahre alte Frau, die aus Guinea stammt und seit drei Jahren für das Sofitel als Zimmermädchen arbeitet. Die alleinstehende Frau wohnt demnach in der Bronx und ist Mutter einer Tochter im Teenager-Alter. Sie habe keine Vorstrafen, will die New Yorker Boulevardzeitung Daily News wissen.

International Monetary Fund Director Arrested On Sexual Assault Charges

Dominique Strauss-Kahn wird beschuldigt, hier, im Sofitel Hotel in Manhattan, ein Zimmermädchen vergewaltigt zu haben.

(Foto: AFP)

Die Frau wird als zurückhaltend und tüchtig beschrieben. "Sie hat gute Marnieren, sie ist still", zitiert das Blatt einen namenlosen Kollegen. Es handele sich um eine Muslima, die stets ein "islamisches Kopftuch" trage. Die New York Times berichtet vom Auftritt eines Restaurant-Managers, der angeblich ihr Bruder ist. Dieser habe sich vor sein Lokal in Manhattan gestellt und sie als "wundervolle, hart arbeitende Frau" beschrieben. Deren Tochter und er seien die einzigen Verwandten in Amerika, so der Mann. Seine Schwester befinde sich nun an einem sicheren Ort und würde langsam wieder zur Normalität finden mit Hilfe eines Anwalts.

Wie verbringt der IWF-Chef die Untersuchungshaft?

Luxus adieu: Seine Untersuchungshaft verbringt Dominique Strauss-Kahn in einer dreieinhalb mal vier Meter großen Zelle auf Rikers Island, einer Gefängnisinsel, die den Beinamen "neues Alcatraz" trägt. Die Haftanstalt befindet sich zwischen den Stadtteilen Queens und Bronx im East River und ist nur über eine Brücke zugänglich. In dem 160 Hektar großen Haftkomplex - einem der größten der USA - sitzen etwa 14.000 Menschen ein. Die meisten teilen sich 50-Mann-Baracken.

The entrance to the City of New York Rikers Island Correction Department  facility is seen in the Queens borough of New York

Der Eingang der Rikers Island Correction Department Facility, der Gefängnisanlage der City of New York. Hier sitzt Strauss-Kahn derzeit ein.

(Foto: Reuters)

Anders DSK: Als besondere Persönlichkeit und zu seinem eigenen Schutz ist der IWF-Chef in einer Einzelzelle untergebracht - mit Basisausstattung. Dazu gehören ein Bett, eine Trinktasse, Seife, Shampoo sowie Zahnpasta. Kontakt zu den anderen Häftlingen wird der 62-Jährige nach Angaben des Sprechers der New Yorker Justizverwaltung nicht haben. Sollte er die Zelle verlassen, wird er von einem Gefängniswärter eskortiert - auch seine Mahlzeiten wird der Franzose wohl alleine einnehmen.

Zuvor war DSK in einer Polizeieinrichtung für Opfer von Sexualverbrechen in Harlem untergebracht. Im Kings County Hospital wurde Strauss-Kahn anschließend eine DNS-Probe entnommen. Anschließend brachte man den Banker nach Rikers Island, das für seine brutalen Auseinandersetzungen zwischen Häftlingen und Wärtern berüchtigt ist. In einem Fall wurde ein Wärter zu sechs Jahren Haft verurteilt, weil er Insassen als Teil einer nicht genehmigten Disziplinarmaßnahem befahl, einen anderen Häftling zu verprügeln.

Den Antrag seiner Anwälte, Dominique Strauss-Kahn gegen Kaution in Höhe von einer Million Dollar freizulassen, lehnten die Richter ebenso ab wie den Vorschlag, eine Fußfessel zu tragen. Begründung: Fluchtgefahr. Der 62-Jährige muss deshalb bis zum nächsten Gerichtstermin am 20. Mai auf Rikers Island bleiben. Dann ist der erste Gerichtstermin vor dem New Yorker Supreme Court angesetzt. Zuvor soll eine Grand Jury zusammentreten, die letztlich über einen Prozess entscheiden wird.

Welche Strafen drohen DSK bei einer Verurteilung

Allein für die schwerste Anschuldigung, "sexuelle Belästigung ersten Grades", drohen dem französischen Spitzenpolitiker 25 Jahre Haft. Der New York Post zufolge stehen auch für den erzwungenen Oral - und Analverkehr jeweils bis zu 25 Jahre Haft. Versuchte Vergewaltigung könnte DSK maximal 15 Jahre Haft einbringen sowie sexuelle Nötigung und gewaltsamer Körperkontakt bis zu sieben Jahre. Folgt man dem Boulevardblatt, so könnte Strauss-Kahn allein für diese Vergehen bereits maximal 74 Jahre Haft und drei Monate erhalten. Würde für alle Vorwürfe die Mindeststrafe verhängt, so wären dies 15 Jahre und sechs Monate. Allerdings dürfte das Strafmaß im Falle einer Verurteilung für alle Anklagepunkte irgendwo dazwischen liegen. US-Medien berichten von einem zu erwartenden Strafmaß von insgesamt bis zu 25 Jahren.

Strauss-Kahns Verteidigung übernimmt sein Benjamin Brafman, ein Star-Anwalt, der schon Michael Jackson und Rapper P. Diddy vertreten hatte. "Unsere Absicht ist es, seinen Namen reinzuwaschen", sagte Anwalt Brafman später. Die Schlacht habe erst begonnen. Auf diplomatische Immunität kann sich Strauss-Kahn der New Yorker Polizei zufolge nicht berufen, da er sich zur Tatzeit privat in Manhatten aufhielt.

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