Der Diakon:Klare Ansagen sind notwendig

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Winfried Rottenecker, 52, arbeitet als Diakon in einer katholischen Innenstadtgemeinde in Essen und erlebt die Folgen von Parallelgesellschaften. (Foto: privat)

Winfried Rottenecker arbeitet in einer katholischen Innenstadtgemeinde in Essen mit und für Migranten. Sein Viertel habe enorm von ihnen profitiert, sagt er.

Was alles schieflaufen kann, lässt sich in Essen beobachten. Dort leben viele Menschen ohne Bleiberecht, und das oft seit Jahrzehnten: Kurdische Libanesen sind es, die meist in den 80er-Jahren nach Deutschland geflohen sind und oft im Status der Duldung verharren. Die breite Öffentlichkeit interessiert sich meist nur dann für sie, wenn sie in eine Gewalttat verwickelt sind, in den Medien ist dann gerne von "arabischen Clans" die Rede. Eine eigene Welt.

Man müsse den Leuten klar sagen, welche Perspektive sie haben in Deutschland, wünscht sich Winfried Rottenecker. Er arbeitet als Diakon in der Innenstadtpfarrei St. Gertrud viel mit und für Migranten. "Die Menschen können besser damit umgehen, wenn man ihnen klar sagt: keine Perspektive. Der Schwebezustand, ihr dürft bleiben, müsst euch aber alle drei Monate auf dem Amt melden, ihr dürft nicht arbeiten, müsst aber irgendwie über die Runden kommen, dieses Lavieren ist nicht gut." Am Ende sei eine Abschiebung besser als die endlose Hängepartie. Rottenecker befürchtet bei manchen Flüchtlingsgruppen, etwa aus Nordafrika, dass sich das Scheitern wiederholen könnte. Sie hätten keine Perspektive in Deutschland, weigerten sich aber häufig zurückzugehen.

Dass bei allen Problemen die vergangenen zwei Jahre eine "riesige Erfolgsgeschichte" seien, "kommt mir manchmal zu kurz", sagt Winfried Rottenecker. Sein Innenstadtviertel als Ganzes habe enorm profitiert vom Zuzug der Flüchtlinge: "Wir sind jünger geworden, lebendiger, bunter, sozialer, intelligenter, kommunikativer." Das wirke sich auch auf das Miteinander mit Menschen aus problematischen Familien aus: Sie müssten sich jetzt besser einfügen, weil die Leute im Stadtteil "viel aufmerksamer" geworden seien. Migranten, die in prekären Verhältnissen leben, würden inzwischen besser aufgefangen, die Gefahr, dass sie in einer Art Ghetto landen, sei geringer als früher. "Wenn ein Stadtteil aufmerksam ist, dann entwickelt sich das Miteinander positiv. Dann entsteht eine Wertschätzung der Vielfalt."

© SZ vom 31.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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